Arndt Klocke: „Es gibt eine Gemeinsamkeit, dass wir diese Dobrindt-Pläne zu einer Ausländer-Pkw-Maut klar ablehnen. „

Antrag von SPD und GRÜNEN zur PKW-Maut für ausländische Fahrzeuge

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Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Großes Kino! Seit einigen Wochen Sommertheater! Es wird direkt im Herbst fortgesetzt. Deswegen diskutieren wir ja heute auch darüber.
Herr Laschet, Sie haben eben zu Frau Kraft gesagt, Frau Kraft sollte für Nordrhein-Westfalen so kämpfen, wie das Herr Seehofer für Bayern tut. Ich habe bei der ganzen Debatte momentan den Eindruck, Herr Seehofer kämpft vor allen Dingen um eines, nämlich um seinen Kopf. Denn er hat das im Bundestagswahlkampf groß zum Thema gemacht. Das war das große CSU-Thema. Damit hat er versucht, die AfD im Wahlkampf zurückzudrängen. Die Ausländer sollen jetzt auch in Bayern bezahlen. Das hat er im Wahlkampf zum Thema gemacht. Das musste unbedingt in den Koalitionsvertrag.
Man hatte sich ja im ganzen Wahlkampf und in den Koalitionsverhandlungen schon so ein-gemauert: Wenn Maut, dann nur für ausländische Pkw. Die Deutschen sollen entsprechend entlastet werden. Es soll auch EU-rechtskonform sein. – Das ist festgelegt worden. Es war von Anfang an klar, dass das nicht wie geplant auf die Reihe kommen könnte.
Das Interessante ist doch – wir haben das am Montag im „Spiegel“ gelesen –, dass es im Kabinett schon Diskussionen darüber gibt, was passiert, wenn es denn zu Strafzahlungen an die EU kommen sollte, weil das Gesetz nicht mit EU-Recht kompatibel ist. Dann soll das Geld aus dem Verkehrsetat genommen werden. So weit sind wir mittlerweile in der Diskus-sion schon. Das bedeutet also noch weniger Geld im Verkehrsbereich.
Warum haben wir heute einen eigenen Antrag vorgelegt? Warum beschließt man das hier nicht gemeinsam mit CDU und FDP? – Es gibt Gemeinsamkeiten in der Stoßrichtung, definitiv. Es gibt eine klare Gemeinsamkeit, dass wir diese Dobrindt-Pläne zu einer Ausländer-Pkw-Maut klar ablehnen. Das ist auch ein gemeinsames Signal aller Fraktionen heute aus der Debatte,
(Beifall von den GRÜNEN)
von CDU, FDP, Grünen und SPD.
Aber eines bleiben die Oppositionsfraktionen absolut schuldig. Kollege Lindner, das haben Sie in Ihrer Rede eben deutlich unter Beweis gestellt. Sie haben hier keine einzige Idee vor-gestellt, wie die Unterfinanzierung bei der Infrastruktursanierung in den nächsten Jahren beendet werden soll.
(Christian Lindner [FDP]: Durch Geld! Durch Prioritätensetzung!)Wie sollen die 7,2 Milliarden, die die Bodewig-Kommission parteiübergreifend gefordert hat – 16:0, schwarze Verkehrsminister, grüne Verkehrsminister, rote Verkehrsminister, sogar ein gelber aus Hessen war mit dabei –,
(Zuruf von Christof Rasche [FDP])
zusammenkommen?
(Christian Lindner [FDP]: Aus dem Bundeshaushalt!
– Aus dem Bundeshaushalt!
(Christian Lindner [FDP]: Der ist 330 Milliarden groß!)
– Also geht es noch allgemeiner? Geht es noch plakativer? Das ist ja noch allgemeiner
(Christian Lindner [FDP]: Das haben Sie damals auf Druck der Linkspartei eingeführt!)
als das, was Ihr Kollege Rasche sagte. Der hatte ja immerhin den Vorschlag: Es soll aus den 53 Milliarden kommen, die heute mit der Mineralölsteuer eingenommen werden.
Wenn es im Bundeshaushalt massive Möglichkeiten zum Umschichten in dieser Größen-ordnung geben würde, dann muss man CDU und SPD fragen: Warum werden die nicht an-gegangen?
(Beifall und Zuruf von Christian Lindner [FDP]: So ist es!)
Ich habe den Eindruck, die Große Koalition in Berlin hat sich eingemauert in einer Debatte: Schwarze Null auf der einen Seite, auf der anderen Seite eine klare Absage an Steuererhöhungen.
