Arif Ünal: „Wir sind uns alle einig, dass so etwas in Deutschland nie wieder passieren darf. Lassen Sie uns dem Hass keine Chance geben.“

Gemeinsamer Antrag zum Gedenken an die Opfer des Nagelbombenattentats in der Keupstraße in Köln

Arif Ünal (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte auch ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen sehr herzlich bedanken, dass sie in kürzester Zeit einen gemeinsamen Antrag formuliert haben. Das ist ein Signal nach außen, dass alle demokratischen Parteien geschlossen gegen jegliche Form von menschenfeindlichen Bestrebungen vorgehen, und gleichzeitig ein Signal nach innen, dass man sich verpflichtet, bei der politischen Arbeit klare Positionen zu beziehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kolleginnen haben dargestellt, was am 9. Juni 2004 passiert ist. Ich möchte meine Rede etwas kürzer fassen, weil nicht genügend Redezeit zur Verfügung steht.
Die Ermittlungen nach dem Attentat richteten sich tatsächlich in aller Konsequenz gegen die betroffenen Menschen in und um die Keupstraße herum.
Die Sicherheitsbehörden vermuteten innertürkische Konflikte. Aus Opfern wurden Täter gemacht. Aufgrund der erdrückenden Kriminalisierung seitens Politik, Polizei, Sicherheitsbehörden, Medien und der breiten Öffentlichkeit waren die Betroffenen kaum in der Lage, ihre schweren gesundheitlichen und seelischen Belastungen aufzuarbeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Rahmen meiner jahrelangen Tätigkeit als Psychotherapeut habe ich mit den Betroffenen ziemlich lange zusammengearbeitet. Mit Ihrer Erlaubnis würde ich Ihnen gerne exemplarisch die Erlebnisse eines Betroffenen schildern. Hinter der Zahl 22 verstecken sich nämlich Menschenschicksale.
Ein Patient erklärte mir in der Behandlung, dass er seit vier Jahren unruhig schlafe, extrem schreckhaft und aggressiv geworden sei, bei jedem Knall alles wie ein Film vor seinen Augen ablaufe, sein Grundvertrauen in Deutschland, die Politik und die Sicherheitsbehörden verloren habe, dass dieses nachhaltig zerstört sei.
Weiterhin erklärte er, dass die ständigen Verdächtigungen durch die Ermittlungsbehörden schlimmer waren als die Detonation der Nagelbombe selbst. Er fühlte sich nicht mehr wohl in seiner Haut und vermied jeglichen Kontakt mit der Außerwelt. Um den fragenden Blicken der Umwelt zu entkommen, vermied er es, seine Wohnung zu verlassen.
Die Betroffenen haben die Vorstellung, dass alle Menschen sie verdächtigen; jeder Blick und jede Miene wird hinterfragt und negativ auf sich selbst bezogen. Das belastet und quält die Seele der Menschen. Die Wunden sind leider immer noch nicht verheilt.
Nach sieben Jahren wurde zufällig entdeckt, dass dieser heimtückische Anschlag der rechtsextremistischen Terrorgruppe NSU zugeordnet werden konnte.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang haben wir uns 2011 in der Landesregierung natürlich Gedanken gemacht und sehr viele Maßnahmen ergriffen. Herr Minister Schneider wird darauf wahrscheinlich noch eingehen.
Mit der aktiven Arbeit der Landesregierung allein ist es allerdings nicht getan. Auch die Bundesebene muss in enger Abstimmung mit den Ländern strukturelle Veränderungen herbeiführen, die Sicherheits- und Ermittlungsbehörden interkulturell öffnen und die interkulturellen Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch ständige Fort- und Weiterbildung in den Einrichtungen verbessern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Stadtrat in Köln hat am 11. Februar 2014 auf Antrag des Integrationsrates hin entschieden, an einer prominenten Stelle in Köln ein Mahnmal zu errichten. Dieses Mahnmal soll nicht nur den Opfern des Anschlages in der Keupstraße, sondern auch denen des Anschlags in der Probsteigasse im Jahr 2001 gewidmet werden. Das Vorgehen soll gemeinsam mit den Betroffenen, ihren Angehörigen sowie mit der Interessengemeinschaft Keupstraße abgestimmt werden. Dafür setzen sich sehr viele gesellschaftliche Gruppen wie EL-DE-Haus, DGB oder die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e. V. seit Jahren ein. Die Errichtung eines Mahnmals begrüßen wir sehr.
Am 9. Juni, dem zehnten Jahrestag des Anschlags, wird nach dem Motto „Arsch huh, Zäng ussenander“ mit allen Beteiligten eine große Solidaritätsfestveranstaltung stattfinden, zu deren aktiver Beteiligung ich Sie aufrufe.
Außerdem haben wir im Integrationsausschuss gemeinsam beschlossen, dass wir am 9. Juni eine auswärtige Sitzung vor Ort durchführen, zu der auch die IG Keupstraße eingeladen wird.
(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, konsequent gegen Rassismus und Rechtsextremismus vorzugehen. Wir sind uns alle einig, dass so etwas in Deutschland nie wieder passieren darf. Lassen Sie uns dem Hass keine Chance geben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Allgemeiner Beifall)

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