Oliver Keymis: „Die Menschen werden von 73 Cent weniger im Monat nichts haben. Sie haben aber etwas von einer breiten Meinungsvielfalt und einem qualitätsgesicherten Programmangebot.“

Antrag der FDP zu Rundfunkbeiträgen

Oliver Keymis (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Herr Marsching, ich habe einen Arbeitsauftrag an Sie. Googeln Sie doch bitte mal den Umsatz der Firma Rossmann 2012. Und? – 6,6 Milliarden € Umsatz macht die Firma. Stimmt das?
(Michele Marsching [PIRATEN]: Das lädt hier zu langsam!)
– Schade. Es ist eh die Frage, ob wir den Laptop immer aufgeklappt lassen dürfen.
(Heiterkeit – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Sie haben die ja damit quasi beantwortet!)
Ich wollte die 6,6 Milliarden € Umsatz bloß mal ins Verhältnis setzen zu den Einnahmen, die wir durch den sogenannten Rundfunkbeitrag in Deutschland erzielen. Die liegen bei etwas über 7 Milliarden €. Noch einmal im Vergleich: Rossmann macht 6,6 Milliarden Umsatz.
Ich will das nur deshalb in den Zusammenhang stellen, weil eben der Name dieser Firma fiel – gegen die wir alle nichts haben; jeder soll machen, was er will; ich könnte noch zehn andere Firmen nennen. Der Chef dieser Firma klagt jetzt gegen den Rundfunkbeitrag, weil er durch die Umstellung von der Gebühr auf den Rundfunkbeitrag, wenn ich das richtig nachvollzogen habe, Mehrkosten im Rahmen von etwa 150.000 oder 200.000 € zahlen muss. Ich erwähne das nur, weil das in etwa deutlich macht, über welche Größenordnungen wir hier reden.
Das alles sind für mich keine Kriterien, die uns dazu veranlassen sollten, zu fragen: Was machen wir mit den vermuteten, bisher prognostizierten Mehreinnahmen? Meine Fraktion und ich sind gemeinsam der Meinung, dass es vor allem darum geht, den Rundfunkbeitrag stabil zu halten. Das war die entscheidende Voraussetzung. Wenn es irgendwann in unserer Zeit möglich wäre, den Beitrag sogar zu senken – wir haben es in unserer Entschließung im Dezember 2013 so formuliert –, würden wir das auch sehr begrüßen. Vorher müssen wir aber die Evaluation abwarten. Die Auswertung der Umstellungsfolgen kennen wir frühestens ab Ende 2014. Dann wissen wir auch, wo wir in Bezug auf die eingenommenen Rundfunkbeiträge möglicherweise werden nachjustieren müssen.
Das sollten wir – Herr Schick hat es gerade schon so ähnlich formuliert – zunächst einmal abwarten. So haben wir es uns auch politisch in den Landtagen vorgenommen.
Ansonsten beteiligen sich im Moment viele Leute am Ruderwettbewerb. Wer rudert zurück, nachdem er nach vorne gestoßen ist? Das prägnanteste Beispiel für mich ist Herr Staatssekretär Beermann, der Chef der Staatskanzlei im Freistaat Sachsen. Er hat sich ganz deutlich für die Senkung ausgesprochen. Inzwischen rudert er mit großen Zügen zurück und sagt: Vorsicht; man darf alles nicht so heiß essen, wie man es vorher gekocht hat. – Das trifft auf ihn selbst auch zu. Er hat natürlich erkannt, dass man die vermuteten Mehreinnahmen möglicherweise sinnvoller für die Gesellschaft nutzt, indem man den Beitrag jetzt nicht um 73 Cent senkt.
Das ist doch Augenwischerei, Herr Nückel. Was haben die Menschen denn davon, wenn sie 73 Cent weniger im Monat ausgeben? Gleichzeitig wird am Bahnhof das Brötchen um 20 oder 40 Cent teurer. Das merkt doch keiner. Was Sie da erzählen, ist dummes Zeug. Seien Sie sicher: Die Menschen wissen, was sie am öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben. Die Leute sehen das gerne. Viele schauen sich das an. Millionen hören und sehen jeden Tag öffentlich-rechtliche Angebote. Das ist auch gut so.
(Thomas Nückel [FDP]: Millionen auch nicht!)
– Millionen tun es auch nicht. Auch sie zahlen übrigens den Beitrag, weil das eine Gemeinschaftsleistung der Menschen für unser Land ist. Das Verfassungsgericht hat uns schon sehr früh viele gute Gründe aufgeschrieben, warum das gut ist.
Die Menschen werden von den 73 Cent im Monat nichts haben. Sie haben aber etwas von einer breiten Meinungsvielfalt und einem qualitätsgesicherten Programmangebot in all den verschiedenen Farben – von ARD über das ZDF bis zu den Digitalangeboten.
Richtig ist, dass die großen öffentlich-rechtlichen Angebote sparen müssen. Sie sparen auch. Sie konzentrieren die Digitalsender. Sie weiten aber auch Angebote aus. Sie diskutieren über das Mehrangebot für die Jugend – linear und non-linear. Ich finde es gut, dass man überlegt, welche gesellschaftlichen Bedürfnisse es gibt und wie man sich ihnen anpassen kann.
Das gilt auch für die von vielen nicht geliebte Samstagabendshow. Ich kenne eine Menge Menschen, die sie gerne gucken. Das ist doch nicht schlimm. Das ist doch auch gut. Das ist doch auch qualitätsvoll gemachte Unterhaltung.
(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Doch, das ist schlimm!)
– Manchmal auch nicht. Geschmacklich können wir uns darüber streiten.
Die Breite dieses Angebots muss gesichert werden, Herr Nückel. Dafür dienen die Beiträge zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wir sind der Meinung, dass es sich dabei um ein System handelt, das sich bewährt hat. Deshalb kommt es darauf an, dass wir dieses System sichern.
Herr Nückel, die Werbefreiheit, die Sie selber in einem Ihrer Anträge auch schon angestrebt haben – Kollege Vogt hat darauf hingewiesen –, würde nach den Berechnungen der KEF 1,25 € Mehrkosten verursachen. Wenn wir die Werbung im Öffentlich-Rechtlichen abschaffen, kostet es also 1,25 € mehr.
Ich fände es völlig irre, wenn wir den Leuten das jetzt zumuten würden. Erst gehen wir nach Ihrem Vorschlag um 73 Cent herunter. In zwei Jahren gehen wir dann wieder um 66 Cent herauf. Kurz darauf erhöhen wir noch einmal um 34 Cent, weil wir dann wieder darauf kommen, dass wir … Das ist doch alles Quatsch.
Wir bleiben realistisch und bleiben bei dem, was möglich ist. Das bedeutet: Wir belassen es vorläufig bei dem Rundfunkbeitrag von 17,98 €, überprüfen in Ruhe, welche Möglichkeiten das ergibt, und konzentrieren uns dann auf Qualitätssicherung, auf Verbesserungen, auf Angebote für junge Leute und auf sukzessive Werbefreiheit. Damit bekommt der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein ähnliches Alleinstellungsmerkmal wie die BBC in England. In Zukunft ist das in der Breite der digitalen Angebote seine Chance, glaube ich. Diese Chance wollen wir gemeinsam nutzen. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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