Mehrdad Mostofizadeh: „Natürlich kann man das gegenfinanzieren, natürlich kann man den Spitzensteuersatz anheben. Aber das muss man dann auch dazusagen.“

Antrag der FDP zum Abbau der kalten Progression

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Optendrenk, vielleicht gucken Sie öfter mal Nachrichten, damit Ihnen auffällt, dass in Berlin CDU und SPD regieren. Wenn ich den Antrag richtig lese – ich hoffe, das richtige Exemplar bekommen zu haben –, steht darin, die Bundesregierung wird aufgefordert, für die kalte Progression einen Ausgleich zu schaffen, sie abzubauen und das künftig immer wieder zu tun. Warum Sie jetzt Herrn Zimkeit anjammern, dass das nicht gemacht wird, ist mir ein bisschen unklar.
Rufen Sie Frau Merkel an oder vielleicht auch Herrn Kampeter, wenn Sie bei Merkel nicht durchkommen, und machen Sie den Vorschlag, Sie hätten sich zusammengesetzt und seien der Auffassung, man könnte die kalte Progression abschaffen. Das wäre alles kein Problem und kostete eigentlich nichts. – Das ist wieder Methode CDU: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. – Und dann setzen wir das im Bund durch. Dass die CDU, die seit 2005 regiert, jetzt andere anjammert, dass die kalte Progression nicht abgeschafft wird, finde ich einigermaßen lächerlich, Herr Kollege.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Zum Stichwort „Spendierhosen“ kann ich Herrn Kollegen Zimkeit nur ausdrücklich zustimmen. Man muss sich schon fragen, wie das finanziert wird. Sie legen sich fest, 730 Millionen € bei der Besoldung drauflegen zu wollen. Sie legen sich fest, 450 Millionen € bei der Grunderwerbsteuer gegenfinanzieren zu wollen. Sie legen sich fest, 115 Millionen € bei dem Förderprogramm gegenfinanzieren zu wollen. Sie finden den Soli nicht in Ordnung. 90 Millionen € kostet die Gegenfinanzierung, 250 Millionen € Ihre bisherigen Wünsche bei der Inklusion. Kalte Progression: letzte Schätzung, 350 Millionen €.
Wenn wir einmal weiter rechnen – das haben Sie eben auch ausdrücklich gemacht, das fordert auch der FDP-Antrag –, dann sind wir 2017 schon bei 700 Millionen € für Nordrhein-Westfalen. Die fehlen in der Kasse.
Natürlich kann man das gegenfinanzieren, natürlich kann man den Spitzensteuersatz anheben. Aber das muss man dann auch dazusagen, Herr Kollege. Dann müssen Sie nämlich den Spitzenverdienern sagen: Wir, CDU, sind der Auffassung, dass 42 % nicht ausreichen.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Wir haben die Schuldenbremse in der Verfassung, Herr Kollege Witzel, oder? Da sind wir uns doch einig. Und die Schuldenbremse muss eingehalten werden. Also muss man beide Tatbestände gegenrechnen.
Was ich schon amüsant finde, Herr Kollege Dr. Optendrenk, ist, dass Sie jetzt die prognostizierten Steuermehreinnahmen aufgrund der jetzt ergangenen Mai-Steuerschätzung schon wieder dreimal verfrühstücken. Das halte ich für einen, der sich immer hier hinstellt und predigt „wir müssen aber den Haushalt noch viel, viel schneller ausgleichen“, einigermaßen beeindruckend.
Ich kann für die grüne Fraktion nur sagen: Herr Kollege Witzel, ich finde es auch nicht in Ordnung, dass Sie die Rente mit 63 machen, dass Sie die Mütterrente einführen, ohne gegenzufinanzieren. Anders herum kann ich Ihnen sagen: Mir sind diese Punkte dreimal lieber als die Verschonung der Vermögenden, wie Sie es seit Jahrzehnten in dieser Bundesrepublik Deutschland vortragen.
(Beifall von den GRÜNEN und Stefan Zimkeit [SPD])
Zu einem soliden Finanzminister gehört auch dazu, zu fragen: Wo kommt die Kohle denn her bzw. wie finanziere ich es um? Da bleiben Sie jede Antwort schuldig, Herr Kollege Witzel und Herr Kollege Dr. Optendrenk.
Aber eines möchte ich auch noch einmal sagen: Warum verhalten Sie sich nicht zu dem Antrag, Herr Kollege Dr. Optendrenk? Sie sind in der Bundesregierung, und zwar seit mittlerweile fast neun Jahren. Dann machen Sie doch etwas! Dann setzen Sie es durch. Sie haben im Bundesrat alle Möglichkeiten. Sie können auch nicht sagen, Rot-Grün
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
will jetzt den Sturz der Bundesregierung im Bundesrat herbeiführen. Es ist ein lächerliches Schauspiel, das Sie hier aufführen. Herr Kollege Witzel, dass die FDP mangels …
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
