Welche Rolle spielen Frauen und Homophobie in der rechten Szene?

Fakten-Check

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Vorurteil 1: „In der rechten Szene gibt es keine Frauen.“
Falsch. In der Öffentlichkeit herrscht nach wie vor das Bild vom Skinhead mit Springerstiefeln und Bomberjacken vor. Als der rechtsterroristische „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) im November 2011 aufflog, wurde Beate Zschäpe deshalb in vielen Schlagzeilen als „Nazi-Braut“ und „Mitläuferin“ verharmlost. In der Öffentlichkeit unterschätzte man schlicht die Rolle Beate Zschäpes. Unvorstellbar schien eine Frau als gleichberechtigtes Mitglied in einer rechtsextremen Gruppierung. Fakt ist aber: Der Frauenanteil bei Demonstrationen oder in rechtsextremen Parteien beträgt inzwischen bis zu 20 Prozent. Auch in den Vorständen sind Frauen vertreten. Im Landesvorstand der NPD in Nordrhein-Westfalen sitzen aktuell vier Frauen. Rechtsextreme Parteien haben Frauen zudem als potentielle Wählerinnen erkannt. Ihre Rolle darf also nicht unterschätzt werden.
Vorurteil 2: „Frauen in der rechten Szene kommt ausschließlich die Rolle als Hausfrau und Mutter zu.“
Falsch. Meist werden Frauen in der rechten Szene von außen nur als „unpolitische Freundin des Neonazis“ wahrgenommen, doch Frauen im rechtsextremen Milieu sind nicht nur „Anhängsel“. Ihre Funktionen in der rechtsextremen Szene sind sehr vielfältig und reichen von der Aktivistin auf Demonstrationen oder der Liedermacherin bis hin zur Mutter nach völkischen und traditionellen Idealbild. Da Frauen häufig als unpolitisch wahrgenommen werden, setzt die rechte Szene sie strategisch gerade im sozialen und im Bildungsbereich ein, um dort die rassistische und antidemokratische Ideologie zu verbreiten. Zwar bleibt das Ideal der „Volksgemeinschaft“, in der die Frau vor allem als fürsorgliche Mutter auftritt, zentraler Orientierungspunkt. Dennoch sind Frauen aktiver Bestandteil der Szene und verhelfen Rechtsextremen sich einen bürgerlichen Anstrich zu geben.
Vorurteil 3: „Rechte Frauen verüben keine politischen Straftaten.“
Falsch. Studien gehen davon aus, dass mindestens zehn Prozent der Straf- und Gewalttaten aus dem rechten Spektrum von Frauen verübt werden. Frauen beteiligen sich außerdem aktiv an Demonstrationen, stellen verfassungsfeindliche Symbole zur Schau, motivieren Männer zu Straftaten und üben selbst Gewalt aus. Fraglich ist, ob die Sicherheitsbehörden rechtsextreme Frauen als Täterinnen wahrnehmen bzw. ob sie sich vor Gericht als unpolitische Mitläuferinnen darstellen können. Im aktuellen NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe wird deutlich, dass sich die Öffentlichkeit häufig für ihr Aussehen im Gerichtssaal interessiert – das darf aber nicht über ihre Verantwortung für die NSU-Anschläge hinwegtäuschen.
Vorurteil 4: „Die Rechte Szene ist für Frauen aufgrund ihrer Ideologie völlig unattraktiv.“
Falsch. Rechtsextreme und rassistische Einstellungen betreffend gibt es kaum einen Unterschied zwischen Frauen und Männern. Zwar werden Frauen in der rechtsextremen Ideologie ganz eindeutig als nicht gleichwertig betrachtet. Dennoch können Mädchen und Frauen in dieser Szene Positionen erlangen, in denen sie wertgeschätzt werden, sei es als Mutter oder als fürsorgliche Ehefrau, die ihrem Mann den Rücken stärkt. Die „Volksgemeinschaft“ wirkt auf diese Weise auch auf Frauen anziehend.
Die Entscheidung, nicht berufstätig zu sein, ist immer die einer starken Frau, die sich bewusst gegen „Gleichmacherei“, „Vermännlichung“ und „Gendermainstreaming“ zur Wehr setzt. Allerdings wird in der rechten Ideologie nur diese Entscheidung anerkannt, niemals die Entscheidung zur Berufstätigkeit.
Vorurteil 5: „Es gibt keine Schwule und Lesben in der rechten Szene.“
Falsch. Homosexualität wird zwar weitgehend abgelehnt, da sie nicht dem Erhalt der „Volksgemeinschaft“ dient und somit „krank“ und „widernatürlich“ sei. Sie wird in der rechten Szene auch zumeist mit schwul gleichgesetzt. Weibliche Homosexualität ist dagegen kaum ein Thema. Oft wird sie als Mittel zur Denunziation benutzt, um Kontrahenten aus der rechten Szene und Personen anderer Parteien öffentlich zu diskreditieren. In diesem Zusammenhang wird Homosexualität meist in Verbindung mit AIDS und Pädophilie gebracht. Dennoch: Es gibt Homosexuelle in der rechten Szene, aber nur wenige sind geoutet und es sind auch nur männliche Homosexuelle. Man kann trotzdem davon auszugehen, dass es auch lesbische Frauen gibt, die sich mit rechten Ideologien identifizieren und sich in der rechten Szene engagieren.
Da Homosexualität in der rechten Szene weitgehend als „unmännlich“ und als Schwäche gesehen wird, muss dieser vermeintliche Makel durch Hypermännlichkeit kompensiert werden. Schwule Nazis grenzen sich deshalb klar von vermeintlich femininen Attitüden ab. Sie setzen alles daran, in ihrem Umfeld möglichst „männlich“ wahrgenommen zu werden. Sie streben nach „soldatischen Idealen“ wie Stärke, Kraft, und „Tugend“.
Der geoutete homosexuelle Rechte Alexander Schlesinger sagte in dem Film "männer helden schwule nazis" von Rosa von Praunheim im Jahr 2006: "Wir Schwulen streben ja vielfach einem Männlichkeitsideal nach. Ich persönlich bin ein sehr intoleranter Schwuler. Ich kann mit diesen Tatütata-Huschen überhaupt nichts anfangen. […] Ich bin ja nicht schwul geworden, um auf so was Feminines abzufahren. Ich bin schwul geworden, um auf Kerle zu stehen."
Vorurteil 6: „Alle Rechten sind schwulenfeindlich.“
Falsch. Obwohl Homophobie ein zentraler Bestandteil der rechten Ideologie ist und die meisten Rechtsextremen Homosexualität für „pervers“ und verachtenswert halten, gibt und gab es in der Szene einen Diskurs zu diesem Thema. Während einige Rechtsextreme im Internet sogar zur Ermordung von Homosexuellen aufrufen, reden andere von einer „bedingten Tolerierung“. So wäre der „Kampf gegen Schwule“ eher ein Kampf gegen „Unmännlichkeit“ und „tuntiges Gehabe“ als gegen Männer, die andere Männer begehren. Trotz allem ist Homosexualität in der Rechten Szene ein Tabu, auch wenn es vereinzelt abweichende Standpunkte gibt.
Während einige rechtsextreme Parteien offen mit homophoben und antifeministischen Thesen werben, um so an Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft anzuknüpfen, versuchen andere rechtspopulistische Strömungen mit homophilen Äußerungen um Zustimmung bei Homosexuellen zu werben und sich als vermeintlich modern darzustellen, insbesondere im Kampf gegen einen angeblich homophoben Islam.