Man muss bei dieser Debatte doch feststellen: Es geht um die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes. Ich frage mich bei der ganzen Diskussion, warum so wenige von den großen
Wirtschaftsverbänden hier keinen Druck machen und nicht sagen: Große Koalition, Verkehrswege, die so ruiniert werden und so ruiniert sind, wie das heutzutage der Fall ist, sind eine klare Gefahr für den Wirtschaftsstandort unseres Landes!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wenn eine rot-grüne Bundesregierung so handeln würde, wäre das wahrscheinlich täglich „Tagesschau“-Thema. Große Koalition, große Mehrheiten, die CDU mal wieder in der Regierung – man fragt sich, warum die Wirtschaftsverbände bei dieser entscheidenden und zentralen Frage so ruhig sind und nicht mehr Druck machen.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Jochen Ott [SPD])
Das Ärgerliche an der Diskussion ist doch, dass die Bodewig- und die Daehre-Kommissionen einen klaren Finanzierungsplan aufgemacht haben, nicht für die 7,2 Milli-arden – da hat Herr Lindner recht –, aber immerhin für gut 5 Milliarden, die über eine schrittweise Ausweitung der Lkw-Maut pro Jahr zusammenkommen können.
(Christof Rasche [FDP]: Beispielhaft!)
Und es ist richtig, dass bei den Spediteuren und in der Wirtschaft grundsätzlich keine große Begeisterung aufkommen würde, wenn hier mehr gezahlt werden soll. Aber bei den Diskussionen, die wir mit Spediteuren geführt haben, war die klare Ansage: Wir wissen, dass wir mehr Geld in die Hand nehmen müssen, aber dann soll es auch eins zu eins in die Infrastruktur gesteckt werden – mit überjährigen Fonds, mit einer klaren Finanzierungsperspektive. Wenn wir in den nächsten Jahren vernünftige Straßen und Brücken bekommen, dann sind wir auch bereit, entsprechend mehr Maut zu zahlen. – Das müsste doch jetzt umgesetzt werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Da fragt man sich auch mit Blick auf den GroKo-Koalitionsvertrag – immerhin schon vor über einem Jahr an den Start gegangen –: Warum passiert hier gar nichts? Die Schrittfolge ist doch ganz klar: Man könnte eine schrittweise Ausweitung erst ab 7,5 t machen und da-nach ab 3,5 t. Es passiert aber nichts.
Stattdessen – Kollege Ott hat das eben angesprochen – läuft im Hintergrund schon eine ganz andere Diskussion. Es läuft die Diskussion über die Privatisierung unserer Straßeninfrastruktur über ÖPP-Projekte.
(Minister Michael Groschek: Richtig!)
Man muss klar sagen: Es ist nicht nur der Bundesfinanzminister, sondern es ist auch der Bundeswirtschaftsminister – aus den Reihen der SPD –, der diese Debatte auf Bundesebene mit anstößt.
(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)
Es ist richtig – da würde ich mir entsprechendes Engagement der SPD-Kollegen in Berlin wünschen –, dass der Bundesrechnungshof klargemacht hat, dass es letztlich für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler immer teurer kommt, wenn ÖPP-Projekte umgesetzt wer-den. Hier gibt es klare Berichte. Ich kann nur davor warnen, in diese Richtung zu gehen. Wir müssen die Sanierung unserer Verkehrsinfrastruktur aus öffentlichen Mitteln vorantreiben. Wir müssen Finanzierungswege finden. Aber wir wollen unsere Straßen und Infrastruktur in Deutschland nicht privatisieren.
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege Klocke, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Ellerbrock zulassen?
Arndt Klocke (GRÜNE): Ja. Ich bin gespannt, was Herr Ellerbrock fragt.
Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Ellerbrock.
Holger Ellerbrock (FDP): Herr Kollege, Sie hatten gerade gesagt, der Rechnungshof hätte festgestellt, PPP-Projekte würden immer zulasten des Steuerzahlers gehen.
(Arndt Klocke [GRÜNE]: Häufig!)
Erstens. Das stimmt nicht. Er hat sechs Beispiele dargestellt. Bei vieren meinte man, das darstellen zu können; bei zweien sah es anders aus. Der Begriff „immer“ stimmt also nicht.
(Zuruf von der SPD: Zwei Drittel!)
Zum Zweiten muss man fragen, welche Projekte ausgewählt worden sind. Teilen Sie meine Ansicht, dass es darum geht, zukünftig privates Kapital für öffentliche Aufgaben zu mobilisieren und dass dabei auch die PPP-Problematik einen wichtigen Faktor darstellt?
Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Kollege Ellerbrock, ich korrigiere „immer“ in „häufig“. Im Übrigen teile ich die Auffassung nicht, dass PPP-Projekte in dem Zusammenhang eine gute Finanzierungsperspektive sind. Das mag im Einzelfall so sein; das muss entsprechend geprüft werden. Aber als zentrale Finanzierungsperspektive sehe ich sie nicht.
(Beifall von Jochen Ott [SPD])
Lassen Sie mich noch – ich bin ja der verkehrspolitische Sprecher der Grünen – einige Aspekte aus ökologischer Sicht sagen. Auch in dieser Hinsicht versagt die geplante Pkw-Maut ja völlig. Es gibt überhaupt keine ökologische Lenkungswirkung. Es gibt keine Perspektive, beispielsweise verbrauchsarme Fahrzeuge steuerlich zu bevorteilen oder verbrauchsstarke Fahrzeuge steuerlich stärker einzupreisen. Es geht um eine Vignette, es geht um eine Flatrate für ausländische Pkw-Fahrer. Es geht überhaupt nicht darum, irgendein ökologisches Signal in die Zukunft zu senden, über eine solche Maut eine verkehrslenkende ökologische Wirkung auf den Weg zu bringen.
(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Wo ist die bei den Lkws?)
Ich lade alle Fraktionen zu Gesprächen ein. Die Anträge liegen vor. SPD und Grüne haben in ihrem Antrag eine sehr klare Finanzierungsperspektive aufgezeigt. Es gibt Absprachen für das Einbringen einer Bundesratsinitiative aus Nordrhein-Westfalen zusammen mit Baden-Württemberg, Niedersachen und anderen Ländern.
Das ist die Debatte, die jetzt zu führen ist: eine klare Struktur für eine Ausweitung der Lkw-Maut, eine klare Diskussion, wie diese 7,2 Milliarden zusammenkommen sollen, die ja unstrittig sind. Es geht darum, diesen Mautpopulismus in den nächsten Wochen endlich einzustellen. Vor allen Dingen geht es nicht darum, wer sich in der Großen Koalition an welcher Stelle durchsetzt. Vielmehr geht es darum, unsere Verkehrswege, die Brücken, die Schienen, die Straßen, in den nächsten Jahren endlich vernünftig zu sanieren.
Dafür muss Geld in die Hand genommen werden. Ich meine, dafür muss öffentliches Geld in die Hand genommen werden. Das ist vorhanden. Die Konzepte sind vorhanden.
Wir haben das in unserem Antrag noch mal zusammengestellt, und wir werben dafür bei al-len Fraktionen um Unterstützung. Das wäre ein klares Signal nach Berlin. Lassen Sie uns heute einen solchen Beschluss fassen! – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, würden Sie noch eine Zwischenfrage an-schließend zulassen? – Das machen wir jetzt einfach, denn Herr Rasche hat sich so früh gemeldet, und Sie waren so flott. Herr Rasche wird Ihnen nur eine Frage stellen. Dann sind wir durch. – Bitte schön, Herr Rasche.
Christof Rasche (FDP): Werter Herr Kollege Klocke, schönen Dank. – Stichwort „Lkw-Maut“. Die SPD hat schon im Jahre 2002 in der Diskussion und im Jahre 2003 bei der Ein-führung insbesondere für die Lkw-Maut geworben. Wir brauchen mehr Mittel, die dann in die Infrastruktur fließen sollen.
2005 wurde Peer Steinbrück Bundesfinanzminister. Er hat maßgeblich dafür gesorgt, dass jeder Euro, der bei der Lkw-Maut eingenommen wurde, beim Verkehrstitel reduziert wurde. Das heißt, die Lkw-Maut hat nicht einen einzigen Euro mehr gebracht – bis heute. Genau diese Systematik schließen Sie in Ihrem Antrag nicht aus, sondern lassen sie bewusst wie-der zu. Da passiert doch nichts. Da kommt doch wieder kein Geld mehr rein.
Sind Sie nicht der Meinung, wir sollten Ihren Antrag zur Finanzierung noch mal ausführlich im Ausschuss diskutieren und eine gemeinsame Linie finden?
Arndt Klocke (GRÜNE): Nein, der Meinung bin ich nicht. Aber wenn Sie an der Stelle einen konkreten Änderungsvorschlag hätten – Ihre Kritik ist ja nicht ganz unberechtigt –, würde ich vorschlagen, dass Sie den einbringen. Ansonsten ist unser Antrag sehr detailliert, sehr vernünftig, mit einer sehr klaren Zielrichtung. Er geht weit über das hinaus, was FDP und CDU vorgelegt haben. Die Grundkritik ist zwar die Gleiche; aber bei Ihnen fehlt jegliche Finanzierungsperspektive in dieser Frage. Deswegen können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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