Manuela Grochowiak-Schmieding: „Ohne die Schulsozialarbeit wäre die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabegesetz nicht möglich.“

Antrag der Piraten zur Schulsozialarbeit

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Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Post, ich erkläre Ihnen das gerne. Dabei gehe ich auch gerne noch ein wenig auf die Einzelheiten ein.
Am 9. Februar 2010 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Vorschriften des SGB II und die Regelleistungen, die Erwachsene und Kinder betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 20 des Grundgesetzes erfüllen.
Die damalige, schwarz-gelbe Bundesregierung wurde verpflichtet, ein Verfahren zur realitäts- und bedarfsgerechten Ermittlung der zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen durchzuführen und dies im Gesetz als Leistungsanspruch zu verankern. Ausdrücklich haben die obersten Richter darauf verwiesen, dass diese Leistungen die physische Existenz, aber auch ein Mindestmaß an Teilhabe am kulturellen und sozialpolitischen Leben sicherstellen müssen. Daraufhin wurde das Bildungs- und Teilhabegesetz kreiert.
Außer den Mitgliedern der damaligen Bundesregierung war allen Beteiligten eigentlich klar, dass damit ein bürokratisches Monstrum geschaffen worden war. Jetzt kommen wir zu dem Problem, das Herr Post eben angesprochen hat. Es war nicht geeignet, die Betroffenen, nämlich Kinder und Jugendliche in prekären Verhältnissen, zielgerecht ohne Weiteres zu erreichen. Es bedurfte somit einer Hilfestellung, eines Werkzeugs, das diese Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets vermittelt.
(Norbert Post [CDU]: Das haben wir bis heute nicht!)
– Doch, das haben wir, Herr Post. Ich erkläre es Ihnen. Hören Sie zu!
Auf Druck der rot-grün geführten Bundesländer wurde dann nämlich die sogenannte bundesfinanzierte Schulsozialarbeit etabliert, jedoch leider nicht als Bestandteil des Bildungs- und Teilhabepakets, sondern separat und mit einem zusätzlichen, zweiprozentigen Aufschlag auf die KdU, die Kosten der Unterkunft; und das auch noch zeitlich befristet.
Wir alle kennen den Verlauf. Die Kommunen haben die Mittel aus dem BuT und der bundesfinanzierten Schulsozialarbeit nicht in voller Höhe für die vorgesehenen Ausgaben verausgabt. Das konnten sie auch nicht. Denn wenn ein Gesetz Anfang 2011 in Kraft tritt, braucht es in der Tat eine gewisse Vorlaufzeit, bis so etwas organisiert ist, insbesondere wenn es bürokratische Hürden gibt. Diese nicht verausgabten Mittel können nun in 2014 tatsächlich für diese zuarbeitende Sozialaufgabe genutzt werden. Wie den Berichten des MAIS zu entnehmen ist, nehmen alle Kommunen in NRW diese Möglichkeit wahr.
Nun geht es aber darum, die Weiterfinanzierung durch den Bund zu fordern und zu sichern. Denn, meine Damen und Herren, es reicht nicht, ein Gesetz einfach nur auf Papier zu schreiben; dieses Gesetz muss auch vermittelt werden. Insbesondere ein Gesetz wie das BuT, bei dem einzelne Maßnahmen unter Umständen immer wieder aufs Neue beantragt werden müssen, muss den betroffenen Kindern und Jugendlichen nahegebracht werden. Dabei brauchen sie Unterstützung. Für sie ist sowohl wichtig, dass sie ihre Rechte kennen, als auch, dass sie diese einfordern.
Und genau an dieser Stelle greift die sogenannte bundesfinanzierte Schulsozialarbeit. Ohne diese auf die Betroffenen zugehende Sozialarbeit wäre die Umsetzung des BuT gar nicht möglich. Die Arbeit ist vielfältig. Sie besteht aus aufsuchender Elternarbeit, Motivation zur Inanspruchnahme von Leistungen, Planung präventiver Angebote und Zusammenarbeit mit verschiedenen Trägern, unter anderem der offenen Kinder- und Jugendarbeit, um nur einige zu nennen.
Das Bundesministerium stellt auf seiner Homepage – das kann man nachlesen – selbst fest, dass bedürftige Kinder und Jugendliche einen Rechtsanspruch auf das Mitmachen haben. Dazu werden auch Beispiele genannt. Weiter heißt es dort: „Die Kreise oder kreisfreien Städte … nennen diesen Familien den richtigen Ansprechpartner“. – Das tun sie in der Tat. Dabei handelt es sich nämlich um die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, von denen hier die ganze Zeit die Rede ist.
(Oskar Burkert [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
Aber dafür zu sorgen, dass die Leistung eines Bundes auch sachgerecht umgesetzt werden kann, ist, mit Verlaub, mitnichten Aufgabe der Länder. Das ist und bleibt Aufgabe des Bundes.
(Zuruf von Norbert Post [CDU])
Solange wir auf Bundesebene das BuT nur haben – „nur“ in Anführungsstrichen –, um armen Kindern und Jugendlichen ein Minimum an soziokultureller Teilhabe zu sichern, muss dieses Gesetz weiterentwickelt werden. Auch diese Aufgabe hat der Gesetzgeber damals ganz klar an den Bund weitergegeben.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, entschuldigen Sie. Würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Burkert zulassen?
Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Die letzten zehn Sekunden laufen. Gerne.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Gerne. – Herr Burkert, Sie haben das Wort.
Oskar Burkert (CDU): Frau Kollegin, welche Aufgaben haben denn die Kommunen bzw. das Land in diesem Paket? Der Bund darf ja gegenüber den Kommunen überhaupt nicht durchgreifen.
Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Die Kommunen haben ihre Aufgaben wahrgenommen. Das erkennt man daran, dass die Schulsozialarbeit in vielen Fällen eingesetzt wurde, aber leider nicht in dem Maße, in dem die zur Verfügung stehenden Bundesmittel es zugelassen hätten. Das habe ich auch immer als Fehler bedauert.
Jetzt geht es aber darum, genau diese Arbeit aufrechterhalten zu können. Und es ist und bleibt einfach Aufgabe des Bundes, diese Arbeit weiter zu finanzieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Deshalb fordern wir auch, die Schulsozialarbeit im Sinne des Bildungs- und Teilhabepakets in das SGB II aufzunehmen und damit die Finanzierung dieser wichtigen Unterstützung auch weiter zu sichern.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir fordern natürlich auch die Landesregierung auf, sich bei der Bundesregierung für dieses Ziel einzusetzen. Wir wissen sie an unserer Seite. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ich denke, es ist auch an der Zeit, dass Sie sich ganz einfach der Realität stellen. Die Realität zeigt, dass diese Schulsozialarbeit im Sinne des Bildungs- und Teilhabepakets keine Förderung der Schulinfrastruktur ist – in dieser Hinsicht kann ich Ihnen recht geben, Herr Post; das haben Sie eben richtig ausgeführt –, sondern sie ist Teil einer präventiven Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Sozialpolitik. Und in dieser Konstruktion ist und bleibt sie Aufgabe des Bundes.
Ich möchte Sie herzlich ermuntern, unserem Antrag nach den weiteren Beratungen zuzustimmen. Lassen Sie uns dann ein gemeinsames und starkes Signal nach Berlin senden. – Recht schönen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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