Dr. Ruth Seidl: „Das Land Nordrhein-Westfalen gibt so viel Geld für seine Hochschulen aus wie noch nie.“

Landeshaushalt 2015: Wissenschaft und Forschung

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was die Opposition heute bei dieser Haushaltsdebatte abliefert, das ist nicht nur dummes Zeug, das ist geradezu ein Armutszeugnis.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Wer in Verhandlungen ernst genommen werden will – damit meine ich Sie beide – und wer massiv auf den Putz haut, wie Sie das gerade getan haben, der müsste im Gegenzug auch substanziell etwas liefern können. Ich meine damit: Wo ist Ihr Alternativkonzept zum Haushalt? Sie haben uns in der gesamten Debatte keinen Änderungsvorschlag auf den Tisch gelegt. Man könnte fast zu dem Schluss kommen, dass Sie uns mit dieser Zurückhaltung auch stille Zustimmung signalisieren wollen. Das fände ich – ehrlich gesagt – auch richtig.
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Frommer Wunsch!)
Denn Tatsache ist, der Wissenschaftsetat 2015 liegt in diesem Jahr bei 7,8 Milliarden € und damit um fast 2 Milliarden € über dem Etat des Haushaltsjahres 2010.
(Dr. Stefan Berger [CDU]: Ich wusste es!)
– Ja, Sie wussten es, aber es stimmt auch, Herr Berger. Denn es sind sage und schreibe 33 % mehr als zu Ihrer Regierungszeit.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])
Davon erhalten die Hochschulen über 4,6 Milliarden €. Die Innovationsförderung in Höhe von knapp 760 Millionen € ist noch nicht eingerechnet. Und über 1 Milliarde € kommt für die Medizin noch obendrauf.
Wer jetzt meint, hieraus erwachse keine größere Herausforderung für das Land und für die Hochschulen, der nimmt seine politische Verantwortung in diesem Parlament nicht ernst, Frau Freimuth. Aber genau das erwarte ich auch von Ihnen. Das Land Nordrhein-Westfalen gibt so viel Geld für seine Hochschulen aus wie noch nie. Mit der wachsenden Studierendennachfrage und auch mit der Vielfalt der Studierenden wächst eben auch die Verantwortung der Hochschulen gegenüber der Gesellschaft. Mit einem so riesigen Etat wächst die Pflicht einer stärkeren Transparenz gegenüber dem Parlament als Haushaltsgesetzgeber.
Deshalb ist Ihr Vorwurf der vermeintlichen Rücknahme von Hochschulautonomie durch das Hochschulzukunftsgesetz vollkommen absurd.
(Beifall von den GRÜNEN)
Herr Berger und Frau Freimuth, ich komme einmal auf Ihre Rechenbeispiele bezüglich der Qualitätsverbesserungsmittel und der Ausgabenfinanzierung pro Studierendem zurück. Sie sind im Übrigen nicht nur falsch – wir liegen überhaupt nicht bei 80 Millionen € pro Semester, wie Herr Laschet es vor Kurzem dargestellt hat –, sondern vor allem auch selektiv auf einzelne Töpfe bezogen, lassen also die Gesamtfinanzierung für Lehre und Studium außen vor.
Mit den vorliegenden Statistiken, auf die Sie sich berufen, legen Sie jeweils nur die Grundmittel pro Studierendem von 2010 und 2011 nach Bundesländern für Ihre Berechnung zugrunde. Dabei sind im Vergleich zu 2010 in Nordrhein-Westfalen besonders hohe absolute Steigerungen alleine der Landesmittel – beim Hochschulpakt plus 352 Millionen €, bei den Globalbudgets der Hochschulen plus 280 Millionen €, durch die Einführung der Qualitätsverbesserungsmittel plus 249 Millionen € und beim Hochschulbauprogramm plus 151,8 Millionen € – zu verzeichnen. Alle diese Mittel kommen den Studierenden zugute und gehören damit zur statistischen Wahrheit dazu.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Auf dieser Grundlage würde sich übrigens auch bundesweit beim Vergleich der Statistiken ein ganz anderes Bild ergeben.
Im Übrigen kann ich nur sagen: Wenn Ihnen die Pro-Kopf-Finanzierung in 2010 zu niedrig erschienen ist, warum haben Sie dann zu Ihrer Regierungszeit daraus keine Konsequenzen gezogen?
Und: Wenn Sie die Studiengebühren gerne wieder einführen möchten, Frau Freimuth, warum haben Sie dann heute keinen entsprechenden Antrag vorgelegt?
