Josefine Paul: „Das ist ein Antrag, der Frauenpolitik und Männerpolitik einander gegenüberstellt und gegeneinander ausspielt“

Antrag der FDP zur Gleichstellungspolitik

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es steht außer Frage, dass wir auch Männerpolitik brauchen und dass wir zudem eine Jungenförderung brauchen. Damit haben wir uns bereits im Ausschuss befasst. Allerdings fehlt mir bei diesem Antrag etwas Konkretes. Ich finde das alles sehr holzschnittartig. Viel wird auch mit Stereotypen und Unterstellungen gearbeitet, wenn zum Beispiel gesagt wird, es fehlten die Vorbilder.
Mir persönlich fehlt ein bisschen die Phantasie, wo denn diese Vorbilder fehlen könnten. Die meisten Unternehmen werden von Männern geführt, die meisten Nobelpreise werden an Männer verliehen, die meisten Länder werden von Männern regiert, die meisten Lehrstühle werden von Männern besetzt usw.
(Minister Barbara Steffens: Die meisten FDP-Abgeordneten sind Männer!)
Ich frage mich: Wo sind denn dann die fehlenden Vorbilder für die Jungs, die Sie gerade so breitflächig als Bildungsverlierer beschrieben haben?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Dr. Joachim Stamp [FDP]: In den Kitas und in den Grundschulen!)
– In der Grundschule waren die Nobelpreisträger und die Professoren, glaube ich, vorher auch, und die haben sie offensichtlich unbeschadet überstanden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie unterstellen hier, Frauenpolitik sei unzeitgemäß und die Feminisierung der Bildung schade den Jungs. Da muss man doch einmal sagen: Die meisten Hochschullehrer sind männlich, und auch die meisten Lehrer an weiterführenden Schulen wie den Gymnasien sind bis heute männlich. Das führt trotzdem nicht dazu, dass die Mädchen die schlechteren Abschlüsse haben. Vielmehr haben sie die besseren.
Das heißt: Mehr männliche Vorbilder für Frauen sind nicht schädlich für die Entwicklung von Frauen, aber weibliche Vorbilder sind schädlich für Jungen? Dem kann ich nicht folgen, und das ist mir zu einfach. Das ist mir zu holzschnittartig.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])
Sie sagen, Geschlechtergerechtigkeit dürfe nicht als Verteilungskampf verstanden werden. Aber genau das machen Sie doch mit Ihrem Antrag hier auch! Anstatt den berechtigten Anliegen von Jungen und Männern Rechnung zu tragen – Sie haben in Ihrem Antrag durchaus einiges Richtiges aufgeschrieben –, arbeiten Sie sich bei den entscheidenden Punkten einzig und allein an Frauenpolitik und an Frauenförderung ab.
Das hier, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ist doch kein Antrag, der in irgendeiner Art und Weise die Männerpolitik nach vorne bringt. Das ist ein Antrag, der Frauenpolitik und Männerpolitik einander gegenüberstellt und gegeneinander ausspielt. Das ist unzeitgemäß.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist bereits angesprochen worden: Alle Fraktionen haben gemeinsam an einem Antrag gearbeitet, der auf Basis eines FDP-Antrags zum „Boys’Day“ entstanden ist. Dieser Antrag soll im nächsten Plenum hier gemeinsam eingebracht werden.
Im Gegensatz zu Ihrem Antrag, in dem ich auch die Forderungen sehr holzschnittartig finde, haben wir konkrete Forderungen formuliert. Wir haben gesagt, wir möchten den „Boys’Day“ gemeinsam weiterentwickeln. Wir möchten gerne, dass das Übergangssystem Schule-Beruf im Sinne beider Geschlechter und im Sinne einer geschlechtersensiblen Berufswahlorientierung weiterentwickelt wird. Es gibt in diesem Antrag auch ein klares Bekenntnis zur Mädchen- und zur Jungenförderung, die eben nicht gegeneinander ausgespielt werden darf.
