Monika Düker: „Das bedeutet, Verantwortung für die Menschen zu übernehmen“

Antrag der Piraten zu Flüchtlingspolitik

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Piraten enthält aus meiner Sicht eine richtige Feststellung. Dort steht, das Asylbewerberleistungsgesetz solle abgeschafft werden. Ja, auch aus Sicht der Grünen ist dieses Gesetz desintegrativ, es diskriminiert die Asylbewerber beim Zugang zu Gesundheit und zu Integration, und es belastet Länder und Kommunen. Zudem beteiligt sich der Bund überhaupt nicht an Unterbringung und Versorgung.
Deswegen steht das folgerichtig im grünen Wahlprogramm sowie im nordrhein-westfälischen Koalitionsvertrag von Rot-Grün. Deswegen hat folgerichtig die Landesregierung im Bundesrat auch eine Abschaffung dieses Gesetzes gefordert.
Herr Herrmann, Sie müssen allerdings zur Kenntnis nehmen, dass man in einer Demokratie für solche Positionen am Ende Mehrheiten braucht. Diese gab es im Bundesrat aber nicht. Dann kann man sich anschließend entweder beleidigt zurückziehen und sagen: „Jetzt machen wir gar nichts mehr“, oder man kann sich fragen, wie man doch noch Verbesserungen herbeiführen kann.
Genau das hat die Landesregierung auch gemacht und dabei in zähen Verhandlungen mit den anderen Ländern zunächst erreicht, dass wir das Ganze abgeschwächt haben. Schließlich gab es dann eine Mehrheit dafür, dass alle Asylbewerber nach einem Jahr in das SGB II überführt werden und es eine gleichberechtigte Krankenversorgung mit Kostenübernahme durch den Bund gibt.
Das war mehrheitsfähig im federführenden Ausschuss, aber dort gilt wohlgemerkt das Ressortprinzip. Deswegen ist so etwas dann unter Umständen im Plenum nicht mehrheitsfähig, was hier auch der Fall war. Beim Freizügigkeitsgesetz ist es eine ähnliche Konstellation.
Solche Lagen, Herr Herrmann, sind im Verhältnis zwischen Bundesrat, Bundesregierung und Bundestag nicht unnormal, da sich hier unterschiedliche politische Konstellationen und unterschiedliche Interessen gegenüberstehen.
Dann, lieber Herr Herrmann, ist es auch normal, dass man sich, wie gesagt, nicht beleidigt in den Schmollwinkel zurückzieht, sondern dass man verhandelt. Das ist nicht unanständig, sondern das bedeutet, Verantwortung für die Menschen zu übernehmen, die wir als Land auch im Bundesrat vertreten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Im Ergebnis kippt dann nicht der ein oder andere um oder – um es mit Ihren Worten zu sagen – man verkauft seine Seele.
(Zuruf von den PIRATEN: Sie haben keine!)
Vielmehr werden am Ende Kompromisse geschlossen. Wenn man den anderen Kompromisse abverlangt, muss man auch selbst welche eingehen, sonst kommt nichts dabei herum. Den Kompromiss kann man unterschiedlich bewerten. Es steht jedem frei, zu sagen: Ihr habt da nicht genug herausgeholt – wie auch immer.
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Düker, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Monika Düker (GRÜNE): Nein, ich möchte meine Ausführungen zu Ende bringen. – Klar ist: Wenn CDU, CSU, SPD und Grüne um einen Kompromiss ringen – das möchte ich hier noch einmal verdeutlichen, weil Sie immer wieder die Bundesratssachen ins Gespräch bringen –, kann dabei am Ende des Tages keine grüne Parteiprogrammatik herauskommen. Das geht bei solchen Verhandlungsprozessen nicht; Herr Körfges hat darauf hingewiesen, was dabei herausgekommen ist.
(Beifall von der SPD)
Ich finde, auch eine Blockade wäre unverantwortlich gewesen. Denn am Ende haben wir nicht nur das Geld, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern eine große Gruppe von Menschen mit humanitärem Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz, die dann Ansprüche aus SGB II haben. Das heißt, diese Menschen können morgen zum Jobcenter gehen und sagen: Ich möchte hier Arbeitsmarktförderung bekommen. Ich möchte integriert werden. – Diesen Menschen steht endlich der Weg zu einer fairen Integration offen.
Darüber hinaus haben wir – das war auch nicht blockierbar, wie ich finde, wenn man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen – die Anwendungsdauer des Asylbewerberleistungsgesetzes von 48 Monaten auf 15 Monate gesenkt, allerdings als Analogleistung, von der die Kommunen überhaupt nichts haben; das war der Wermutstropfen. Aber auf der anderen Seite bekommt jetzt jeder Asylbewerber schon nach 15 Monaten und nicht erst nach 48 Monaten eine Krankenversicherungskarte, und zwar gleichberechtigt mit den Sozialhilfeempfängerinnen.
Insofern können Sie doch nicht einfach sagen: Das ist uns völlig egal. Das blockieren wir hier. Die Menschen haben hier kein Recht auf Verbesserung, weil wir hier reine Lehre durchsetzen wollen. – Nein, so gehen wir nicht mit der Politik um, die im Bundesrat gemacht wird, und deswegen finde ich es richtig, dass verhandelt wurde.
Vor allen Dingen bekommen jetzt auch Asylbewerber endlich verfassungskonforme Geldleistungen. Auch das war überfällig.
Jetzt zu dem sogenannten Kompromiss. Ich finde, was dabei herausgeholt wurde, ist gut und kann sich sehen lassen: 500 Millionen € für 2015, 500 Millionen € für 2016. Natürlich hätte auch ich gerne mehr gehabt – das ist völlig klar –, aber das war sozusagen das Zugeständnis. Bei der CDU war leider keine Mehrheit zu finden für eine strukturelle, dauerhafte Entlastung der Länder und Kommunen; sie war für eine einmalige Zahlung.
Bemerkenswert ist, dass es einem Land wie Bayern völlig egal ist, wie die Länder und Kommunen entlastet werden. Hauptsache, man macht weiterhin eine restriktive, repressive Politik gegen Asylbewerber! – Aber egal.
Großzügig geschätzt heißt das zweimal 120 Millionen € für NRW, und wenn man das kreditierte Geld abzieht – das müssen wir ja irgendwann, in 20 Jahren, zurückzahlen –, bleiben zweimal rund 60 Millionen € übrig.
(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)
Dieses Geld – und dafür brauchen wir keine Anträge von Ihnen, Herr Herrmann – ist zweckgebunden für Flüchtlinge, und dafür werden wir es in NRW auch ausgeben. Wir werden auch weiterhin Verantwortung im Bundesrat übernehmen und uns für Verbesserungen für Flüchtlinge und für Entlastungen für Kommunen einsetzen. Davor werden wir uns nicht drücken. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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