Andrea Asch: „Sie stellen rein populistisch „Wünsch-Dir-was-Listen“ auf.“

Antrag der FDP zu Kindertageseinrichtungen

Andrea Asch (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen! Ich muss sagen, ich bin immer wieder ein bisschen fassungslos ob der gedanklichen Kapriolen aus der CDU-Fraktion. Eine logische Schlussfolgerung oder gar Konsistenz in Ihren Argumentationen kann ich absolut nicht entdecken. Sie widersprechen sich.
Herr Tenhumberg, sagen Sie doch mal ganz klar und deutlich: Wir distanzieren uns von diesem KiBiz, von diesem sogenannten Kinderbildungsgesetz, das wir 2008 hier verabschiedet haben,
(Bernhard Tenhumberg [CDU]: Haben Sie nicht zugehört?)
das schon damals nicht auskömmlich finanziert war.
(Bernhard Tenhumberg [CDU]: Das ist Quatsch!)
Das haben wir übrigens immer wieder gesagt, schon bei der Einbringung, da bereits damals klar war, dass die 1,5 …
(Zuruf von Bernhard Tenhumberg [CDU] – Zurufe von der FDP)
– Der getroffene Hund bellt. Das hören Sie nicht gerne. Es ist Ihr Gesetz, es ist Ihre Verantwortung. Alles, was Sie jetzt hier kritisieren, fällt auf Sie, fällt auf die CDU und die FDP zurück. So ist das.
(Marcel Hafke [FDP]: Tragen Sie eigentlich auch Verantwortung, Frau Asch?)
Da hilft es auch nicht, dass Sie hier zum vierten Mal einen fast gleichlautenden Antrag vorlegen. Das Ärgerliche an diesen Anträgen ist nicht nur, dass Sie uns damit immer wieder den Murmeltier-Tag präsentieren, sondern auch, dass Sie rein populistisch „Wünsch-Dir-was-Listen“ aufstellen, sagen, was man alles Schönes machen sollte. Mir kommt das manchmal ein bisschen vor wie bei Kindern, die sagen: Wenn ich groß bin, dann werde ich Astronaut und fliege zum Mond. – Aber wie man dahin gelangt, das bleiben Sie genauso schuldig.
(Zuruf von Ursula Doppmeier [CDU])
Sie sagen nicht, wie viel Geld Sie mehr ins System tun wollen. Dass es unterfinanziert ist, wissen wir alle. Es war Ihr Gesetz. Sie sagen nicht: Die und die Summe brauchen wir, um die Kitas wirklich gut auszustatten. – Sie sagen nicht, woher das Geld kommen soll.
(Bernhard Tenhumberg [CDU]: Doch!)
Das ist zutiefst unseriös. Es ist auch unredlich, weil Sie hier etwas vorspiegeln, was Sie haushalterisch nicht einlösen.
Gestern hat Ihr Fraktionsvorsitzender, der dieses Gesetz zu verantworten hat, hier geredet. Ich frage mich: Wo bleibt er eigentlich, wenn es darum geht, mal über die negativen Folgen zu reden? Das ist für ihn offenbar Blabla; das hat er gestern sehr deutlich gemacht; das ist jetzt alles wieder Gedöns. Er stellt sich also gestern hierhin und moniert, dass wir zusätzliche Schulden aufnehmen müssen. Gleichzeitig steht die Forderung im Raum, die Sie in die Kindergartenwelt hineinposaunen: Wir brauchen viel mehr Geld, um die Kitas auszustatten.
Ich fordere Sie auf: Leisten Sie einen Beitrag und sagen Sie uns vor allen auch, aus welcher Haushaltsstelle und mit welchen Haushaltserhöhungen wir das finanzieren sollen!
(Beifall von den GRÜNEN)
Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Asch, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche.
Andrea Asch (GRÜNE): Ich nehme kurz Ihren Antrag, ich habe nicht mehr viel Redezeit.