Und nun kommen Sie und gehen hier ohne Not einen Sonderweg. Ohne Not verlassen Sie den gemeinsamen Weg, den wir hier beschritten haben, und legen einen Antrag vor, den es aus meiner Sicht so in dieser Form überhaupt nicht braucht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das ist auch nicht das erste Mal, dass Sie gemeinsame Anliegen im Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation leider nicht mitgetragen haben. Wir haben am 25. November eine gemeinsame Resolution beschlossen, die sich mit den Rollenklischees in der Werbung befasst. Das müsste doch eigentlich etwas sein, was auch Ihnen am Herzen liegen sollte; denn Männer sollen nicht nur als harte Kerle dargestellt werden, sondern vielleicht eher in der Vielfalt all ihrer Rollenmöglichkeiten. Dieser Resolution konnten Sie sich aus Gründen, die ich bis heute nicht verstehen kann, nicht anschließen. Warum gehen Sie also diese Sonderwege, um uns anschließend zu unterstellen, wir seien nicht innovativ?
Dieser Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, bringt die Männerpolitik nicht nach vorne. Er ist lediglich – und das sieht man ganz eindeutig an dem kleinen Zwischenabsatz, der sich an der Quote abarbeitet – das letzte Aufbäumen einer Anti-Quoten-Partei, die nach dem Quotenbeschluss der Großen Koalition auf Bundesebene nun endgültig keine Verbünde mehr für ihr Gesellschaftsbild aus den 1950er-Jahren hat.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich muss auch noch einmal darauf hinweisen, dass ich mich zunehmend darüber ärgere, dass Sie sich offensichtlich weigern, die Quote zu verstehen. Denn Sie schreiben im Zusammenhang mit der Quote von einer „ausgleichenden Ungerechtigkeit“. Aber die Ungerechtigkeit besteht doch schon längst! Es gibt immer noch weit mehr Männer in Führungsetagen als Frauen.
In manchen Führungsetagen gibt es eine Männerquote von 90 %. Das ist ungerecht, und dem – übrigens im Sinne des Verfassungsauftrags -entgegenzuwirken, ist doch keine ausgleichende Ungerechtigkeit, sondern die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit.
(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wie sieht es denn in der FDP-Fraktion aus?)
– Das haben sie leider noch nicht verstanden. Aber vielleicht können wir in der Weiterentwicklung, die gerade schon von Herrn Kern angesprochen worden ist, gemeinsam ein bisschen Nachhilfe leisten.
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Gucken Sie sich mal unsere Europaliste an! Keine Quote!)
Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit – das müssen wir unterm Strich festhalten – brauchen klare Konzepte und Leitplanken, aber keine phantomschmerzgeleiteten Debatten, wie sie hier von der FDP geführt werden.
Ich jedenfalls freue mich auf die Diskussion unseres gemeinsamen Antrags im nächsten Plenum. Ich persönlich hätte auf Ihren Antrag verzichten können, unterhalte mich aber natürlich im Ausschuss auch gerne weiter darüber. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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Mir persönlich fehlt ein bisschen die Phantasie, wo denn diese Vorbilder fehlen könnten. Die meisten Unternehmen werden von Männern geführt, die meisten Nobelpreise werden an Männer verliehen, die meisten Länder werden von Männern regiert, die meisten Lehrstühle werden von Männern besetzt usw.
(Minister Barbara Steffens: Die meisten FDP-Abgeordneten sind Männer!)
Ich frage mich: Wo sind denn dann die fehlenden Vorbilder für die Jungs, die Sie gerade so breitflächig als Bildungsverlierer beschrieben haben?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Dr. Joachim Stamp [FDP]: In den Kitas und in den Grundschulen!)
– In der Grundschule waren die Nobelpreisträger und die Professoren, glaube ich, vorher auch, und die haben sie offensichtlich unbeschadet überstanden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie unterstellen hier, Frauenpolitik sei unzeitgemäß und die Feminisierung der Bildung schade den Jungs. Da muss man doch einmal sagen: Die meisten Hochschullehrer sind männlich, und auch die meisten Lehrer an weiterführenden Schulen wie den Gymnasien sind bis heute männlich. Das führt trotzdem nicht dazu, dass die Mädchen die schlechteren Abschlüsse haben. Vielmehr haben sie die besseren.
Das heißt: Mehr männliche Vorbilder für Frauen sind nicht schädlich für die Entwicklung von Frauen, aber weibliche Vorbilder sind schädlich für Jungen? Dem kann ich nicht folgen, und das ist mir zu einfach. Das ist mir zu holzschnittartig.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])
Sie sagen, Geschlechtergerechtigkeit dürfe nicht als Verteilungskampf verstanden werden. Aber genau das machen Sie doch mit Ihrem Antrag hier auch! Anstatt den berechtigten Anliegen von Jungen und Männern Rechnung zu tragen – Sie haben in Ihrem Antrag durchaus einiges Richtiges aufgeschrieben –, arbeiten Sie sich bei den entscheidenden Punkten einzig und allein an Frauenpolitik und an Frauenförderung ab.
