Schulden abbauen – finanzielle Handlungsspielräume sichern! Die neue Bundesregierung muss sich zu einem Altschuldenfonds für Länder und Kommunen bekennen.

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Zum 31.12.2012 waren die Kernhaushalte der Länder und Stadtstaaten mit rund 538,4 Mrd. Euro, ihre Extrahaushalte mit rund 70,6 Mrd. Euro verschuldet. Die Verschuldung der Gemeinden und Gemeindeverbände belief sich auf rund 133,6 Mrd. Euro (einschl. Zweckverbände und andere Extrahaushalte). Die jährlichen Zinsaufwendungen von Ländern und Kommunen belaufen sich auf mehr als 22,5 Mrd. Euro. Die Zinsänderungsrisiken sind insbesondere für die hoch verschuldeten Ländern und Kommunen eine gewaltige Hypothek auf die Zukunft und gefährden die notwendigen Zukunftsinvestitionen.
Nordrhein-Westfalen muss sich deshalb deutlich zum Problem der Altschulden der Länder und Kommunen positionieren. Eine Lösung des Problems der Altschulden ist – insbesondere unter den Bedingungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse – für (fast) alle Länder und Kommunen eine zentrale politische Frage, für viele von ihnen sogar eine Existenzfrage. Es besteht hiermit die Möglichkeit, zwei überzeugende politische Botschaften, die üblicherweise in einem Spannungsverhältnis zueinander gesehen werden („Schuldenabbau“ versus „Investitionen in die Zukunft“), miteinander zu verbinden.
Im Zusammenhang mit der Diskussion um den europäischen Fiskalpakt gerät auch das Problem der Altschulden der Bundesländer verstärkt in den Blick. Die Länder werden sich im Zuge der abschließenden Umsetzung der Schuldenbremse ab 2020 nicht mehr neu verschulden. Gleichzeitig laufen der Solidarpakt II und damit die Begründung für den Solidaritätszuschlag 2019 aus. Zudem zahlen die Bundesländer derzeit für ihre Anleihen deutlich höhere Zinsen als der Bund.

Der Landtag bekräftigt:

1. Erforderlich sind neue Konzepte für den Haftungsverbund von Bund und Ländern. Die Länder sollen ab 2020 verbindlich mit der Tilgung der Altschulden beginnen. Dazu werden die Altschulden der Länder in der Hand des Bundes zusammengeführt. Unter Beteiligung des Stabilitätsrates wird für jedes Land ein klarer und verbindlicher Zahlungsplan entwickelt. Die Altschulden sollen in einem angemessenen Zeitraum abgebaut und getilgt werden.
2. Der Bund übernimmt im Gegenzug ab 2020 die Zinszahlungen für diese Altschulden der Länder. Zur Finanzierung der Zinslasten durch den Bund erhebt dieser ab 2020 eine Ergänzungsabgabe im Volumen des bisherigen Solidaritätszuschlags. Kurzfristig werden ab 2014 „Deutschland-Anleihen“ aufgelegt, um Bund und Ländern einen gemeinsamen Zugang zum Kapitalmarkt mit optimalen Zinskonditionen zu eröffnen.“
3. Je nach konkreter Ausgestaltung des Modells würden die Länder nach den vorgelegten Modellrechnungen um 10-15 Mrd. Euro p.a. entlastet, bei gleichzeitigem Einstieg in die schrittweise Tilgung ihrer Altschulden. Alle Länder würden profitieren, wobei allerdings je Einwohner gerechnet die besonders hoch verschuldeten Länder in besonderem Maße entlastet würden.
4. Aus Gründen der Gleichbehandlung (von Flächenländern und Stadtstaaten) und der politischen Durchsetzbarkeit sind die Kommunen angesichts ihrer Verschuldungssituation (etwa ein Viertel der Altschulden der Länder) bei einer Altschuldenregelung einzubeziehen.
5. Die Installation eines Altschuldenfonds ist spätestens zum Jahr 2020 vorzunehmen, da ab 2020 die Schuldenbremse ihre volle Wirkung entfaltet und bis zu diesem Zeitpunkt die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu geregelt sein müssen.
6. Als alternatives Ziel ist das Modell eines ab sofort schrittweise aufwachsenden Altschuldenfonds zu verfolgen. Hiernach werden vom zu bildenden Fonds ab 2015 jedes Jahr so viele Schulden neu übernommen, wie sich aus den jährlich frei werdenden Mitteln des Solidarpakts II (mindestens rund 700 Mio. Euro p.a. im Zeitraum 2015-19) finanzieren lassen. Bei einem Zinssatz für 30jährige Bundesanliehen von derzeit bei 2,5%, lassen sich mit 700 Mio. Euro p.a. die Zinsen für 28  Mrd. Euro Schulden bezahlen. Damit können in den nächsten fünf Jahren allein durch Nutzung der frei werdenden Mittel des Solidarpakts II knapp 140 Mrd. Euro an Altschulden zu Gunsten der einzelnen Länder und Kommunen übernommen werden. Im Gegenzug zu der Entlastung bei den Zinszahlungen ist durch einzelnen Länder und Kommunen sicherzustellen, dass ab 2014 ihre Altschulden mit mindestens 1% p.a. getilgt werden. In der Konsequenz erfahren die Länder und Kommunen ab 2014 eine unmittelbar wirksame Haushaltsentlastung in Höhe der Differenz zwischen dem Tilgungssatz von 1% und dem Zinssatz, der jetzt von den Beteiligten zu zahlen ist.

Der Landtag beschließt:

Der Altschuldenfonds ist eine zwingend notwendige Ergänzung zur Schuldenbremse. Er schafft Handlungsspielräume für dringend notwendige Investitionen in Bildung und Infrastruktur und sollte unbedingt Eingang in das Regierungsprogramm der neuen Bundesregierung finden.
Die Landesregierung wird beauftragt, sich auf Grundlage der vorstehend beschriebenen Position dafür einzusetzen, dass die Forderung nach einem Altschuldenfonds für Länder und Kommunen in Berlin Berücksichtigung finden.