Mehrdad Mostofizadeh: „Die Schwerpunkte liegen eindeutig in der Verbesserung des Bildungssystems, der Förderung der Kommunen und der Sicherung der Zukunftsaufgaben dieses Landes.“

Aktuelle Stunde auf Antrag der FDP zur Einhaltung der Schuldenbremse

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie wissen, bin ich durchaus ein Freund von Zwischenrufen. Deswegen genieße ich das auch, dass sich Kollege Schmeltzer so in die Debatte eingebracht hat.
(Beifall von Martin Börschel [SPD])
Ich fand es außerordentlich erstaunlich, wie Kollege Optendrenk, der sich sonst auch nicht immer zurückhält, darauf reagiert hat: mit schlichter Beleidigung des Kollegen, wirtschaftspolitisch keine Ahnung zu haben.
(Widerspruch von der CDU – Zuruf von Dr. Marcus Optendrenk [CDU])
Ich schlage vor, sich nicht gegenseitig zu fragen, woher wir unsere Kompetenzen haben, sondern sich mit Sachargumenten auseinanderzusetzen, Herr Kollege Dr. Optendrenk.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir kommen direkt zu dem Zitat, mit dem die Aktuelle Stunde überschrieben ist. Ich lese es noch mal vor, weil es so schön ist:
„Zwei Wirtschaftsforschungsinstitute aus Nordrhein-Westfalen rügen Finanzplanung der Landesregierung –“
Das könnte man meinetwegen noch so interpretieren, aber weiter heißt es:
„Finanzminister Dr. Walter-Borjans riskiert erneut einen Verfassungsbruch durch Nichteinhaltung der Schuldenbremse und schlägt Warnungen der Institute in den Wind“
(Beifall von Robert Stein [fraktionslos])
Das ist schlicht Unsinn, Herr Kollege.
Und es wird noch besser. Denn Sie schreiben im ersten Absatz:
„Laut aktuellen Stellungnahmen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) und des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln), deren Ergebnisse in der heutigen (2. Juni 2014) Ausgabe der Rheinischen Post veröffentlicht werden, wird Nordrhein-Westfalen die Null-Verschuldung in 2020 verfehlen und die Vorgaben des Grundgesetzes (Schuldenbremse) nicht einhalten können.“
Ich bitte um Belege für diese These.
Herr Börschel hat eben in seinem Beitrag ausgeführt, wie das richtige Zitat lautet:
„Um einen strukturell ausgeglichenen Landeshaushalt im Jahr 2020 erzielen zu können, muss die Landesregierung den Anstieg der Landesausgaben in den kommenden Jahren so eng begrenzen, dass er merklich hinter der Zunahme der Einnahmen zurückbleibt.“
Das ist nahezu eine Binsenweisheit, angesichts der Zahlen, die der Finanzminister selbst vorgelegt hat. Und es ist eben nicht ausgeführt worden, dass er die Schuldenbremse nicht einhalten wird, sondern er wird von den sehr kritischen Instituten aufgefordert, seinen Abbaupfad konsequent einzuhalten und auszubauen. Sie interpretieren aus meiner Sicht auf ziemlich merkwürdige Art und Weise.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich will die Zahlen, die Kollege Börschel eben angeführt hat, nicht unnötig wiederholen. Aber nehmen wir einmal Ihre These „Nordrhein-Westfalen strengt sich nicht genug an, die Schulden abzubauen, strengt sich nicht genug an, den Haushalt zu konsolidieren“ als wahr an. Dann müssten ja Vorschläge von FDP und CDU kommen, wie es besser geht.
(Zuruf von der SPD: So ist es!)
Ich nenne Ihnen nun die Vorschläge, die Sie zur Verbesserung der Konsolidierung des Landeshaushalts vorgebracht haben.
Sie fordern 800 Millionen € Mehrausgaben bei der Besoldung. Sie fordern 90 Millionen € Mehrausgaben beim Stärkungspakt. Sie fordern mindestens 250 Millionen € Mehrausgaben bei der Inklusion; Herr Kaiser hatte das vorgetragen. Sie fordern Mindereinnahmen von 500 Millionen € bezogen auf die kalte Progression – Laumann, Optendrenk, Krückel. Gestern hat Herr Hausmann hier noch vorgetragen, dass er gerne 450 Millionen € Mindereinnahmen bei der Grunderwerbsteuer hätte. Die 150 Millionen € Kürzung, die wir mit den Förderprogrammen verabschiedet haben, haben Sie abgelehnt. Herr Tenhumberg hat gestern in der Plenarsitzung – er hat die Zahlen zwar nicht genannt, aber wenn man es hochrechnet, kommt man auf die Zahl – mindestens 450 Millionen € Mehrausgaben beim KiBiz gefordert. Herr Schemmer hat in Plenarsitzungen mehrfach 200 Millionen € für die Wohnraumförderung gefordert. – Schon das ergibt eine Verschlechterung von 2,9 Milliarden € für diesen Landeshaushalt.