Präsidentin Carina Gödecke: Darf ich Sie kurz unterbrechen? – Kollege Hafke würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie die zulassen?
Andrea Asch (GRÜNE): Sehr gerne. Ich habe jetzt nicht gehört, wer es ist.
Präsidentin Carina Gödecke: Hafke.
Andrea Asch (GRÜNE): Herr Hafke.
Marcel Hafke (FDP): Vielen Dank, Frau Asch, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen. – Sie regieren seit vier Jahren. Sie haben das Gesetz mehrfach geändert. Wir sind uns in der Analyse auch einig, dass die Kindpauschalen nicht ausreichen; ich glaube, da widersprechen Sie mir nicht. Mich würde nun Folgendes interessieren: Was gedenken Sie in den nächsten Jahren zu tun, damit sich die Kindpauschalen verbessern?
Andrea Asch (GRÜNE): Herr Hafke, erstens: Wenn Sie jemals wieder in Regierungsverantwortung kommen wollen – na gut, bei der FDP ist das schwierig, aber ich beziehe Sie jetzt mal in die gesamte Opposition mit ein –,
(Marcel Hafke [FDP]: Hochmut kommt vor dem Fall!)
dann sollten Sie die Verantwortung, die auch eine Opposition hat, sehr ernst nehmen. Opposition heißt nämlich eigentlich Regierung im Wartestand. Dann sollten Sie, wenn Sie hier Forderungen stellen, konkret sagen …
(Beifall von Klaus Kaiser [CDU] – Zurufe)
– Wollen Sie mir zuhören oder nicht? Wollen Sie eine Antwort oder wollen Sie sich gegenseitig auf die Schenkel klopfen? – Das heißt, wenn Sie hier solche Anträge stellen, müssen Sie auch sehr klar benennen, mit welchem Konzept Sie das finanzieren wollen. Das bleiben Sie aber schuldig. Im vierten Antrag infolge bleiben Sie es schuldig. – Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt: Zum seriösen Haushalten gehört, dass man die Summe nennt und dass man einen Deckungsvorschlag macht. Beides tun Sie nicht.
Drittens. Herr Hafke, wir haben in der Anhörung intensiv debattiert. Sie haben hoffentlich alle Sachverständigen wahrgenommen, die daraufhin hingewiesen haben, dass es einen Strukturfehler in diesem Gesetz gibt. Und den haben Sie hineingeschrieben,
(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])
nämlich die jährliche Erhöhung von 1,5 %. Die haben Sie dort hineingeschrieben. Sie haben das Gesetz 2008, als Sie es verabschiedet haben, auf eine finanzielle Basis gesetzt, die schon damals unauskömmlich war, weil Sie die Tariferhöhungen der Jahre zuvor nicht mit eingepreist hatten. Das haben Ihnen auch die Sachverständigen gesagt.
Noch ein Weiteres haben Ihnen die Sachverständigen gesagt. Frau Göppert vom Städtetag, die Vertreterin der kommunalen Spitzenverbände in der Anhörung, hat auf meine Frage, wie sich die Kommunen dazu verhalten würden, wenn wir die 1,5 % als Land eigenmächtig aufstocken würden, sehr klar gesagt – ich habe mir das aufgeschrieben, denn ich hatte erwartet, dass das angesprochen wird; auf Seite 43 des Anhörungsprotokolls können Sie es nachlesen: Die 1,5 % stehen im Gesetz. – Das ist Ihr Gesetz. – Wenn wir als Land diese Steigerungsquote eigenmächtig erhöhen, werden die Kommunen ein Konnexitätsverfahren anstrengen. – Frau Göppert hat an anderer Stelle gesagt, wenn wir das eigenmächtig machen würden, würde sie bis vor das Landesverfassungsgericht gehen und dort Konnexität geltend machen.
Das ist die Realität Ihres Gesetzes, das Sie, CDU und FDP, hier 2008 verabschiedet haben. Und das wollen Sie heute nicht mehr wahrhaben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Asch.
