Mario Krüger: „Wir stehen dem Livestream bzw. Streaming aus Räten und Kreistagen sehr aufgeschlossen gegenüber.“

Gesetzentwurf der Piraten zur Stärkung der Partizipation

Mario Krüger (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Herr Herrmann, im Gegensatz zu Ihnen – das haben wir ja schon einmal ausgetauscht – habe ich an einer Vielzahl von Ratssitzungen teilnehmen dürfen. Ich habe auch wahrnehmen können, wie in diesem Zusammenhang die Information der Bürgerschaft erfolgt.
Im Rahmen der Konzentration des Pressewesens – beispielsweise ist in Dortmund von drei Stadtredaktionen nur noch eine übrig geblieben – reduzieren sich spannende Diskussionen im Rat letztendlich, wenn überhaupt, auf 200 Zeichen. Gerade deshalb haben wir ein großes Interesse daran, dass Öffentlichkeit hergestellt wird. Zwar findet Kommunalpolitik in der Regel in öffentlichen Räumen statt. Mangels zeitlichen Möglichkeiten ist eine Zugänglichkeit aber häufig nicht gegeben. Insofern stehen wir dem Livestream bzw. Streaming aus Räten und Kreistagen sehr aufgeschlossen gegenüber und wollen in diesem Zusammenhang auch entsprechende Regelungen zulassen.
Wie mein Vorredner, Herr Biesenbach, gerade betont hat, wird das schon längst angepackt. In Städten wie Köln, Essen, Wuppertal und Düsseldorf ist es heute gängige Praxis.
Als Landesgesetzgeber wollen wir hier aber keine stringente Vorgabe machen. Wir werden den Kommunen nicht zwingend vorgeben, das so zu machen.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP)
Natürlich kennen wir auch die Diskussionen, die in einigen Räten über die Frage „Machen wir das, oder machen wir das nicht?“ geführt worden sind. An dieser Stelle gibt es zwei widerstreitende Interessen: zum einen das Grundrecht des Ratsmitglieds auf informelle Selbstbestimmung und zum anderen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Wenn man sagt, das könne man formal abwägen, ist das zwar so weit in Ordnung. Ich möchte aber Folgendes zu bedenken geben:
Auf der einen Seite sitzen gerade in den Kommunalparlamenten eine Reihe von Menschen, die nicht so redegewandt sind, die möglicherweise in ihrem Redefluss gehemmt sind, die sich nicht trauen, ans Podium zu gehen, die nervös sind, wenn sie vor einer solchen Runde stehen, und deshalb ihren eigenen Beitrag nicht einbringen – insbesondere dann, wenn sie sich mit der Situation auseinandersetzen müssen, dass dieser Beitrag anschließend weltweit im Netz zu sehen ist.
Auf der anderen Seite wissen wir, dass Menschen, die in diesem Zusammenhang keine Probleme haben, die es gerne zuspitzen und die polarisieren wollen, dieses Medium auch gerne dafür nutzen.
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Marsching?
Mario Krüger (GRÜNE): Ja.
Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist freundlich von Ihnen. – Bitte schön, Herr Marsching.
Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Krüger, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Aufgrund Ihres Redebeitrags müsste ich eigentlich zehn Fragen stellen. Ich werde mich aber auf die eine Frage beschränken, die zulässig ist.
Sie haben gerade gesagt – das kam bei Frau Steinmann auch schon zum Ausdruck; da war ich aber leider zu langsam –, Sie wollten keine Vorgabe machen, dass gestreamt werden muss. Da frage ich mich ernsthaft, ob Sie unseren Antrag gelesen haben, in dem steht:
„… kann die Hauptsatzung bestimmen, dass in öffentlichen Sitzungen Video- und Audioaufnahmen und deren Übertragungen durch die Medien … zulässig sind“.
Da steht nichts von „muss“. Ich frage mich also, zu welchem Antrag Sie hier eigentlich reden.
(Kai Abruszat [FDP]: Diese Möglichkeit haben sie doch heute schon! – Marc Herter [SPD]: Das kann man schon heute!)
Vizepräsident Oliver Keymis: Sie haben den Abgeordneten Krüger gefragt und nicht sich selbst. – Herr Krüger, Sie antworten.
Mario Krüger (GRÜNE): Selbstverständlich habe ich Ihren Antrag gelesen. Selbstverständlich habe ich auch wahrgenommen, dass Sie in diesem Zusammenhang eine Möglichkeit, eine Option eröffnen wollen. Wenn Sie mir zugehört haben, haben Sie auch heraushören können, dass wir dem sehr offen gegenüberstehen. Ich kenne aber natürlich auch Meinungen von Leuten aus Ihrem Bereich, die das gerne generell umgesetzt haben wollen.
(Michele Marsching [PIRATEN]: Das steht hier nicht!)
– Nein, das ist nicht aus diesem Antrag zu entnehmen. Ich würde Sie aber bitten, auch einmal ins Netz zu schauen. Dann sehen Sie, wie Piraten sich an anderer Stelle in diesem Zusammenhang aufstellen. Dazu sollte man auch eine Antwort geben, denke ich.
(Daniel Schwerd [PIRATEN]: Spekulation!)
Deswegen habe ich auch gesagt: Wir werden hierzu keine generelle Vorgabe machen, dass das von den jeweiligen Gebietskörperschaften umzusetzen ist. – Ich wollte auch betonen, dass hier eine Abwägung vorzunehmen ist.
Unabhängig von der Frage, inwieweit eine solche Regelung in die Gemeindeordnung aufzunehmen ist, haben wir parallel noch das Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen. Dieses Datenschutzgesetz schließt das erst einmal aus. Insofern werden wir gerne Ihr Anliegen aufgreifen, diese Frage im Rahmen einer Anhörung zu diskutieren. Der Weg, den Sie hier gehen wollen, ist aber der verkehrte. Wir müssten erst einmal die entsprechenden Veränderungen im Datenschutzgesetz herbeiführen, bevor wir in der Gemeindeordnung eine solche Korrektur vornehmen könnten.
Es ist auch interessant, bei einer solchen Anhörung zu hören, wie das von den Beteiligten vor Ort diskutiert wird: einerseits der redegewandte, polarisierende Mensch, andererseits der etwas zurückhaltendere, möglicherweise auch gehemmte Mensch, der sich dann nicht mehr traut, seine Argumente vorzutragen. Das ist eine spannende Angelegenheit. Darauf freuen wir uns. Insofern werden wir Ihrem Antrag auf Überweisung in den Fachausschuss zustimmen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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