(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wenn man eine Stufe tiefer in die Ausschussberatungen geht, kommt noch Folgendes hinzu: Dr. Dr. Sternberg fordert im Kulturausschuss eine Verdoppelung des Kulturetats – weitere 182 Millionen € Mehrausgaben für das Land. Herr Müller fordert, wir müssten eigentlich mehr Geld für den Sport ausgeben. Herr Dr. Berger fordert Mehrausgaben für die Hochschulen. – Im Übrigen steht die FDP dem in nichts nach.
Die gleichen Wirtschaftsforschungsinstitute, die uns das ins Stammbuch geschrieben haben – dass die Verbände, Vereine und Interessengruppen ihre Interessen vertreten, ist ja völlig in Ordnung –, also RWI und das Institut für Wirtschaft in Köln im Verbund mit der IHK, fordern dreistellige bis vierstellige Millionenbeträge für die Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen, insbesondere für Brücken und Straßenbau, sowie Mehrausgaben – man höre und staune! – bei der Bildung. Sie haben ausdrücklich unterstrichen und gelobt, was unsere Landesregierung im Schul- und Hochschulbereich bis jetzt geleistet hat. Sie fordern eigentlich ein konsequentes Weitergehen auf diesem Weg.
Also auch diese Institute, die Sie eben zitiert haben – dafür müssen Sie mal zwei Seiten weiter lesen und bei der Enquetekommission den Demografiebericht einsehen –, fordern Mehrausgaben. Das ergibt dann ein Gesamtbild.
Die Landesregierung zieht daraus Schlüsse und setzt Schwerpunkte. Diese Schwerpunkte haben wir hier beschrieben. Die liegen eindeutig in der Verbesserung des Bildungssystems, der Förderung der Kommunen und der Sicherung der Zukunftsaufgaben dieses Landes.
Dieser Aufgabe unterziehen Sie sich nicht. Sie fordern immer mehr Ausgaben, bewegen sich mittlerweile bei einem Betrag von über 3 Milliarden € und beschimpfen diejenigen, die sagen: „Nein, diese Mehrausgaben gibt es nicht“ oder „Ihr müsst eigentlich noch mehr sparen“. Das ist schizophren oder mindestens unehrlich, Rosstäuscherei und passt auch nicht zu der aktuellen Politik, die Sie bisher abgeliefert haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Noch eine Bemerkung will ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen; das betrifft einen Bereich, der mir – neben anderen – sehr am Herzen liegt: Das ist der Bereich der Kommunen. Herr Kuper und auch Herr Biesenbach versäumen keine Sekunde, die Solidarabgabe zu kritisieren. Aber Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter. Da werden jetzt wieder Zahlen zur Erhöhung der Verschuldungssituation veröffentlicht – diese Zahlen sind nicht zu bestreiten –, und Sie treten vor die Presse und behaupten, dass diese Landesregierung nicht genug für die Kommen tun würde, dass sie die Kommunen über den Stärkungspakt sogar gängeln würde, weil sie konsequent Einsparungen vor Ort fordern wolle. Gleichzeitig sind Sie mitverantwortlich dafür, dass der Bund seine Versprechungen nur zum Teil einhält. Aber was viel schlimmer ist: Die seinerzeitige schwarz-gelbe Landesregierung hat das niedrigste GFG dieses Jahrtausends als ersten Haushalt im Jahr 2006 verabschiedet. Ihnen glaubt kein Mensch, was Sie hier vortragen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN)


2. Runde:

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So ist es, wenn man die Reden vorher geschrieben hat: Dann müssen die irgendwie vorgelesen werden. Die Debatte an sich hat bei der FDP anscheinend überhaupt keine Rolle gespielt, Herr Kollege Wedel. Alles, was Sie vorgetragen haben, konnten wir mehrfach in Stellungnahmen nachlesen. Seien Sie versichert: Wir von den regierungstragenden Fraktionen können sogar lesen, und wir tun das gelegentlich auch.
(Beifall von der CDU – Zurufe von der FDP: Oh! Toll!)
