Stefan Engstfeld: „Diese friedliche Revolution führte nicht nur zum Mauerfall, sie ist für uns GRÜNE bis heute Auftrag“

Antrag der CDU zu 25 Jahre Mauerfall

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Generalkonsul! Lieber Vizekonsul! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 25 Jahren gelang den Bürgerinnen und Bürgern in der DDR der erste gewaltlose politische und gesellschaftliche Umbruch in der deutschen Geschichte. Mit ihrem Ruf „Wir sind das Volk“, mit diesem zutiefst demokratischen Anspruch, sind 1989 Hunderttausende Menschen in der DDR auf die Straße gegangen. Der demokratische Neubeginn von unten markierte eine Zeitenwende und ermöglichte die deutsche Einheit.
Diese friedliche Revolution führte nicht nur zum Mauerfall. Sie ist für uns Grüne, die wir bis heute „Bündnis 90“, also den Namen des damaligen Zusammenschlusses von Bürgerbewegungen und Oppositionsgruppen in der DDR, in unserem Parteinamen tragen, bis heute ein Auftrag.
Wir wissen: Demokratie ist nicht ein einmal errungener Zustand. Mitsprache und Teilhabe müssen täglich neu praktiziert werden. Die friedliche Revolution ist Geschichte. Der Einsatz für eine demokratische Bürgergesellschaft geht jedoch weiter.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Freiheit und Gerechtigkeit bilden für uns Grüne das Flügelpaar der Demokratie.
Der Umbruch wurde natürlich erst möglich durch die vielen bekannten und unbekannten Menschenrechtsgruppen, Freiheitsaktivistinnen und -aktivisten und Kirchenvertreter im damaligen Ostblock, die den Weg dahin mit ebneten. Die Umbrüche in Ungarn und der ehemaligen Tschechoslowakei sowie die Gorbatschow-Perestroika, um nur einige Punkte zu nennen, und natürlich die Ereignisse in Polen seit 1980, all das zusammen eingebettet in eine europaweite Vernetzung derjenigen, die dem Willen der Völker und dem Wunsch nach Wandel hin zu Demokratie und Freiheit folgten, sind ebenfalls wichtige Wegbereiter des geschichtsträchtigen Mauerfalls vor 25 Jahren.
(Beifall von den GRÜNEN und Hans-Willi Körfges [SPD])
Eine Kontinuitätslinie hin zur Wiedervereinigung sind für mich auch der Volksaufstand am 17. Juni 1953 in Berlin, die Ereignisse in Ungarn 1956, der Prager Frühling 1968, der Arbeiteraufstand in Danzig und Stettin 1970 und die Gründung der Gewerkschaft Solidarnosc 1980. All diese Volksbewegungen müssen wir im Blick haben, wenn wir über den Fall der Mauer sprechen.
Wenn wir über die besondere Rolle Polens für den Umbruch im Ostblock und die deutsche Wiedervereinigung in den 1980er-Jahren reden, müssen wir das auch in den Diskurs über das deutsch-polnische Verhältnis einbetten. Lieber Kollege Jostmeier, Sie haben Punkte, die ich gerade genannt habe, auch genannt. Sie haben es aber in Ihrem Antrag nicht geschrieben. Es fehlt halt.
Dazu gehört für mich zum Beispiel die Einbettung des Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrags von 1991.
Dazu gehören natürlich auch – der Kollege Neumann hat es erwähnt – die sehr tiefen und freundschaftlichen Beziehungen zu Polen und der Partnerregion Schlesien, zu der wir Grünen auch uneingeschränkt stehen, im Jahre 2014. Darüber muss man reden.
Dazu gehört ebenfalls, über die Einwanderung polnischer Familien nach Nordrhein-Westfalen zu sprechen, die vor allem seit Ende des 19. Jahrhunderts in der Kohle- und Stahlindustrie bei uns Beschäftigung fanden. Mit der Zeit verschmolzen die Kulturen, ohne dass die Wurzeln vergessen wurden. Das ist eine wichtige integrationspolitische Leistung, die wir hier in Nordrhein-Westfalen vollbracht haben. Gerade vor dem Hintergrund der schwierigen deutsch-polnischen Geschichte haben wir mit dieser Integrationsleistung in Nordrhein-Westfalen einen wichtigen Beitrag zur Versöhnung und Verständigung beider Völker geleistet.
Alles das fehlt aber in dem Antrag der CDU-Fraktion, den Sie hier zur Beratung vorgelegt haben, und alles das findet sich in dem rot-grünen Entschließungsantrag wieder, der heute ebenfalls zur Abstimmung steht.
Ich bedaure sehr, dass die CDU-Fraktion im Vorfeld nicht auf uns zugekommen ist, um einen gemeinsamen Antrag zu diesem Thema zu formulieren. Wir von Rot-Grün haben am Dienstag unseren Antrag allen Fraktionen in diesem Haus als Grundlage für einen gemeinsamen Antrag zugeschickt. Deswegen hatten wir ihn auch bis gestern Abend noch nicht als eigenständigen Entschließungsantrag eingereicht. Leider sind wir aber, obwohl wir auch gestern kommuniziert haben, bis jetzt nicht zusammengekommen. Das ist äußerst bedauerlich, denn aus unserer Sicht bestehen bei dem Thema mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes.
Wir hoffen heute trotzdem, dass unser Antrag Unterstützung auch aus den Oppositionsfraktionen findet und laden FDP und Piraten noch einmal ganz herzlich ein, sich unserem weitergehenden, differenzierten und umfassenden Entschließungsantrag anzuschließen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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