Matthi Bolte: „Für uns Grüne stellt die Vorratsdatenspeicherung einen massiven unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte dar.“

Antrag der FDP zur Vorratsdatenspeicherung

Matthi Bolte (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lohn, Sie haben uns vorgeworfen, nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs – wie im Übrigen vor diesem Urteil auch schon – eine kritische Haltung zur Vorratsdatenspeicherung einzunehmen. Dass die CDU sofort nach dem Urteil nach einer Wiedereinführung gerufen hat, passt auch nicht so richtig in diese Argumentation, die Sie gerade zum Besten gegeben haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist in relativ kurzer Frist das dritte Mal, dass wir uns hier in diesem Hohen Hause mit der Frage der Vorratsdatenspeicherung auseinandersetzen sollen. Das ist zweifelsohne ein hochinteressantes Thema, das uns insgesamt schon seit vielen Jahren beschäftigt und wozu es auch immer wieder etwas Neues zu diskutieren gibt, zuletzt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs.
Ich habe im Zusammenhang mit diesem Urteil immer gesagt: Dieser 8. April 2014 ist ein guter Tag für die bürgerlichen Freiheitsrechte in Europa gewesen, an dem der EuGH die Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt hat. Denn es ist nach den Diskussionen, die wir hatten, keine Neuigkeit: Für uns als Grüne stellt die Vorratsdatenspeicherung einen massiven unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte dar.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der Gesetzgeber hat immer die Abwägung zu treffen, ob eine angestrebte Maßnahme, ein angestrebter Grundrechtseingriff nicht nur geeignet, sondern auch verhältnismäßig ist. Auch bei der Geeignetheit gab es immer schon kritische Stimmen. Bei der Verhältnismäßigkeit ist das Urteil des EuGH eindeutig. So, wie es bisher gelaufen ist, ist es mit den Grundrechten unvereinbar.
Ich fand, einen bemerkenswerten Kommentar zu diesem Urteil hatte Heribert Prantl geschrieben, der das Urteil als das Ende der Maßlosigkeit bezeichnet hat. Ich glaube, da ist viel dran. Da ist auch insgesamt viel dran für die innenpolitische Diskussion, wie wir sie in den letzten Jahren erleben durften.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus meiner Sicht ist klar: Der Ball für die Diskussion liegt zunächst in Brüssel. Es ist eine sehr vernünftige Position, die der Bundesjustizminister eingenommen hat, dass es nämlich sinnvoll ist, jetzt nicht auf nationale Alleingänge zu setzen.
Wir haben es mehrfach dargestellt: Für den Fall, dass eine Bundesregierung auf die Idee kommt, sich auf das Abenteuer einzulassen, vielleicht noch einmal alle Spielräume und Möglichkeiten, die sich aus diesen Urteilen des EuGH und des BVerfG ergeben, auszupressen, haben wir als Koalition klare Spielregeln. Wir haben auch klare Spielregeln für das weitere Verfahren. Dann wird erst im Bundestag, dann möglicherweise im Bundesrat entschieden.
Für den Fall, dass wir uns bis dahin nicht auf eine Position verständigen konnten, würde sich Nordrhein-Westfalen – wie wahrscheinlich auch viele andere Länder – der Stimme enthalten. Man muss kein Meister der Mathematik sein, um herauszufinden, dass die derzeitige Regierungskoalition in Berlin im Bundesrat aus dem Stand nicht auf 35 Stimmen kommt.
Ich finde interessant, was dieses Urteil als Diskussion innerhalb der deutschen Parteienlandschaft hervorgebracht hat. Hans-Willi Körfges bin ich sehr dankbar dafür, dass er aufgezeigt hat, dass es innerhalb der Sozialdemokratie vor dem Urteil schon sehr viele gab, die eine äußerst kritische bis ablehnende Haltung zur Vorratsdatenspeicherung eingenommen haben. Ich finde es hochinteressant, diese Diskussion weiter zu begleiten und zu beobachten. Denn bisher gab es eine Mehrheit innerhalb der SPD, die das anders gesehen hat und – das haben wir alle beobachtet – für eine Weiterführung der Vorratsdatenspeicherung war.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Ihnen möchte ich meine letzte Minute schenken.
Sollte es dazu kommen, dass es irgendwann einmal wieder ein Bundesgesetz zu diesem Thema gibt, dann werden wir schauen: Ist auch auf Sie Verlass? Im Moment betrifft es nur Sachsen, die sächsische Landesregierung. Auch da gibt es noch keine klaren Bekenntnisse.
Aber grundsätzlich muss man sehen: In der Opposition flott reden, das kann jeder. Wenn wir uns einmal einen Blick auf die Regierungsarbeit der FDP erlauben, Herr Kollege Orth, dann sehen wir, dass wir uns von Ihnen keine Ratschläge abholen müssen.
(Zuruf von Dr. Robert Orth [FDP])
Hans-Willi Körfges hat es angesprochen: Online-Durchsuchungen von der FDP, von Innenminister Wolf eingeführt. Sie, Herr Wolf, sagten damals, das sei das angemessene Instrumentarium, das Sie damals in das Verfassungsschutzgesetz geschrieben haben. Innenminister Wolf hielt unsere grundrechtlichen Vorbehalte für völlig abwegig.
Wenn man sich das vergegenwärtigt, dann sieht man einfach, dass Ihr Antrag nicht nur eine große zeitliche Nähe zur Europawahl hat, sondern auch eine sehr große Wahlkampfkomponente insgesamt.
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Matthi Bolte (GRÜNE): Im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehe ich davon aus, dass das Thema „Vorratsdatenspeicherung“ uns noch länger begleiten wird. Durch das Urteil haben wir mehr Klarheit in der Debatte.
Wir Grüne werden natürlich mit großem Interesse die Meinungsbildung in allen anderen politischen Gruppierungen begleiten. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)