Große Koalition will Finanzierung der Schulsozialarbeit beenden

Kommunalinfo

Liebe Freunde und Freundinnen,
die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, hat unserem Wunsch nach weiterer Finanzierung der Schulsozialarbeit für Kinder und Jugendliche in prekären Lebenssituationen eine Absage erteilt. In einem Brief der Fraktion hatten wir Frau Nahles im Januar gebeten, diese wichtige Aufgabe im Sinne ihrer Vorgängerin Ursula von der Leyen weiter zu finanzieren (siehe Anlage). Die Absage von Frau Nahles findet ihr ebenfalls in der angehängten Datei.
In ihrem Schreiben verweist die Ministerin darauf, dass ab dem Jahr 2014 der Bund die Kommunen finanziell durch die Erstattung der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung unterstütze. Damit würde eine jährliche Entlastung in Höhe von 400 Millionen Euro erreicht. Aus diesen Mitteln könnten die kommunalen Aufwendungen für Schulsozialarbeit eigenständig finanziert werden. Das heißt: Die Kosten sollen den Kommunen in die Schuhe geschoben werden. Damit sind wir nicht einverstanden. Die Kommunen würden nur dann entlastet, wenn ihnen Unterstützung gewährt wird, ohne ihnen gleichzeitig neue Aufgaben aufzubürden.
Die Ministerin verweist außerdem darauf, dass die Schulsozialarbeit nicht in der verfassungsrechtlichen Kompetenz des Bundes, sondern in Verantwortung der Länder für den Bildungsbereich läge. Dazu erlaube ich mir den Hinweis, dass das Bundesverfassungsgericht die Leistungen für Kinder und Jugendliche als nicht ausreichend beurteilt und gleichzeitig den verfassungsrechtlichen Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen und soziokulturellen Leben festgestellt hat. Mit Einführung des Bildungs- und Teilhabegesetzes (BuT) hat die schwarz-gelbe Bundesregierung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 reagiert, und so der Benachteiligung armer Kinder und Jugendlicher im Bildungs- und Freizeitbereich begegnen wollen. Das BVerfG hat einen zusätzlichen Bedarf vor allem bei schulpflichtigen Kindern gesehen. Es betonte in seinem Urteil, dass notwendige Aufwendungen zur Erfüllung schulischer Pflichten zum existenziellen Bedarf gehören. Ohne Deckung dieser Kosten drohe bedürftigen Kindern der Ausschluss von Lebenschancen, weil sie ohne den Erwerb der notwendigen Schulmaterialien – das Gericht nennt Schulbücher, Schulhefte, Taschenrechner – die Schule nicht erfolgreich besuchen könnten.
Auf Drängen rot-grün geführter Bundesländer wurde mit Einführung des Bildungs- und Teilhabepaketes auch die Finanzierung der Schulsozialarbeit – zunächst begrenzt bis 2013 – vereinbart. Diese Schulsozialarbeit soll dazu beitragen, die vom BVerfG geforderte angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen und soziokulturellen Leben in Kita und Schule zu ermöglichen. Bei der Schulsozialarbeit im Sinne des BuT handelt es sich also nicht um eine Förderung der Schulinfrastruktur. Vielmehr ist sie Teil einer präventiven Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Sozialpolitik.
Zu den Aufgaben gehören u.a. die Vermittlung von Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT). Dies umfasst aufsuchende Elternarbeit und die Motivation und Begleitung zur Inanspruchnahme von Leistungen aus dem BuT ebenso wie die Unterstützung im Übergang zur weiterführenden Schule bzw. im Übergang von Schule in den Beruf. Schließlich gehören auch die Planung präventiver Angebote gegen Bildungsarmut und zur Förderung der Inklusion und hier auch die Zusammenarbeit mit Trägern aus Jugendhilfe, Kultur und Sport zum Aufgabenfeld. Die zuvor bereits bestehenden Angebote an Jugend- und Schulsozialarbeit sollten gerade nicht aus diesen Bundesmitteln finanziert werden.
Mit anderen Worten: Die Schulsozialarbeit, die im Sinne des BuT geleistet wird, ist ein wichtiges Werkzeug dafür, dass die Kinder und Jugendlichen mit den Leistungsangeboten tatsächlich erreicht werden. Ohne diese auf die Betroffenen zugehende Sozialarbeit wären die sachgerechte Umsetzung des BuT und damit auch die Umsetzung des Urteils des BVerfG gefährdet. Diese Form der Schulsozialarbeit ist somit und durchaus als Bestandteil des Bundesbildungspaketes anzusehen. Außerdem darf die Intention des Bundesverfassungsgerichts nicht unterlaufen werden.
Die Antwort der Bundesministerin für Arbeit und Soziales lässt nur einen Schluss zu: Ein Projekt, das Frau von der Leyen ins Leben gerufen hat, wird von Frau Nahles beendet. Leidtragende sind die Kinder und Jugendlichen, die dringend auf Unterstützung und Hilfe angewiesen sind. Für die Kommunen in NRW bedeutet das einen Verlust von rund 100 Millionen Euro. Wir bleiben bei unserer Auffassung, dass die Bundesregierung hier in der Pflicht ist. Perspektivisch betrachtet wäre bei Weiterentwicklung des Bundes- und Teilhabegesetzes die Einbindung der BuT-bezogenen Schulsozialarbeit sinnvoll.
Eine Aufstellung der jeweils in den Kommunen verausgabten Bundesmittel für Schulsozialarbeit sowie einen Musterantrag für eine regelmäßige zeitnahe Berichterstattung findet ihr in unserer vorausgegangenen Kommunalinfo.
Mit grünsozialen Grüßen
Manuela Grochowiak-Schmieding

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