Das hier, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ist doch kein Antrag, der in irgendeiner Art und Weise die Männerpolitik nach vorne bringt. Das ist ein Antrag, der Frauenpolitik und Männerpolitik einander gegenüberstellt und gegeneinander ausspielt. Das ist unzeitgemäß.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist bereits angesprochen worden: Alle Fraktionen haben gemeinsam an einem Antrag gearbeitet, der auf Basis eines FDP-Antrags zum „Boys’Day“ entstanden ist. Dieser Antrag soll im nächsten Plenum hier gemeinsam eingebracht werden.
Im Gegensatz zu Ihrem Antrag, in dem ich auch die Forderungen sehr holzschnittartig finde, haben wir konkrete Forderungen formuliert. Wir haben gesagt, wir möchten den „Boys’Day“ gemeinsam weiterentwickeln. Wir möchten gerne, dass das Übergangssystem Schule-Beruf im Sinne beider Geschlechter und im Sinne einer geschlechtersensiblen Berufswahlorientierung weiterentwickelt wird. Es gibt in diesem Antrag auch ein klares Bekenntnis zur Mädchen- und zur Jungenförderung, die eben nicht gegeneinander ausgespielt werden darf.
Und nun kommen Sie und gehen hier ohne Not einen Sonderweg. Ohne Not verlassen Sie den gemeinsamen Weg, den wir hier beschritten haben, und legen einen Antrag vor, den es aus meiner Sicht so in dieser Form überhaupt nicht braucht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das ist auch nicht das erste Mal, dass Sie gemeinsame Anliegen im Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation leider nicht mitgetragen haben. Wir haben am 25. November eine gemeinsame Resolution beschlossen, die sich mit den Rollenklischees in der Werbung befasst. Das müsste doch eigentlich etwas sein, was auch Ihnen am Herzen liegen sollte; denn Männer sollen nicht nur als harte Kerle dargestellt werden, sondern vielleicht eher in der Vielfalt all ihrer Rollenmöglichkeiten. Dieser Resolution konnten Sie sich aus Gründen, die ich bis heute nicht verstehen kann, nicht anschließen. Warum gehen Sie also diese Sonderwege, um uns anschließend zu unterstellen, wir seien nicht innovativ?
Dieser Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, bringt die Männerpolitik nicht nach vorne. Er ist lediglich – und das sieht man ganz eindeutig an dem kleinen Zwischenabsatz, der sich an der Quote abarbeitet – das letzte Aufbäumen einer Anti-Quoten-Partei, die nach dem Quotenbeschluss der Großen Koalition auf Bundesebene nun endgültig keine Verbünde mehr für ihr Gesellschaftsbild aus den 1950er-Jahren hat.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich muss auch noch einmal darauf hinweisen, dass ich mich zunehmend darüber ärgere, dass Sie sich offensichtlich weigern, die Quote zu verstehen. Denn Sie schreiben im Zusammenhang mit der Quote von einer „ausgleichenden Ungerechtigkeit“. Aber die Ungerechtigkeit besteht doch schon längst! Es gibt immer noch weit mehr Männer in Führungsetagen als Frauen.
In manchen Führungsetagen gibt es eine Männerquote von 90 %. Das ist ungerecht, und dem – übrigens im Sinne des Verfassungsauftrags -entgegenzuwirken, ist doch keine ausgleichende Ungerechtigkeit, sondern die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit.
(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wie sieht es denn in der FDP-Fraktion aus?)
– Das haben sie leider noch nicht verstanden. Aber vielleicht können wir in der Weiterentwicklung, die gerade schon von Herrn Kern angesprochen worden ist, gemeinsam ein bisschen Nachhilfe leisten.
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Gucken Sie sich mal unsere Europaliste an! Keine Quote!)
Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit – das müssen wir unterm Strich festhalten – brauchen klare Konzepte und Leitplanken, aber keine phantomschmerzgeleiteten Debatten, wie sie hier von der FDP geführt werden.
Ich jedenfalls freue mich auf die Diskussion unseres gemeinsamen Antrags im nächsten Plenum. Ich persönlich hätte auf Ihren Antrag verzichten können, unterhalte mich aber natürlich im Ausschuss auch gerne weiter darüber. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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