Andrea Asch (GRÜNE): Das war nur die Beantwortung der Frage.
Präsidentin Carina Gödecke: Sie sind immer noch in der Beantwortung?
Andrea Asch (GRÜNE): Ja, das war bis jetzt die Beantwortung der Frage.
Präsidentin Carina Gödecke: Ich unterbreche Sie jetzt noch einmal. Es gibt nämlich den Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage.
Andrea Asch (GRÜNE): Ich würde jetzt gerne weitermachen, denn sonst ist meine Rede nicht mehr im Fluss.
Präsidentin Carina Gödecke: Okay. Dann informiere ich Sie nur gleich, dass es eine Kurzintervention geben wird.
Andrea Asch (GRÜNE): Ich will sehr deutlich machen, was im Unterschied zu diesen unkonkreten „Wünsch-Dir-was-Anträgen“ der Opposition die rot-grüne getragene Landesregierung gemacht hat.
Wir haben mit dem ersten KiBiz-Änderungsgesetz 300 Millionen € eingestellt. Wir haben jetzt mit der zweiten Revision weitere 100 Millionen € für die Verbesserung der Rahmenbedingungen der Kitas zur Verfügung gestellt. Und wir geben den Kommunen, die nach SGB VIII die Hauptverantwortung im Belastungsausgleich tragen, bis 2017 für die Kinderbetreuung in der Kindertagespflege und den Kitas 1,4 Milliarden €.
Das sind Leistungen, die sich sehen lassen können. Kein einziger Haushaltsantrag der CDU oder der FDP erreicht das auch nur annähernd. Im Gegenteil: Sie haben noch im Jahr 2011 beantragt, unsere Erhöhungen zu streichen. Das ist das, was Sie fordern und was in diesen blumigen Anträgen überhaupt nicht berücksichtigt wird.
Eines ist uns allen klar: Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für die Kitas. Ich denke, da haben wir einen Konsens. Allerdings sind wir als Land mit den 1,8 Milliarden € in Vorleistung getreten. Deshalb müssen die Kommunen jetzt mitziehen.
Darüber hinaus steht der Bund in der Verantwortung. Es wurden 6 Milliarden € für das Bildungspaket, das verabschiedet wurde, zur Verfügung gestellt. Ich hätte mir gewünscht – das war auch der Wunsch der Jugend- und Familienministerkonferenz –, dass diese 6 Milliarden € gedrittelt würden: in jeweils 2 Milliarden € für die Hochschulen, für die Schulen und für die Kitas. Das Gegenteil ist passiert: Wir wissen genau, dass die Kitas lediglich 550 Millionen € frisches Geld erhalten werden. Das ist für alle Bundesländer zu wenig. Da muss der Bund dringend seiner Verantwortung nachkommen. Der Bund profitiert über Steuereinnahmen am meisten von einer guten Kitabetreuung.
(Marcel Hafke [FDP]: Dann machen Sie eine Bundesratsinitiative!)
Herr Hafke, ich habe den Aufruf „Mehr Geld für bessere Kitas“ gestartet. Dieser richtet sich an die Bundesregierung und beinhaltet, das Paket besser auszustatten.
Präsidentin Carina Gödecke: Ihre Redezeit!
Andrea Asch (GRÜNE): Diesem Aufruf folgen bereits ungefähr 30 Professorinnen und Professoren der Elementarpädagogik und viele Hundert andere Personen. Ich kann es Ihnen mal zeigen:
(Die Rednerin hält ein Blatt Papier hoch.)
So sieht es im Netz und auf Facebook aus.
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!
Andrea Asch (GRÜNE): Wenn Sie wollen, dass die Kitas finanziell besser ausgestattet werden, dann beteiligen Sie sich an dem Aufruf. Dieser richtet sich an den Bund. Von dort brauchen wir frisches Geld, um die wichtigen Aufgaben, die in den Kitas geleistet werden müssen, zu erfüllen. – Danke.
(Beifall von den GRÜNEN)

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