Wahlfreiheit für die Geburt gewährleisten – Arbeit der Hebammen sichern

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

I. Ausgangslage

Hebammen und Entbindungspfleger begleiten schwangere Frauen vor, während und nach der Geburt und leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung junger Familien. Die Lage freiberuflicher Hebammen wird jedoch immer schwieriger, da in den vergangenen Jahren die Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung stetig gestiegen sind. Laut einer 2012 für das Bundesministerium für Gesundheit erstellten Studie des IGES-Institutes Berlin hat sich der Beitrag von 2.370 Euro (2009) auf 4.243 Euro (2012) erhöht. Für den 1. Juli 2014 ist eine Erhöhung auf ca. 5.091 Euro angekündigt.
Die exorbitante Steigerung der Haftpflichtprämien für freiberufliche Hebammen und Entbindungspfleger geht nicht darauf zurück, dass es immer mehr Schadensfälle gibt. Die Zahl der Schadensfälle ist in den letzten Jahren weitgehend gleich geblieben. Im Mittel kommt es zu rd. 40 Schäden bei 1.000 Hebammen/Geburtshelfern, davon weisen rd. 71% einen Aufwand von weniger als 1.000 Euro pro Schadensfall auf. Doch die großen Schadensfälle werden zunehmend teurer. Die o.g. Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die teuersten 1,5% der Schäden (über 1 Mio. Euro) nahezu die Hälfte des Gesamtkostenaufwands verursachen.
Als Gründe für die steigenden Schadensaufwendungen werden u.a. genannt erhöhte Schmerzensgeldaufwendungen, gestiegene Therapie- und Pflegekosten aufgrund der längeren Lebenserwartung von Schwerstgeschädigten, bedingt durch den medizinischen Fortschritt, sowie Kompensationszahlungen für den zukünftigen Verdienstausfall von geschädigten Kindern mitverursacht. Die Sozialversicherungsträger nehmen die Hebammen/Geburtshelfer bzw. deren Versicherungen für erbrachte Leistungen zunehmend erfolgreich in Regress und auch Eltern machen von ihrem Klagerecht Gebrauch.
Vor kurzem wurde bekannt, dass ein weiteres großes Versicherungsunternehmen aus den Gruppenverträgen für freiberufliche Hebammen, die im Deutschen Hebammenverband e.V. (DHV) oder im Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands e.V. (BfHD) organisiert sind, aussteigen will. Da sich bisher kein anderes Versicherungsunternehmen gefunden hat, die Anteile des bisherigen Versicherers zu übernehmen, wird der Versicherungsmarkt für freiberufliche Hebammen kleiner. Damit werden voraussichtlich die Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung weiter steigen.
Unter diesen Voraussetzungen ist die berufliche Existenz der freiberuflichen Hebammen und damit die Begleitung junger Familien gefährdet. Dadurch wird die Wahlfreiheit von werdenden Eltern, insbesondere der Mütter, wo und wie sie ihr Kind gebären möchten, auf unzumutbare Weise eingeschränkt.
Um die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Geburtshilfe zu gewährleisten, wurde unter Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit eine interministerielle Arbeitsgruppe gegründet, die Fragen der Hebammenversorgung diskutieren und Lösungsansätze identifizieren soll.

II. Entschließung des Bundesrates

Das Bundesratsplenum hat sich am 14. März 2014 mit der Situation der Haftpflichtproblematik bei den Hebammen befasst. Der Bundesrat hat beschlossen, die „Bundesregierung zu bitten:
zu prüfen, inwieweit der Spitzenverband Bund der Krankenkassen nach § 134a SGB V bei der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der freiberuflich tätigen Hebammen die Kostensteigerungen, die die Berufsausübung betreffen, beachtet hat;

  1. auf den Spitzenverband Bund der Krankenkassen dahingehend einzuwirken, dass kurzfristig eine angemessene Vergütung der Tätigkeit der freiberuflich tätigen Hebammen in der Geburtshilfe erreicht und damit die Versorgung flächendeckend gesichert wird. Dabei sollte mit einer auch aus Gründen der Patientinnensicherheit sinnvollen Mindestzahl von Geburten die jährliche Berufshaftpflicht für die Geburtshilfe zu erwirtschaften sein;
  2. umgehend über Lösungsansätze der interministeriellen Arbeitsgruppe zu informieren und für eine zügige Umsetzung einer geeigneten Lösung unter Beteiligung der Länder zu sorgen;
  3. dabei ist auch zu prüfen, ob die Absicherung des Haftungsrisikos in der Geburtshilfe
  • durch die Schaffung einer erweiterten Trägerhaftung
  • oder durch die Schaffung eines steuerfinanzierten Haftungsfonds für über fallbezogene Haftungshöchstgrenzen hinausgehende Schäden erreicht werden kann“.

Nordrhein-Westfalen ist dem Antrag beigetreten mit dem Hinweis, dass im Fall der Einrichtung eines steuerfinanzierten Haftungsfonds die Finanzierungsverantwortung beim Bund liegt.

III. Der Landtag stellt fest:

Angesichts der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung einer flächendeckenden Versorgung in der Geburtshilfe bedarf es einer dringenden Lösung, mit der eine weitere Erosion der Geburtshilfe verhindert werden kann.
Es muss unverzüglich dafür Sorge getragen werden, dass die Kostensteigerungen durch die gestiegenen Haftpflichtpräminen in der Vergütung der Geburtshilfe abgebildet werden.
Es müssen darüber hinaus tragfähige Lösungsansätze zur Reduzierung der Haftpflichtprämien gefunden werden.
Der in NRW eingesetzte Runde Tisch ist zu begrüßen. Neben den Vergütungs- und Versicherungsfragen beschäftigt er sich insbesondere mit den weiteren möglichen Einsatzfeldern von Hebammen und Entbindungspflegern, ihrer Bedeutung im Themenbereich „Frühe Hilfen“, mit der zukünftigen Gestaltung der Ausbildung und dem möglichen Beitrag der Hebammen zur Reduzierung der in den vergangenen Jahren stetig steigenden Kaiserschnittrate.
IV. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • sich gegenüber der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass die Beschlüsse des Bundesrates vom 14.03.2014 zur Absicherung der Geburtshilfesituation (siehe Pkt. II) umgesetzt werden und hierzu zeitnah ein entsprechender Gesetzentwurf durch die Bundesregierung vorgelegt wird.