Martina Maaßen: „Die derzeitigen Rahmenbedingungen für freiberufliche Hebammen kommen einem Berufsverbot gleich. Wir brauchen jetzt schnell eine Lösung.“

Antrag von SPD und GRÜNEN zu Arbeit der Hebammen sichern

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Martina Maaßen (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden hier über das Überleben des Berufsstandes der Hebammen und Geburtshelfer, und wir reden hier über die Wahlfreiheit der werdenden Mütter und Eltern beim existenziellsten Ereignis ihres Lebens, nämlich bei der Geburt ihres Kindes.
Die Haftpflichtversicherungsprämien für Hebammen – wir haben es eben schon gehört – haben sich in den letzten zehn Jahren vervielfacht. Seit 2003 stiegen die Beiträge, die vor allem freiberufliche Hebammen für ihre Haftpflichtversicherung zahlen müssen, von 500 auf 5.000 € jährlich. Zudem wollen in diesem Jahr und perspektivisch im nächsten Jahr auch noch die letzten verbleibenden Versicherungsanbieter abspringen.
Ebenso muss man in diesem Zusammenhang die Vergütungsfrage stellen. Die Hebammen konnten ihre hohen Versicherungsprämien nicht zuletzt auch deshalb nicht zahlen, weil sie schlecht vergütet werden. 280 € für eine Geburtsbegleitung, die oft Stunden dauern kann, ist wahrlich nicht viel.
Aber es geht uns nicht nur um den Beruf der Hebammen; es geht auch um die Wahlfreiheit der Eltern. Sie ist ein hohes Gut. Zu den Alternativen gehören die Hausgeburt, die Geburt im Geburtshaus und die Geburt in der Klinik. Von daher ist es etwas zu billig, wenn Frau Scharrenbach von der CDU im Ausschuss behauptet, Herr Gröhe beschäftige sich schon sehr lange mit dem Thema. Richtig ist, dass es das Problem schon lange gibt, und richtig ist, dass lange nichts passiert ist.
(Beifall von den GRÜNEN)
In der letzten Legislaturperiode hätten CDU und FDP schon längst tätig werden können. Sie haben das Problem ausgesessen. Rot-Grün nun im Ausschuss Effekthascherei vorzuwerfen ist zutiefst unredlich. Die existenzgefährdende Situation der Hebammen und der drohende Verlust der Wahlfreiheit der entbindenden Frauen sind absolut keine Themen für parteipolitisches Gezänk. Hier ist parteiübergreifende Solidarität angesagt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Schon jetzt steigen immer mehr Hebammen aus der Geburtshilfe aus; immer mehr Geburtshäuser schließen. Meine Damen und Herren, die derzeitigen Rahmenbedingungen für freiberufliche Hebammen kommen einem Berufsverbot gleich. Wir brauchen jetzt schnell eine Lösung.
Zum einen muss kurzfristig gehandelt werden. Die Krankenkassen und die Berufshaftpflichtversicherungen müssen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen und den Beruf der Hebammen kurzfristig finanziell absichern. Die gesetzlichen Krankenkassen müssen mit den Hebammenverbänden in Vergütungsverhandlungen eintreten. Freiberufliche Hebammen müssen in der Lage sein, von ihren Honoraren die Haftpflichtprämien zu bezahlen. Die privaten Versicherungsunternehmen müssen auch weiterhin Haftpflichtversicherungen anbieten, und hierbei muss letztendlich unser Bundesgesundheitsminister seinen Einfluss geltend machen und auf die Akteure einwirken.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Zum anderen brauchen wir aber auch mittelfristige Lösungen. Wir können nicht nur im System Lösungen verändern. Im Kern gibt es hierzu zwei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist ein Haftungsfonds: Die Versicherungsunternehmen kommen nur noch bis zu einer festgelegten Obergrenze für Schäden auf; darüber hinaus übernimmt dann der Haftungsfonds die Kosten. Die zweite Möglichkeit ist eine Regressbeschränkung: Man begrenzt die Summen, die sich die Sozialleistungsträger im Schadensfall von den Versicherungsunternehmen zurückholen können.
Beide Modelle sind nicht perfekt; das wissen wir. Aber wir brauchen Zeit, um eine grundlegende Reform umzusetzen. Wir als Grüne sagen, dass wir eine Berufshaftpflicht für alle Gesundheitsberufe brauchen. Die Prinzipien der gesetzlichen Unfallversicherung könnten hierfür ein Vorbild sein.
Lassen Sie mich zum Schluss einen Dank an die Hebammen aussprechen, die unermüdlich auf ihre Situation hinweisen und bisher doch in großer Menge durchhalten. Ihr Berufsstand, meine Damen und Herren, ist für unsere Gesellschaft unersetzlich.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Den Antrag der Piraten lehnen wir ab, denn er hat sich erledigt. Den Antrag der CDU lehnen wir ab, weil er nicht zukunftsweisend ist, sondern eher Veränderungen nur im System befürwortet. Im Weiteren wäre es, liebe FDP, gut gewesen, Sie hätten Ihren Antrag ebenfalls zur direkten Abstimmung gestellt; damit deutlich wird: Es ist ein klares und eindeutiges Signal nötig. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Man kann es nie richtig machen!)