Rolf Beu: „Wenn alle sagen: ‚Lasst den Blödsinn!‘, dann sollte man endlich die Notbremse ziehen“

Aktuelle Stunde auf Antrag der Piraten und der FDP

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Rolf Beu (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Debatte, die wir im September dieses Jahres hier im Hause geführt haben, hat die rot-grüne Koalition bereits ein starkes Signal nach Berlin gesendet. Wir lehnen die Pläne der Bundesregierung für eine Pkw-Maut ab.
Rot-Grün in NRW hat dies beschlossen – gegen die Opposition. Warum? Man kann nur mutmaßen.
(Oliver Bayer [PIRATEN]: Weil Sie in Ihren Antrag anderes mit hineingebracht haben!)
Die FDP wollte den Beschluss nicht mittragen, weil er die strikte Ausweitung der Lkw-Maut enthält. Die CDU wollte den Beschluss nicht mittragen, weil sie ihn mit Rücksicht auf Berlin zu harsch fand.
Nun, die wacklige Position der CDU ist keine Mutmaßung mehr; sie ist Realität. Erinnern wir uns: Zunächst lehnte Angela Merkel die Pkw-Maut ab; dies werde es mit ihr nicht geben. Armin Laschet sagte, die Maut werde nicht kommen.
(Zuruf: Aha!)
Im Koalitionsvertrag steht dann doch etwas von einer Maut zur Finanzierung von Autobahnen unter Bedingungen. Im Juli dieses Jahres legte Herr Dobrindt einen Entwurf vor, der auf einmal alle Straßen in die Maut einbeziehen sollte. Armin Laschet brüllte wie ein Löwe gegen die Pkw-Maut.
Und nun? Herr Dobrindt will nur eine Pkw-Maut auf Autobahnen und Bundesstraßen, aber bei Bundesstraßen nicht für Ausländer – vorerst, so steht es im Entwurf des Gesetzes. Es sollen netto aus dieser ganzen Sache noch 500 Millionen € übrig bleiben. Viel zu optimistisch, sagen fast alle Experten. Aber selbst, wenn es stimmen würde, viel zu wenig für die Finanzierungsprobleme der Infrastruktur.
Etwa 500 neue Stellen in der Bürokratie werden jedoch dafür geschaffen. Zwei Ämter werden die Maut erheben, kontrollieren, Erstattungsanträge bearbeiten usw. Jeder weiß, eine einmal geschaffene Verwaltung wird so gut wie nie wieder abgeschafft. Ein Großteil der Einnahmen wird von einem neuen Bürokratiemonster aufgefressen werden.
Was sagt Armin Laschet dazu? Zuerst ist er der löwenhaft brüllende Maut-Gegner, nun liegt er als zahmer Haustiger auf dem Schoß von Dobrindt und schnurrt dabei zufrieden: Wir haben Schaden vom Land NRW abgewendet.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ist dieser Quatsch das Abwenden von Schaden für Nordrhein-Westfalen? Ist es das segnende Wirken für NRW, das Blödsinn noch blödsinniger, aber nicht weniger schädlich ist?
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Verkehrsclub Deutschland, Umweltverbände, IHK, ADAC, Kommunen, Experten, Nachbarstaaten, Bürgerinnen und Bürger – sie lehnen die Pläne für die Pkw-Maut weiterhin ab. Wenn man in der Politik einen Vorschlag macht und als Reaktion von den einen mehr und von den anderen weniger kommt, dann kann man immer noch sagen, man ist in der „goldenen Mitte“. Aber wenn alle sagen: „Lasst den Blödsinn!“, dann sollte man endlich die Notbremse ziehen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Bundesregierung macht mit dieser Pkw-Maut eine Politik gegen die Menschen, gegen die Wirtschaft, gegen die Umwelt, gegen Europa. Dies muss gestoppt werden. Die geplante Pkw-Maut bringt kaum Einnahmen und stattdessen eine riesige neue Bürokratie. Die Pkw-Maut ist datenschutzrechtlich höchst problematisch trotz so vieler Beschwichtigungen, wie wir sie aus der Vergangenheit schon kennen und gelernt haben einzuschätzen.
