Inklusion im Sport voranbringen – Gemeinsamen Sport von Menschen mit und ohne Behinderung fördern

Gemeinsamer Antrag aller Fraktionen

Die im März 2009 durch die Ratifizierung durch Bundestag und Bundesrat auch in Deutschland in Kraft getretene UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung schreibt in Artikel 30 (5) unter dem Titel „Teilhabe am kulturellen Leben sowie Erholung, Freizeit und Sport“ die gleichberechtigte Teilhabe an Sportaktivitäten auf allen Ebenen fest. Dort heißt es wörtlich: 
„Mit dem Ziel, Menschen mit Behinderungen die gleichberechtigte Teilnahme an Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen, […]
a) um Menschen mit Behinderungen zu ermutigen, so umfassend wie möglich an breitensportlichen Aktivitäten auf allen Ebenen teilzunehmen, und ihre Teilnahme zu fördern;
b) um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben, behinderungsspezifische Sport- und Erholungsaktivitäten zu organisieren, zu entwickeln und an solchen teilzunehmen, und zu diesem Zweck die Bereitstellung eines geeigneten Angebots an Anleitung, Training und Ressourcen auf der Grundlage der Gleichberechtigung mit anderen zu fördern;
c) um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu Sport-, Erholungs- und Tourismusstätten haben“.
In einer inklusiven Gesellschaft sind diese Forderungen eine Selbstverständlichkeit. Doch der Weg in eine inklusive Gesellschaft bedeutet große Herausforderungen auf allen Ebenen. Das Land Nordrhein Westfalen erkennt seine Verantwortung für das Gelingen eines gesamtgesellschaftlichen Inklusionsprozesses. Die Aufgabe des Aktionsplans „Eine Gesellschaft für Alle“ ist es, die Teilhabe aller Menschen an gesellschaftlichen Prozessen sicher zu stellen. Sport und Bewegung haben hier einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert, schließlich sind die Chancen, die durch die Teilnahme am Sport entstehen, unbestritten: Kognitive Leistungsfähigkeit wird durch Bewegungsaktivität geschult und gefördert, es entstehen zudem günstige Voraussetzung für Autonomie und ein gestärktes Selbstkonzept sowie positive soziale Interaktion auch im Alltag. Der gemeinsame Sport von Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderungen trägt dazu bei, gegenseitige Vorurteile abzubauen und Akzeptanz, Verständnis sowie Kooperation zu stärken. Durch das gemeinsame Sporttreiben von Menschen mit geistigen, psychischen sowie körperlichen Behinderungen und Menschen ohne Einschränkungen werden soziale Barrieren überwunden und so ein wichtiger Beitrag zu einer inklusiven Gesellschaft geleistet.
Sport eignet sich auch deshalb so gut als Inklusionsmotor, weil die Erfolge in sozialer Interaktion sichtbar werden. Das gilt sowohl für die sportliche Betätigung im alltäglichen Leben, als auch für die Teilnahme an Sportveranstaltungen, sei es als aktive Teilnehmerin oder aktiver Teilnehmer, als Schiedsrichterin bzw. Schiedsrichter oder als Zuschauerin bzw. Zuschauer. Auf mehreren Konferenzen, so am 24.10.2012 in Köln mit dem Titel „Inklusion durch Sport, Forschung für Menschen mit Behinderung“, auf der Tagung „Gelungene Wege zum inklusiven Sport“ (25.09.2013 während der REHACARE) und einer Veranstaltung am 22.05.2014 während der „Special Olympics“, wurde mit Sportorganisationen, Wohlfahrtsverbänden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über Realisierungsmöglichkeiten debattiert.
Für eine inklusive Sportlandschaft müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, damit alle Menschen gemäß ihrer individuellen Wünsche gemeinsam Sport treiben und erleben können, unabhängig davon, ob sie eine körperliche, psychisch-emotionale oder kognitive Einschränkung haben. Dem Bedarf entsprechend braucht es inklusive Sport- und Bewegungsangebote sowie Behindertensportangebote.
Zukünftig muss die Sportstätteninfrastruktur den speziellen Anforderungen, die für Sport von Menschen mit Behinderung Voraussetzung sind, entsprechen. Bestehende bauliche Normen müssen daher hinsichtlich der Barrierefreiheit überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Dazu bedarf es nicht zuletzt der Erstellung allgemeiner Standards, die Barrierefreiheit für Sportstätteninfrastruktur definieren, wie zum Beispiel barrierefreie Sport- und Spielflächen, Umkleideräume, sanitäre Anlagen, Tribünen, Hinweisschilder und Leitsysteme auch in Leichter Sprache. Auch Parkmöglichkeiten und die Zugänge zu den Sportstätten müssen so gestaltet werden, dass alle Sportbegeisterten sich aktiv am Sport beteiligen können.
Die Landesregierung sollte für ein entsprechendes Informationsangebot über inklusive Sport- und Bewegungsangebote und für die Beseitigung von baulich bedingten Barrieren im Sport sorgen. Ein Bestandteil dieses Angebotes muss auch die Verbreitung von Informationen mit Hilfe von regionalen Netzwerken sein, um die Informationen von inklusiven Sportangeboten über das Sportsystem hinaus zu transportieren. Viele Sportinteressierte hatten noch keinen Kontakt mit Sportvereinen, würden jedoch gerne inklusiven Sport betreiben. Inklusive Sportangebote sind für alle Menschen hoch attraktiv und sehr gut geeignet.
Gemeinsam mit dem organisierten Sport und weiteren Netzwerkpartnern stehen die Verantwortlichen in Politik auf allen Ebenen des politischen Handelns in der Pflicht, für den Abbau von Berührungsängsten im Umgang von Behinderten und Nichtbehinderten zu sorgen. Das bereits gestartete dreijährige Projekt des Landessportbundes, des Behinderten-Sportverbandes Nordrhein-Westfalen und des MFKJKS zur Gestaltung und Umsetzung von Inklusionsprozessen in Sportvereinen sollte am Ende Handlungskonzepte und Empfehlungen allen Vereinen zugänglich machen.
Aber auch Vereins- und Verbandsverantwortliche müssen sich dem Thema widmen. So stellt die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Übungsleiterinnen und Übungsleitern, Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern, Betreuerinnen und Betreuern und Trainerinnen und Trainern im Bereich der Inklusion den organisierten Sport vor eine große Aufgabe.