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich kann Ihnen auch sagen, warum: Sie trauen sich nicht, das zu machen, weil Sie wissen, dass Sie im Land damit überhaupt nicht gut ankommen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die Jammerei hinsichtlich der Ausgaben für Wissenschaft und Forschung in NRW ist vollkommen deplatziert; denn gerade unser Einzelplan ist in den letzten Jahren im Verhältnis zum Gesamthaushalt überproportional angestiegen. Schauen wir uns doch einmal alleine die Ausfinanzierung des Hochschulpaktes über die gesamte Laufzeit an. Von 2007 bis 2023 werden in Nordrhein-Westfalen über 10 Milliarden € für zusätzliche Studienplätze ausgegeben. Mehr als 5 Milliarden € fließen aus Landesmitteln. Das ist eine gigantische Summe. NRW hat sich hier nicht wie andere Bundesländer – ich nenne da Hessen, Thüringen, Sachsen oder Sachsen-Anhalt – in der Vergangenheit aus der Verantwortung gestohlen.
Die Übernahme des BAföG durch den Bund bedeutet Mehreinnahmen von 204 Millionen € im Einzelplan 06 – übrigens unter anderem zur Kofinanzierung des Hochschulpaktes – und 72 Millionen € wiederum im Einzelplan 05.
Insofern können wir dem Antrag der Piratenfraktion in Bezug auf die QVM heute nicht folgen, da wir das Geld aus dem BAföG tatsächlich nicht zweimal ausgeben können.
Lieber Herr Berger, liebe Frau Freimuth, wirklich haarsträubend ist die Behauptung, wir wollten unter anderem mit den Programmen wie „Fortschritt NRW“ in die Forschungsfreiheit der Hochschulen eingreifen. Eine solche Behauptung, die Sie immer wieder tätigen, ist wirklich jenseits von Gut und Böse.
(Beifall von den GRÜNEN)
Bei aller Wertschätzung, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP: Wer heute noch nicht weiß, vor welchen großen gesellschaftlichen Herausforderungen wir politische Konzepte entwerfen müssen, gehört einer politischen Generation von vorgestern an. Wir fördern mit diesen Programmen sowohl Projekte als auch Strukturen der Forschung für Nachhaltigkeit. Damit schaffen wir im Übrigen die Voraussetzungen dafür, an den aktuell in die gleiche Richtung weisenden Förderprogrammen des Bundes und der EU zu partizipieren.
Wissenschaft soll zentrale Beiträge zu umfassenden technischen, sozialen und ökologischen Innovationen liefern. An vielen Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Land tut sie dies schon. Das ist nicht zuletzt ein gesellschaftlicher Auftrag. Dabei entstehen auch ein wirtschaftlicher Vorteil und zusätzliche Arbeitsplätze. Das widerspricht komplett Ihrer Annahme, externe Geldgeber könnten sich künftig wegen der Forschungsstrategie des Landes zurückziehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Ihre Einlassungen zum Haushalt 2015 sind weder ein seriöser Beitrag zur Einhaltung der Schuldenbremse, noch tragen sie auch nur ansatzweise dazu bei, die Hochschulen bei der Bewältigung ihrer gesellschaftlichen Aufgaben zu unterstützen.
Wir haben es zusammen mit den Hochschulen geschafft, den gewaltigen Kraftakt der Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs reibungslos über die Bühne zu bringen. In der mittelfristigen Finanzplanung haben wir sichergestellt, dass für die weiterhin steigenden Studierendenzahlen bis zum Jahr 2023 ausreichend Studienplätze zur Verfügung stehen.
Darüber hinaus haben wir als zweites Bundesland neben Baden-Württemberg ein zusätzliches Masterprogramm aufgelegt. Dieses beinhaltet 65.000 Plätze bis 2020 und wird mit 10.000 € pro Platz finanziert, ohne dass dadurch weniger Bachelorstudiengänge geschaffen würden.
Deshalb können Sie jetzt noch so viele Haare in der Suppe suchen, wie Sie wollen. Es wird Ihnen nicht gelingen, darüber hinwegzutäuschen, dass dieser Hochschul- und Wissenschaftshaushalt, der seit 2010 um fast 2 Milliarden € gesteigert werden konnte, eine echte Erfolgsstory ist. Rot-Grün hat hier einen deutlichen Schwerpunkt auf Innovation und Bildungsbeteiligung gesetzt und die Haushaltsmittel vor allem im Sinne der jungen Menschen, die auch in den kommenden Jahren verstärkt in unsere Hochschulen kommen werden, verantwortungsbewusst und zielgerichtet eingeplant. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)