Die Maut gefährdet insbesondere Tages- und Wochenendtourismus in den ländlichen Regionen wie der Eifel und dem Sauerland. Sie bedroht dort konkret Arbeitsplätze und die Wertschöpfung in der Tourismusindustrie. Sie wird die Grenzregionen treffen. Wir haben sieben grenzüberschreitende Autobahnen. Dazu kommen nahegelegene Autobahnverbindungen in andere Bundesländer. Wenn – wie vorgesehen – die Mauterhebung schrittweise auf Bundesstraßen ausgeweitet wird, dann wird es gar noch schlimmer.
Natürlich wird mit der Bemautung die grenzüberschreitende Fahrt unattraktiv. Natürlich schadet das der Wirtschaft vor Ort, den Einzelhändlern und den Gewerbetreibenden. Natürlich werden Autofahrer auf Bundes-, Landes- und Kommunalstraßen ausweichen. Sie werden durch die Dörfer fahren, Lärm erzeugen und Abgase ausstoßen, und natürlich wird die CDU dann neue Ortsumgehungen fordern.
Die Menschen dort werden es den Seehofer-Sachwaltern Dobrindt und Laschet danken. Spätestens wenn dann die Ausweitung auf Bundesstraßen gekommen ist – geplant für 2018; das Datum hängt natürlich überhaupt nicht mit irgendwelchen Wahlterminen zusammen –, werden sich die Niederlande, Belgien und Luxemburg vermutlich zur Einführung einer Maut auf ihren Straßen entschließen, und das wird der europäischen Einigung und dem grenzüberschreitenden Zusammenleben endgültig massiv schaden.
Vor der Fahrt über die Grenze im Internet einchecken, je nachdem, ob man nach Belgien, in die Niederlande oder nach Deutschland will, oder an der Grenze anhalten, Angaben machen, Vignette registrieren! Am besten wäre dann noch, der Zoll würde direkt vor Ort Schranken aufstellen und wieder kontrollieren. Dann wäre Schengen endgültig passé. Das ist vermutlich der Traum einiger Politiker der bayerischen CSU-Staatsregierung, das ist aber nicht unsere grüne Idee von Europa.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Wir wollen Mauterfassung und Vignetten zu unseren niederländischen und belgischen Nachbarn genauso wenig wie zu den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Hessen oder Niedersachsen. Für uns in NRW ist Europa kein abstrakter Begriff, sind keine Sonntagsreden, sondern gelebte Realität. Eine Pkw-Maut behindert den gegenseitigen Austausch, behindert das gelebte Europa, und das nur, um das Wahlkampfversprechen einer bayerischen Regionalpartei zu erfüllen, ein Wahlkampfversprechen, das auch den dortigen Menschen überhaupt nichts bringt und allen schadet. Hier wedelt nicht der Schwanz mit dem Hund, hier haben sich die Flöhe im Fell verkrallt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Für uns Grüne ist klar: Wir wollen eine Ausweitung der Lkw-Maut auf das gesamte Straßennetz und auf kleine Lkw, und das so schnell wie möglich. Das vermeidet Ausweisverkehre, statt sie zu provozieren. Das ist unbürokratisch machbar. Das ist verkehrspolitisch gerecht, denn Lkw verursachen rund 95 % aller Straßenschäden. Das ist umweltpolitisch sinnvoll, denn wir wollen mehr Güterverkehre auf die Schiene bringen
(Zuruf von der FDP)
Werte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen gemeinsam für NRW zusammenstehen, statt umzufallen. Wir müssen die Pkw-Maut stoppen.
(Beifall von Christof Rasche [FDP])
Wir müssen vor allem über die Lkw-Maut eine bessere Verkehrsinfrastrukturfinanzierung hinbekommen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das ist Aufgabe, und diese Koalition in NRW hat sie sich als Ziel gesetzt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)

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