Sigrid Beer: „Wir investieren in dieser Legislatur über eine Milliarde Euro in die Inklusion.“

Unterrichtung der Landesregierung zur Inklusion

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Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kenne das Sprichwort, das Herr Herter gerade genannt hat, etwas anders, vom Sinn her aber gleich: Steig ab von dem Pferd, das Du reitest, wenn Du merkst, dass es tot ist! – Das ist genau das, was Sie heute leider nicht hinbekommen haben. Sie haben Reden gehalten, die Sie vorbereitet haben, die Ihnen aufgeschrieben worden waren. Sie konnten nur nicht auf das reagieren, was Ihnen hier vorgetragen worden ist, auch nicht darauf reagieren, dass alle Spitzenverbände dieser Vereinbarung zugestimmt haben.
Ich bin nur froh, dass wir hier teilweise Redezeit richtig konstruktiv nutzen konnten, indem wir die Vereinbarung von unserer Seite aus schon einmal unterschrieben haben, während wir hier gemeinsam im Parlament sitzen. Das sage ich, um erneut zu verdeutlichen, dass wir die Dinge handwerklich zu Ende bringen. Das ist wichtig.
Herr Kuper, 2020! Ich will Ihnen gerne noch einmal etwas mitgeben: Sie müssten eigentlich aufmerksam betrachtet haben, dass ich im Dezember 2012 auf dem Parlamentarischen Abend des Städtetages mit den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände genau über den Vorschlag von Frau Löhrmann diskutiert habe, nämlich eine Arbeitsgruppe einzurichten jenseits der juristischen Positionen, damit wir uns anschauen, wie es gemeinsam gelingen kann, Kosten zum einen zu prognostizieren und zum anderen auf eine gemeinsame Grundlage zu stellen. Wir hätten in der Tat etwas früher fertig sein können, wenn damals darauf eingegangen worden wäre. Diesen Vorgang haben wir jetzt genauso durchgeführt und zu einem guten Ende gebracht. Deshalb bin ich froh, dass dieser anstrengende und herausfordernde Prozess so gut gelungen ist.
Was haben Sie denn in der Zwischenzeit getan? Haben hier Haushaltsanträge von Ihnen vorgelegen? Haben Sie heute erklärt, dass Sie dieses Ergebnis für die Kommunen im Landeshaushalt mittragen werden? Wo ist das von Ihnen bekundet worden? Wo haben Sie uns gesagt, dass Sie das mittragen, dass über die Legislatur hinaus verlässlich für die Kommunen finanziert wird? Das war doch das Signal, dass nach 2017 überhaupt kein Weg an Rot-Grün vorbeiführt, weil wir dann nämlich diese Zusagen auch einhalten werden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Und bei aller Würdigung der kommunalen Spitzenverbände und ihrer Vertreter, die mit uns geredet haben, sei mir eine Bemerkung, lieber Kollege Herter, doch erlaubt: Ja natürlich, alle haben sich für ihr Anliegen wirklich hineingeworfen und das Beste rausgeholt. Ich habe nicht ganz nachvollziehen können – das habe ich Anfang der Woche gedacht –, warum Herr Schneider noch einmal kommentiert hat, es sei hier Inklusion zum Nulltarif vorgesehen.
Ich will noch einmal bilanzieren, was das Land in dieser Legislatur investiert. Das sind alleine an Kosten für das Lehrpersonal 750 Millionen €; das sind 100 Millionen € für Weiterbildung, für die Ausbildung von zusätzlichen Sonderpädagogen – etwas, was Sie unter Schwarz-Gelb gar nicht angefasst haben –, und es sind jetzt diese 175 Millionen, die wir zur Unterstützung der kommunalen Schulträger oben drauflegen. Das macht über 1 Milliarde €. Wenn da einer von „Nulltarif“ spricht, ist das – soll ich es dreist nennen, soll ich es vergessen nennen; ich weiß es nicht, ich will es nicht abschließend beurteilen. Vielleicht kommt da die Erkenntnis auch etwas später.
Etwas hat mich dann doch wieder irritiert. Frau Gebauer, Ihre Anfangstöne waren zwar moderat, aber am Ende sind die alten FDP-Positionen ganz klar durchgekommen. Wenn Sie von „Zwangsinklusion“ sprechen, machen Sie Eltern Angst. Sie machen ein Szenario auf, das absolut unseriös ist.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie sprechen – das war doch der Unterton in Ihrer Rede – davon, dass Kinder mit Behinderungen andere Kinder beim Lernen behindern. Das steckt in dieser Tonlage und dem, was Sie gesagt haben, doch wieder ganz tief drin. Schauen Sie sich das in Ihrer Rede noch einmal an. Auch das ist unseriös und durch nichts belegt.
Noch etwas, Frau Kollegin! Sie wissen doch sehr genau – ich weiß doch, dass Sie die Unterlagen lesen; auch den Landesrechnungshofbericht –, dass im Bereich der Förderschulen Lernen durch die Demografie schon 60 % der Förderschulen längst unter die Mindestgröße gefallen sind und noch nicht einmal die Ausnahmeregelung erreicht haben. Was wollen Sie uns denn hier vormachen? Das ist unseriös!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich habe mir natürlich noch etwas aufgehoben und frage zum Schluss den Kollegen Kaiser:
Werter Klaus Kaiser, wir haben doch in Zeiten der Minderheitsregierung gemeinsam einen Antrag erarbeitet, den wir am Tag der Auflösung des Landtags nicht mehr miteinander verabschieden konnten. Darin waren genau die Eckpunkte beschrieben, die wir dann in das erste Gesetz auf dem Weg zur Umsetzung der UN-Konvention im schulischen Bereich eingebracht haben. Genauso war es. Wir haben diskutiert, was das in der Praxis bedeutet. Und jetzt macht sich Kollege Kaiser einen schlanken Fuß und sagt: Damit habe ich gar nichts mehr zu tun.
(Klaus Kaiser [CDU]: Nein, nein!)
Von den Diskussionen, die wir fachlich miteinander geführt haben, will man heute nichts mehr wissen.
Und das andere ist der Schulkonsens: Förderschulen, soweit sie trotz Inklusion erforderlich sind. – Das war ganz klar. Und es war ganz klar, dass die Demografie schon längst gewirkt hat, wir zur Konzentration von Standorten kommen werden, was gut und richtig ist, ohne den Bedarf, den Eltern sehen, nicht realisieren zu können.
Das will man heute alles nicht mehr wissen. Ich nehme die Distanzierung des Kollegen zur Kenntnis. Will man sich in dieser Frage vom Schulkonsens verabschieden, von dem, was wir in der Minderheitsregierung einvernehmlich besprochen haben? Vor allen Dingen, Herr Kaiser, war die CDU froh, dass die Blockade durch die FDP aufgelöst war und Sie damals nicht mehr gebunden waren. Seinerzeit wollte die FDP sogar bewirken, dass hier im Landtag nicht von Inklusion gesprochen und diese Vokabel gar nicht in den Mund genommen wird.
(Beifall von den GRÜNEN)
Finden Sie zurück zu einer konstruktiven Haltung in der Umsetzung! Ich fahre gerne wieder mit Ihnen gemeinsam über das Land, um die Standorte anzuschauen. Dann können wir vielleicht an andere gemeinsame fachliche Diskussionen anknüpfen. Heute war das ein vorbereitetes Papier. Ich verstehe das, das war bei der heutigen Debatte zu G8 auch schon so. Aber vielleicht kommen wir mit ein bisschen Abstand zu einer anderen Diskussion zurück. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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