Norwich Rüße: „Wenn es ein gigantisches Problem wäre, hätte ich eine Menge Warnrufe aus dem ländlichen Raum erwartet; diese hat es nicht gegeben.“

Gesetzentwurf von FDP und CDU zum Baugesetzbuch

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag von CDU und FDP zielt ja darauf ab, dass die Sieben-Jahres-Frist weiterhin außer Kraft gesetzt werden soll. Es geht also um die Möglichkeit, landwirtschaftliche Gebäude auch dann noch umzunutzen, wenn sie bereits länger als sieben Jahre nicht mehr landwirtschaftlich genutzt worden sind.
Wir sollten meines Erachtens am Anfang noch einmal darüber reden, warum der Außenbereich im Baugesetzbuch doch relativ rigide behandelt wird. Herr Schemmer oder war es Herr Ellerbrock, Sie haben Südfrankreich angesprochen. Wenn ich im Ausland unterwegs bin, gerade in ländlichen Räumen, dann bin ich immer ganz froh, wie wir in Deutschland mit dem Außenbereich umgehen, zum Beispiel was das Aufstellen von Werbetafeln und Ähnlichem angeht.
(Beifall von Rolf Beu [GRÜNE])
Ich finde, dass wir das sehr gut machen, dass wir den ländlichen Raum, den Außenbereich zu schonen versuchen und dadurch die Bebauung im Kernbereich festhalten.
Wir haben bereits eine Menge Ausnahmen, wenn man sich einmal den Ursprung anschaut, aufgenommen, und zwar vom berühmten Kernkraftwerk bis hin zur Großmastanlage. Wir haben schon eine Belastung, die im Außenbereich vorhanden ist. An der Stelle will ich auch deutlich sagen, wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb aufgegeben wird, dann ist die Belastung, die dieser Betrieb ursprünglich dargestellt hat, nicht weg. Denn die anderen Betriebe – das gilt gerade für die Region, aus der ich komme, dem Münsterland – bauen mehr Ställe, andere Ställe werden größer. Die Transporte mit den großen Lkw – wir haben bei den Wirtschaftswegen darüber gesprochen –, wo es um die Entsorgung von Gülle, aber auch um die Anfahrten von Futtermitteln geht, nehmen bei diesen Betrieben weiter zu.
Vor diesem Hintergrund muss man das meiner Meinung nach insgesamt sehen. Wichtig finde ich zu überlegen, wann wir das überhaupt gemacht haben, wann ist das in das Baugesetzbuch aufgenommen worden? – Das war zu einem Zeitpunkt, Anfang der 90er-Jahre, als wir in Deutschland den Mauerfall hatten. Das wissen Sie ja auch noch. Anderthalb Millionen Menschen sind innerhalb weniger Jahre von Ost- nach Westdeutschland gegangen und haben dort auch Wohnraum nachgefragt. Von daher war es zu dem Zeitpunkt absolut richtig und in Ordnung, denn damals hatten wir diesen Bedarf. Wir müssen uns aber gut 20 Jahre später überlegen, ob das heute noch in jeder Region so richtig ist. Brauchen wir nicht regional sehr unterschiedliche Antworten? Kann man da wirklich alle über einen Kamm scheren? Funktioniert das in dieser Weise?
An anderer Stelle diskutieren wir darüber, wie wir mit dem demografischen Wandel, wie wir mit einer schrumpfenden Bevölkerung umgehen wollen. Mir fällt es natürlich schwer, in Regionen, wo wir überlegen, wie wir die Dörfer erhalten sollen, wie wir es überhaupt noch schaffen, Leben im Dorf zu erhalten, darüber zu diskutieren, dass man im Außenbereich noch drei zusätzliche Wohneinheiten einrichten soll. Darauf müssen wir eine Antwort finden, die vielleicht auch sehr differenziert sein sollte.
Zur Sieben-Jahres-Frist, Frau Kollegin Philipp, haben Sie das auch schon deutlich gesagt. Damals gab es gute Gründe dafür, diese einzuführen. Wenn jemand seinen landwirtschaftlichen Betrieb aufgibt, dann soll er sich schnell überlegen, was jetzt passiert. Vielleicht sollte man darüber reden, ob man diese Frist nicht etwas verlängert. Aber diese Frist ganz wegfallen zu lassen, halte ich persönlich für falsch. Dann muss man auch sagen, dass das etwas mit dem Mauerfall zu tun hat. Denn dass wir die Möglichkeit der Entfristung überhaupt aufgenommen haben, hatte mit der ganz besonderen Situation in Ostdeutschland zu tun. Das ist aufgenommen worden, weil wir während der DDR-Zeit diese Strukturbrüche hatten und weil man in den ostdeutschen Ländern nicht so schnell eine Antwort finden konnte. Deswegen hat man gesagt, es geht um die Eigentumsverhältnisse. Wer ist für die Gebäude verantwortlich, wer ist Eigentümer? Deshalb hatte man damals gesagt, dass das mit der Sieben-Jahres-Frist nicht funktioniert. Aber das sollten wir noch einmal genau prüfen.
Besonders wichtig finde ich an der Stelle, dass es dazu keine Evaluation, keine Analyse, wie sich das in der Vergangenheit ausgewirkt hat, gibt. In den alten Protokollen ist nachzulesen, dass Kollege Hilser damals schon gesagt hatte: Machen Sie einen Bericht, wie sich das Ganze auswirkt. – Es war ja klar, dass diese Entfristung kommen wird. – Dann schauen wir, wie die Entfristung funktioniert hat oder nicht, und können dann neu entscheiden.
Jetzt stellen wir fest, dass uns das fehlt. Wir sollen quasi aus dem Nichts heraus eine Position finden.
Eine grundsätzliche Frage noch: Wenn es so wäre, dass diese Sieben-Jahres-Frist, die Sie in Ihrem Antrag thematisieren, ein so gigantisches Problem wäre, hätten uns dazu sicherlich Briefe und E-Mails erreicht. Vielleicht sagt Minister Groschek etwas dazu, wie viele Briefe oder E-Mails er von den Landkreisen dazu bekommen hat. Ich habe nicht eine einzige erhalten.
Das Einzige, was ich gefunden habe, war ein Hinweis des Kreises Gütersloh, der auf seiner Webseite schon einmal darauf hinweist, dass diese Frist jetzt kommen werde und dass man sie bitte zu beachten habe. Das ist alles.
Wenn es das gigantische Problem wäre, hätte ich im Vorfeld – das haben wir in anderen Zusammenhängen sonst auch – eine Menge Warnrufe aus dem ländlichen Raum erwartet; diese hat es nicht gegeben.
Noch einmal: Sicher ist es richtig, Umnutzungmöglichkeiten weiterhin anzubieten. Richtig ist aber auch: Man kann das nicht isoliert betrachten. Wir brauchen im Ausschuss eine intensive Diskussion darüber, ob eine weitere Befristung vorgesehen werden soll und wie sie dann aussehen könnte. Weiterhin sollten wir darüber sprechen, wie man auf verschiedene Fragen in den Regionen unterschiedliche Antworten geben kann.
Deshalb stimme ich an dieser Stelle der Überweisung ausdrücklich zu. Ich finde es gut, dass Sie den Antrag gestellt haben, dass wir darüber sprechen und dass wir es thematisieren.
Ich sage klar: Meine Positionierung ist noch nicht abgeschlossen. Deshalb freue ich mich auf die Beratung. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)