– Herr Kollege, wir hatten einen klaren Vorschlag im Bundesrat auf dem Tisch liegen. Die FDP wollte keine Gegenfinanzierung bei den Besserverdienenden mitmachen,
(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])
weil sie Ihre Klientel schützen wollte. Mittlerweile stellt sich heraus, dass diese Klientel bei 2 bis 3 % liegt.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Sie hätten damals die kalte Progression abschaffen können, aber in einem Konzept, das die Bundesländer und eben auch die Kommunen geschont hätte.
Wenn Sie – Herr Kollege Abruszat ist im Raum – immer sagen, wer bestellt, bezahlt, und Sie einem solchen Konzept folgen wollen, müssen Sie uns, wenn Sie diese Nummer bestellen, schon mitteilen, wer es bezahlt, und dürfen sich nicht billig vom Acker machen.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lindner zulassen?
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Von wem?
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vom Kollegen Lindner.
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Eigentlich nicht. – Na ja, bitte schön.
Christian Lindner (FDP): Niemand soll Herrn Mostofizadeh zwingen, Zwischenfragen zu beantworten. Trotzdem vielen Dank, dass Sie es gestatten.
Herr Kollege, sind Sie erstens bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der damalige Vorschlag der schwarz-gelb getragenen Bundesregierung Nordrhein-Westfalen von Einnahmeausfällen durch die Dämpfung der kalten Progression freigestellt hätte,
(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Stimmt ja nicht!)
weil Herr Schäuble seinerzeit eine Kompensation bei der Umsatzsteuerverteilung vorgeschlagen hat? – Das stimmt.
Zweitens: Sind Sie bereit, außerdem zur Kenntnis zu nehmen, dass der SPD-Bundesvorsitzende und Vizekanzler Gabriel inzwischen ebenfalls darauf verzichten will, kompensatorisch beispielsweise den Spitzensteuersatz zu erhöhen, um die kalte Progression zu dämpfen, insoweit die SDP die ideologische Geiselhaft, in die Geringverdiener genommen worden sind, aufgehoben hat?
(Beifall von der FDP)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege.
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Ich habe es relativ einfach, Herr Kollege Lindner. Was die SPD mit Geiselhaft etc. zu tun hat, möge bitte der Finanzminister gleich erklären. Ich werde auch nur den ersten Teil Ihrer Frage beantworten. – Ich bin der Auffassung, dass das, was der Finanzminister letzte Woche gesagt hat, richtig ist, dass man, wenn man die kalte Progression abflachen will, eine Gegenfinanzierung machen will.
Im Übrigen, Herr Kollege Witzel, möchte ich in dem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass wir schon Grenzsteuersätze haben und dass wir eine Progressionslinie haben. Sie haben versucht zu suggerieren, dass, wenn man mehr Geld bekommt, man weniger zur Verfügung hätte. Das ist schlicht falsch. Die Frage ist, ob der Durchschnittssteuersatz ansteigt oder nicht. Aber natürlich bleibt mehr übrig, weil die Steuer ein Prozentsatz von einem Mehr ist.
Jetzt zu der Frage eins, Herr Lindner, die mich am meisten interessiert. – Nein, Herr Dr. Schäuble, hat kein Konzept vorgelegt, das Nordrhein-Westfalen von Einnahmeausfällen freigestellt hätte. Er hat sehr wohl einen höheren Anteil angeboten. Aber das Konzept war nicht gegenfinanziert. Deswegen war es richtig, im Bundesrat dieses Konzept so nicht durchzuwinken.
Aber wir haben einen anderen Vorschlag gemacht, den Herr Dr. Schäuble und die schwarz-gelbe Bundesregierung damals hätten annehmen können. Das haben Sie ausdrücklich nicht gewollt, weil Sie sich von einem Nein parteipolitisch davon etwas versprochen haben, was außerordentlich in die Hose gegangen ist, was ich ausdrücklich begrüße, was zumindest den Teil für die FDP anbetrifft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Antrag der FDP kann man auch überschreiben mit den Worten „Im Westen nichts Neues“. Sie frischen die alten Kamellen immer wieder auf, aber sagen nie, wie gegenfinanziert werden soll. Insofern lehnen wir diesen Vorschlag, so wie er jetzt ist, ab. Wir halten es aber durchaus für richtig, darüber zu reden – deswegen stimmen wir der Überweisung in den Ausschuss auch zu –, wie man das Steuersystem gerechter machen kann. Dabei wird die FDP aller Voraussicht nach allerdings nur wenig hilfreich sein können.

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