Vor diesem Hintergrund fordert der Landtag die Landesregierung auf:
  1. einen Kriterienkatalog für inklusive Sportstätteninfrastruktur zu entwickeln.
  2. bei der Sportstättenförderung keine Bauvorhaben zu unterstützen, bei denen eine Reduzierung des bestehenden barrierefreien Angebots geplant ist, und bei bereits in Planung befindlichen Projekten zu prüfen, inwieweit die Schaffung bzw. der Erhalt von Barrierefreiheit noch berücksichtigt werden kann.
  3. den Maßnahmenkatalog zum Bereich Inklusion im Sport im Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – nrw inklusiv“ im Sinne dieses Antrages nach Ablauf von zwei Jahren zu evaluieren und in Zusammenarbeit mit den Sport- und Behindertensportverbänden, den Vertreterinnen und Vertretern der Selbsthilfe und dem Inklusionsbeirat zu überarbeiten, im Hinblick auf konkrete inklusionsfördernde Maßnahmen weiter zu entwickeln und konsequent umzusetzen. Dabei soll auch die Umsetzung der  Zielsetzungen im Breitensportprogramm „Sport für alle“ in Nordrhein-Westfalen überprüft werden.
  4. die Möglichkeit einer Öffnung von bestehenden Programmen wie „1000 mal 1000“ für inklusive Sportangebote zu überprüfen, ohne ihre derzeitige Schwerpunktsetzung zu negieren.
  5. den Deutschen Olympischen Sportbund zu bitten, analog zum Programm „Integration durch Sport“ über ein neues Programm „Inklusion und Sport“ nachzudenken.
  6. Good-practice-Beispiele zur Umsetzung von Barrierefreiheit im Sport für Kommunen und Vereine bereitzustellen sowie Informationen zu bestehenden inklusiven Sport- und Bewegungsangeboten und Sport- und Bewegungsangeboten für Menschen mit Behinderung zusammenzustellen und mittels einer eigenständigen, barrierefreien Internetplattform einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
  7. zur Erleichterung der Orientierung behinderter Menschen, die ein Sportangebot suchen, anzuregen, in die Informationen der Sportvereine die international bekannten Signets für die verschiedenen Behinderungsarten als Kennzeichnungen für inklusive Angebote und die Barrierefreiheit von Sportstätten einzuführen.
  8. die wissenschaftliche Forschung zur Inklusion im Sport zu fördern. Die wissenschaftliche Begleitung des Modellprojektes „Erfolgsfaktoren für inklusiven Sport in Schulen und Vereinen“ des Landschaftsverbandes Rheinland mit der Landesregierung entspricht diesem Ziel.
  9. den organisierten Sport beim Aufbau kommunaler Kooperationen und Netzwerke zur Realisierung eines inklusiven Sports zu unterstützen.
  10. den organisierten Sport in NRW bei der Qualifizierung von Trainerinnen und Trainern, Übungsleiterinnen und Übungsleitern, Betreuerinnen und Betreuern und Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern im Hinblick auf Inklusion zu unterstützen.
  11. bei den Trägern der Eingliederungshilfe sowie den Beratungsstellen vor Ort darauf hinzuwirken, dass Menschen mit Behinderung auf ihre möglichen Ansprüche auf Kostenübernahme für Assistenz beim Sport hingewiesen werden. Die Beratung soll auch über die Möglichkeit eines persönlichen Budgets informieren.