Rolf Beu (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man den vierseitigen Antrag der Piratenfraktion liest und versucht, das Wesentliche zusammenzufassen, dann kommt man zu folgenden vier Punkten:
Erstens. Das derzeitige Sozialticketmodell ist oft zu teuer.
Zweitens. Viele Bezugsberechtigte werden nicht erreicht.
Drittens. Viele Menschen sind nicht bezugsberechtigt.
Viertens. Es soll ein einheitliches landesweites Ticket eingeführt werden.
Ich glaube, diese vier Punkte sind im Ergebnis tatsächlich falsch, und sie widersprechen auch der Systematik des aktuellen ÖPNV-Gesetzes NRW.
Das NRW-System sieht eine Aufgabenträgerschaft der Kommunen, organisiert in Zweckverbänden, vor, welche durch das Land bezuschusst werden. Ein Landessozialticket wäre mit dieser Gesetzgebung nicht konform.
(Beifall von Jochen Ott [SPD])
Sie müsste geändert werden, was ja möglich ist. Solange wir aber die grundsätzliche Linie verfolgen, dass die Kommunen bzw. die Regionen vor Ort über ihr ÖPNV-Angebot zu entscheiden und die entsprechenden Regeln zu setzen haben, wird man ein landesweites Gesetz – ein landesweites Ticket würde ein solches voraussetzen – unter Umständen gar nicht sehen wollen.
Man sollte deshalb Abstand davon nehmen, die Aufgaben der Zweckverbände und der kommunalen Familie zu begrenzen. Das gilt vor allem vor dem Hintergrund der Forderung der Piraten, den Kreis der Anspruchsberechtigten deutlich zu erweitern; denn diese Möglichkeit haben die Aufgabenträger bereits heute.
Im Allgemeinen ist die Frage nach der Attraktivität des Sozialtickets eine Frage, welche sich die Kommunen zu stellen haben. Das Land stellt die Mittel zur Verfügung. Ob sie etwas machen und was, ist dann Sache der kommunalen Familie.
Ergänzend dazu muss man wissen, dass sowohl der VRR als auch der VRS bereits heute auch für Wohngeldempfänger und Geringverdiener, also über die in den Richtlinien genannten Gruppen hinaus, eine Sozialticketberechtigung anerkennen; und es gibt Kommunen, die den Kreis der Anspruchsberechtigten auch noch darüber hinaus vergrößert haben. Diese Möglichkeit ist in den Richtlinien ausdrücklich vorgesehen und führt zu einer beträchtlichen Erweiterung des Berechtigtenkreises.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Ott zulassen?
Rolf Beu (GRÜNE): Ja, gerne.
Jochen Ott (SPD): Vielen Dank. – Herr Kollege Beu, vielleicht könnten Sie dem Kollegen Moritz vor dem Hintergrund des gerade Gesagten, dass es nämlich Kommunen gibt, die den Anspruchskreis beträchtlich erweitert haben, zum Beispiel Bonn und Köln, wo auch die Geringverdiener mit einem Sozialticket unterstützt werden, noch einmal erklären, warum ein Sozialticket an der Stelle überhaupt sinnvoll ist, weil er ja grundsätzlich sagt, dass das überhaupt nicht nötig sei, weil die Menschen das auch so finanzieren können. Aus irgendeinem Grund müssen beispielsweise Bonn und Köln eine solche Regelung ja eingeführt haben.
Rolf Beu (GRÜNE): Es scheint wohl tatsächlich so zu sein, dass es im Land unterschiedliche Wertungen gibt. Wir haben eben bei dem CDU-Redebeitrag gehört, dass es praktisch ein Thema in der Fläche ist. Aber es ist natürlich nicht nur ein Thema in der Fläche, sondern auch in allen Kommunen. Es zeigt sich, dass gerade da, wo es zusätzliche Leistungen der Kommunen noch gibt – Herr Kollege Ott hat gerade zwei Kommunen benannt –, die Nachfrage höher ist und dass natürlich die Leute, die dieses Ticket noch nutzen, es nutzen können und nutzen wollen, im Prinzip auch damit zufrieden sind, dass es angeboten wird.
Am Ende aller Tage – das vermisse ich in dem Piratenantrag insgesamt – lautet die Frage natürlich: Wer ist eigentlich dafür zuständig? Es fehlt der Hinweis darauf, dass der Bund dafür zuständig ist, die Mobilitätskosten über ausreichende Regelsätze abzubilden. Bereits mit dem heutigen Zuschuss zum Sozialticket finanziert das Land eigentlich eine Aufgabe des Bundes. Das muss nun wirklich gesagt werden: Wir stellen den Kommunen Gelder zur Verfügung; eigentlich ist es aber eine Bundesaufgabe.
Trotzdem wollen wir – die Kollegin der SPD-Fraktion hat bereits darauf hingewiesen – natürlich auch evaluieren, das heißt, die Erfahrungen mit dem jetzigen Sozialticket tatsächlich realisieren, wobei natürlich auch klar ist, dass ein landesweit flächendeckendes Sozialticket eigentlich erst zum 1. Januar 2013 eingeführt wurde. Wir sind jetzt am Anfang des Jahres 2014. Alle Erfahrungen zeigen, dass man mindestens zwei Jahre abwarten muss, um über die erforderlichen Erfahrungswerte zu verfügen. Dem werden wir uns natürlich stellen und sind dann auch gespannt auf die entsprechenden Vorlagen, die wir seitens des Ministeriums bekommen werden.
Wie gesagt, das Sozialticket ist ein richtiges Angebot. Wir stehen zu diesem Angebot. Anscheinend ist das zumindest bei der Fraktion der CDU nicht der Fall. Wir werden es nach wie vor im Rahmen des Haushalts weiter zur Verfügung stellen.
Politik – dies an die Adresse der Piraten – ist auch eine Kunst des Machbaren. Das heißt, alles zu fordern, ohne zu wissen, woher es finanziert werden kann, geht ebenso wenig, wie es im Übrigen eigentlich, wie bereits gesagt, eine ureigene Aufgabe des Bundes im Rahmen der Festlegung der Regelsätze ist. – Vielen Dank.
(Beifall von der SPD)