Herr Kollege Wedel, vielleicht nehme ich Sie einfach mal ernst. Sie haben hier vorgetragen, der Finanzminister spare nicht genug, und das Konsolidierungsziel drohe verfehlt zu werden. Jetzt spare ich mir die Auflistung der Zahlen von eben. Aber habe Ihnen ja vorgerechnet, dass Sie 2,9 Milliarden € erkennbare Mehrausgabewünsche bzw. Mindereinnahmenwünsche für den Haushalt haben.
(Dirk Wedel [FDP]: Stimmt doch gar nicht!)
Wie spiegelt sich das denn zu dem, was Sie gerade vorgetragen haben?
(Dirk Wedel [FDP]: Stimmt gar nicht! Unverschämt!)
Dann sagen Sie mir doch mal konkret: Wo holen Sie die 3 Milliarden € einerseits her, und wie beschleunigen Sie den Abbaupfad andererseits? Da bleiben Sie jede Antwort schuldig, und deswegen sind Sie unglaubwürdig, Herr Kollege.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Aber ich will eines nicht versäumen: Der Kollege Schmitz hat ja eben von Catenaccio gesprochen.
(Zurufe von der CDU)
Der Finanzminister ist offensichtlich etwas heiser, und das könnte möglicherweise an einem freudigen Ereignis liegen, nämlich dem Aufstieg von Fortuna Köln, zu dem ich ausdrücklich gratulieren möchte.
(Vereinzelt Beifall von der SPD und der CDU)
Nicht zu vergessen, dass der FC Köln auch aufgestiegen ist – aber bei Fortuna Köln war eines ganz wichtig: Das Tor fiel in der letzten Minute der Spielzeit –
(Dirk Wedel [FDP]: Der Nachspielzeit!)
gegen einen Gegner, der das auch nicht anders verdient hat, um das hinzuzufügen. Das macht aus meiner Sicht zwei Dinge deutlich.
Erstens: Entscheidend ist auf dem Platz. Dazu habe ich eben schon etwas gesagt. Und zweitens: Abgerechnet wird nach dem Abpfiff, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Zuruf von der CDU: 2017! – Gegenrufe von der SPD)
Das heißt auch, dass wir erst 2020 endgültig sagen können, wie das mit dem Abbaupfad gewesen sein wird.
Außerdem möchte ich auf folgende Entwicklung hinweisen: Sie haben ja mehrfach die Forschungsinstitute zitiert. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln und auch das RWI haben uns im Frühjahr letzten Jahres – und das ist jetzt mehrfach in der Debatte vorgetragen worden – konstatiert, dass die Landesregierung auf einem guten Pfad ist, was den Abbau anbelangt.
In diesem Zusammenhang will ich nur einige Vorhalte machen. Zunächst: Was ist seitdem passiert? Wie haben sich die Zinsen entwickelt? Der Finanzminister hat etwas zur Prognose gesagt, aber was ist tatsächlich passiert? Die Zinsen sind noch deutlich runtergegangen; das sehe ich durchaus auch mit Sorge, denn der Grund hierfür ist eher bedauerlich.
Wir müssen jedoch konstatieren, dass die Zinsen wahrscheinlich dauerhaft niedrig bleiben werden, und das, weil bei den Ländern in Europa die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinandergeht. Fakt ist jedoch: Deutschlands Wirtschaftsleistung steigt, die in Südeuropa fällt. Insofern ist die Zinsprognose des Finanzministers durchaus tragfähig.
Ein letzter Punkt, der mir wichtig ist: Wir haben jetzt mehrfach über Zahlenkolonnen gestritten und wie man diese interpretiert. CDU und FDP jedoch bleiben konkrete Hinweise schuldig, wie sie denn konsolidieren wollen. Ein Punkt könnte deutlich machen, warum das so ist. Wir haben mal einen Pro-Kopf-Vergleich der Ausgaben der Länderhaushalte angestellt und herausgefunden, dass Nordrhein-Westfalen bei den Pro-Kopf-Ausgaben ganz am Ende liegt.
Wir sind beispielsweise im Bildungsbereich offensichtlich sehr effizient. Davon kommt aber bei der Opposition nichts an. Die Opposition macht keine Vorschläge, wie die Konsolidierung hier konkret aussehen soll.
Dann möchte ich noch einen letzten Vorschlag der Opposition zitieren. Beide Oppositionsfraktionen haben vorgeschlagen, 500 Millionen € Mehreinnahmen aus dem Abschluss eines Schweizer Steuerabkommens zu generieren. Wie das ausgegangen ist, wissen wir alle. Wir nehmen deutlich mehr Geld ein, weil wir dieses Schweizer Steuerabkommen nicht eingegangen sind. CDU und FDP müssen sich diese 500 Millionen € aus ihren Konzepten schon wieder rausstreichen lassen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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