Mario Krüger: „Ich stelle fest, dass die Schere zwischen strukturstarken und strukturschwachen Gemeinden bezogen auf die Gewerbesteuereinnahmen immer größer wird.“

Einbringung des Gemeindefinanzierungsgesetzes (GFG) 2015

Mario Krüger (GRÜNE): Meine Damen! Meine Herren! Herr Präsident! Lassen Sie mich erst einmal auf das eingehen, was gerade von Herrn Abruszat vorgetragen worden ist, nämlich auf das Thema „Vergangenheitsbewältigung“. Herr Minister Jäger hat in diesem Zusammenhang ausgeführt: Ich will nicht auf die Jahre 2005 bis 2010 schauen. – Nur nach dem, was Herr Nettelstroth in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, konnte man gar nicht anders verfahren als hier verfahren worden ist, über Herrn Hübner den Spiegel vorzuhalten, was in diesem Zusammenhang an Veränderungen bezogen auf die kommunale Finanzausstattung vorgenommen worden ist.
Es ist Fakt, dass in Ihrer Regierungszeit durch das Vorenthalten von entsprechenden Steuereinnahmen und der Einspeisung in das Gemeindefinanzierungsgesetz den Kommunen rund 3,5 Milliarden € entgangen sind. Es ist Fakt, dass sich in Ihrer Regierungszeit die Kassenkredite von 10 auf 20 Milliarden € verdoppelt haben. Das muss man sich, wenn man sich zum Anwalt der Kommunen aufspielt, auch immer wieder sagen lassen, auch wenn man das möglicherweise nicht hören möchte.
Herr Abruszat, Sie sprechen von der mangelnden Finanzausstattung der Kommunen und sagen, 9,61 Milliarden € seien viel zu wenig. Sie haben in diesem Zusammenhang an das Bundesteilhabegesetz bzw. die Eingliederungshilfe erinnert und an die entsprechenden Vereinbarungen, die getroffen worden sind. Da teile ich Ihre Einschätzung. Absehbar vor 2018 wird es diese entsprechende Entlastung nicht geben.
Ich habe aber auch nicht den Glauben, dass wir bei einer Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition statt der Großen Koalition mit der FDP einen Anwalt gehabt hätten, der relativ zügig und schleunigst ein Bundesteilhabegesetz eingesetzt hätte mit einer Entlastungswirkung von 5 Milliarden €.
(Zuruf von Kai Abruszat [FDP])
Ich habe noch – dann sind wir beim Thema „Gewerbesteuer“ und deren Entwicklung bezogen auf die Hebesätze – die Diskussion zum Thema „Gewerbesteuerreform“ sehr gut in Erinnerung. Sie haben diese Einnahmequelle abschaffen wollen. Sie waren nicht bereit, Herr Abruszat – das gilt auch für die CDU –, durch eine größere Verbreiterung der Einbeziehung von Freiberuflern, von Architekten, von Ingenieuren, von Ärzten, von Anwälten etc. hier eine größere Bemessungssituation zu haben. Dazu waren Sie nicht bereit.
Hätten wir das damals gehabt, dann würden wir uns wahrscheinlich bezogen auf die Frage der Hebesätze nicht über die Steigerungsraten unterhalten, die wir zum heutigen Zeitpunkt haben.
Dass diese uns nicht gefallen, das ist klar. Aber schauen Sie sich mal die Situation in den einzelnen Städten an! Beispielsweise Wuppertal: Minus 25 Millionen im Zusammenhang mit Steuergestaltungsmodellen. Essen verliert in diesem Zusammenhang entsprechende Einnahmen, die kalkuliert worden sind. Dann bleibt den Kommunen bezogen auf die Frage, wie sie ihre Einnahmesituation gestalten können, gar nichts anderes übrig als die Hebesätze anzuheben.
Wir nehmen mittlerweile die Entwicklung wahr – das gilt insbesondere für den Bereich der Stärkungspaktkommunen –, dass trotz angehobener Hebesätze die Gewerbesteuereinnahmen stagnieren. Sie kennen die Hochrechnung, die die kommunalen Spitzenverbände im Juli bezogen auf die Frage, mit welchen GFG-Zuweisungen zu rechnen ist, gemacht haben. Es ist unter anderem ausgeführt worden, wie sich die Gewerbesteuereinnahmen im Land entwickelt haben. Dabei stelle ich fest – das ist besorgniserregend –, dass die Schere zwischen strukturstarken und strukturschwachen Gemeinden bezogen auf die Gewerbesteuereinnahmen immer größer wird bzw. auseinanderklafft.
Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang ein paar Beispiele nennen: Bochum hat bezogen auf die zweite Jahreshälfte 2013 und die erste Jahreshälfte 2014 Pro-Kopf-Einnahmen in Höhe von 275 € im Bereich der Gewerbesteuer erzielt. Wenn man den mittleren fiktiven Hebesatz zugrunde legen würde, dann wären es nur 238 €. Die Gewerbesteuer-Ist-Einnahmen von Gelsenkirchen liegen bei 191 €. Bei Oberhausen sind es 266 €. Ein letztes Beispiel: Bottrop liegt bei 220 €.
Vergleichen wir das einmal mit anderen Gemeinden: Düsseldorf 1.370 €, Halle in Westfalen 2.360 €, Harsewinkel 1.650 €. Ich wollte damit nur einmal ein paar Beispiele nennen. Diese Daten beziehen sich alle auf die tatsächlichen Ist-Einnahmen, die in der zweiten Jahreshälfte 2013 und in der ersten Jahreshälfte 2014 erzielt worden sind und machen deutlich, wie groß sozusagen die Kluft bei den Einnahmen im Bereich der Gewerbesteuer ist.
Insofern ist die Diskussion, inwieweit wir hier zu gestaffelten fiktiven Hebesätzen kommen, die dann auch noch entsprechende Umverteilungseffekte auslösen, völlig kontraproduktiv.
In diesem Zusammenhang würde ich gerne an Ihre Ausführungen anknüpfen, Herr Nettelstroth. Sie hatten den damaligen Verbundsatz mit 28 Punkten – heute sind es 23 Punkte – in Erinnerung gerufen und in diesem Zusammenhang deutlich gemacht, dass das einen Mehraufwand von etwa 2,1 Milliarden € ausmachen würde, der den Kommunen vorenthalten würde. Sie müssen Ihrem Fraktionsvorsitzenden einmal erklären, wie er angesichts der Haushaltssituation des Landes zusätzlich 2,1 Milliarden € aus dem Landeshaushalt herausholen will, um die Gemeinden entsprechend auszustatten. Das ist völlig illusorisch.
Wenn Sie eine solche Zahl in die Welt setzen, sollten Sie auch deutlich machen, dass wir bezogen auf die Frage der diversen Förderprogramme eine ganz andere Landschaft gehabt haben als zum heutigen Zeitpunkt. Wir bewegen etwa 30 % der Landesmittel in Richtung kommunale Familien. Das läuft über das GFG sowie die verschiedenen Förderprogramme bzw. andere Maßnahmen.
Zum Thema „Kassenkredite“. Herr Abruszat, ich gehe völlig d’accord mit Ihnen, dass wir mit der Entwicklung nicht zufrieden sind wir. Wir sehen aber schon, dass bezogen auf die Frage der Entwicklung der Kassenkredite die großen Schritte insbesondere unter Schwarz-Gelb erheblich abgenommen haben. Der Zuwachs ist nicht mehr der, den wir in früheren Jahren kennengelernt haben, und das ist unter anderem eine der Auswirkungen des Stärkungspaktes.
(Kai Abruszat [FDP]: Und das Zinsniveau!)
– Nein, aus dem Stärkungspakt.
Wenn man das Thema „Kassenkredite“ wirksam angehen möchte, greift man auf, was auf der Bundesebene zu diskutieren ist, und zwar im Zusammenhang mit der Frage: Wie geht es mit dem Soli weiter? Wie kann eine entsprechende Nachfolgeregelung aussehen?
Wir haben uns dafür eingesetzt, dass ein Entschuldungsfonds initiiert wird, in dem der Bund sozusagen die entsprechenden Situationen übernimmt, und dass die Kommunen auf diese Art und Weise entlastet werden. Das wäre eine kluge Antwort, die der Situation Rechnung tragen kann bzw. einer Situation Rechnung trägt, in der möglicherweise mit steigenden Kassenkrediten umzugehen ist.
Mit dem GFG, das heute eingebracht wird, haben wir eine Finanzsumme von 9,61 Milliarden € zu verteilen. Das ist die höchste Summe, die wir jemals hatten. Es ist eine Kraftanstrengung sondergleichen für das Land, diese Gelder bereitzustellen. Im Zusammenhang mit dem Einbruch der Körperschaftssteuer wird es ohne Zweifel wahrscheinlich etwas weniger werden. Wir wissen aber auch, dass es im Bereich der Grunderwerbssteuer Mehreinnahmen gibt. Schauen wir einmal, wie hoch die Summe letztendlich sein wird. Zum Oktober dieses Jahres werden uns genauere Zahlen vorgelegt.
Das wird von den Gemeinden entsprechend anerkannt. Das ist gut so. Die Befrachtungen, die Sie seinerzeit vorgenommen haben, haben wir komplett herausgenommen. Bei der Grunderwerbssteuer haben wir alles so belassen bzw. diese wieder einbezogen. Allein das macht rund 240 Millionen € aus. Das erkennen die Gemeinden an. Insofern freue ich mich auf die Diskussion, die wir in den Fachausschüssen führen werden, und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und Hans-Willi Körfges [SPD])