Jutta Velte: „Die CDU stellt die Lebensleistung der Menschen mit Migrationsgeschichte infrage.“

Antrag von SPD und GRÜNEN zur Abschaffung der Optionspflicht

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Jutta Velte (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schon wieder – oder besser: immer noch – gibt es keine Mehrstaatigkeit für Menschen außerhalb der CDU – der EU.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN – Heiterkeit)
Obwohl längst überfällig, hat sie ihren Weg in den Vertrag der GroKo nicht gefunden. Gescheitert ist sie wie in den vergangenen Legislaturperioden an der CDU.
Übrig geblieben ist ein Kompromiss: die Abschaffung der Optionspflicht. Hier geborene junge Menschen, die sich bis zum 23. Lebensjahr entscheiden müssen, ob sie die deutsche oder die Staatsangehörigkeit ihrer Elternhäuser behalten wollen, werden gezwungen, eine Entscheidung gegen einen Teil ihrer Identität zu treffen.
Es ist richtig, diese Zumutung so schnell wie möglich abzuschaffen. Auch das Einfordern von Integrationsnachweisen bei Menschen, die hier aufgewachsen sind, lehnen wir ab. Als rot-grüne Regierungskoalition in Nordrhein-Westfalen wollen wir mit diesem Antrag ein Zeichen setzen. Die Bundesregierung muss schnell handeln. Denn mit jedem Jahr sind mehr junge Menschen betroffen.
Dass die CDU sich nach wie vor einem modernen Staatsbürgerschaftsrecht verweigert, hat sich auch hier im Landtag gezeigt, als sie Ihre Bundesratsinitiative zur Mehrstaatigkeit bei zwei Enthaltungen abgelehnt hat. Herr Laschet, ausgerechnet Sie als ehemaliger Integrationsminister stehen mit leeren Händen da – wieder einmal –, als Verhinderer der Mehrstaatigkeit.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Armin Laschet [CDU])
Sie und Ihre CDU stellen die Lebensleistung der Menschen mit Migrationsgeschichte infrage.
(Armin Laschet [CDU]: So ein Schwachsinn!)
Die dürfen zwar arbeiten, Steuern zahlen, investieren, ihre Kinder erziehen und hier wohnen, aber wählen dürfen sie zum Beispiel nicht, weil sie die staatsbürgerschaftlichen Rechte dazu nicht haben- und das in einem Einwanderungsland wie Deutschland. Im Vergleich mit EU-Bürgerinnen und ‑Bürgern oder Aussiedlerinnen und Aussiedlern sind sie so gesehen Einwanderinnen und Einwanderer zweiter Klasse, auch wenn sie ihr ganzes Leben in Deutschland verbracht haben.
Hätte sich die CDU bewegt, gäbe es schon seit Jahren die Mehrstaatigkeit. SPD, Grüne, Linke und auch die FDP sind dafür. Wahrscheinlich könnte ein solcher Beschluss im Bundestag einstimmig gefasst werden – als Zeichen an die vielen, die zwar Deutsche sein, aber ihre Wurzeln – für den Fall, dass sie hier geboren sind – und die Lebensleistung ihrer Eltern und Großeltern nicht verleugnen wollen.
Was im Koalitionsvertrag herausgekommen ist, ist ein löchriger und schaler Kompromiss, nicht der große Wurf, wie es uns manche glauben machen wollen. Die umstrittene Optionspflicht soll abgeschafft werden. Für die junge Generation ist das ein Gewinn, denn für die junge Generation wird Doppelstaatigkeit erlaubt, ermöglicht. Sie sind dann womöglich die ersten Doppelstaatler in ihrer Familie. Das ist schade, weil die Eltern ausgeschlossen bleiben.
(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])
Man könnte ja meinen, es ist selbstverständlich, dass Menschen, die hier geboren sind, hier auch ihre staatsbürgerschaftlichen Reche erhalten können. Aber schon hört man aus den Reihen von CDU und CSU die ersten Stimmen, die Bedingungen definieren wollen, die von „Voraussetzungen“, von „Integrationsleistung“ wie zum Beispiel guten Schulnoten sprechen.
Sehr geehrte Damen und Herren, das sind unsinnige Bedingungen, wie wir sie schon seit vielen Jahren von der Einbürgerung her kennen. Beispielsweise reicht bei einem deutschen Schulabschluss an einer deutschen Schule eine Fünf in Deutsch aus, um die Einbürgerung verweigert zu bekommen.
Solchen Bestrebungen erteilen wir eine klare Absage. Menschen, die hier geboren sind und gelebt haben, die türkische Sprache und Kultur pflegen wollen, sollen auch langfristig über ihren Ausweis dokumentieren können, dass sie unsere Kinder sind. Sie sollen ihre Rechte erhalten.
Einen weiteren wichtigen Punkt möchte ich noch aufgreifen: Was ist mit den Menschen, die ihren deutschen Pass schon abgeben mussten? Meistens wird denjenigen, die keinen Beibehaltungsantrag gestellt haben, mit dem 23. Lebensjahr der deutsche Pass automatisch entzogen, ohne dass sie sich bewusst für die eine oder andere Staatsbürgerschaft entschieden haben. Die müssen im Rahmen der Gleichbehandlung schnell und unbürokratisch auch die Möglichkeit erhalten, die denjenigen zukommen wird, die – wenn das Gesetz hoffentlich schnell, bald und vorbehaltslos verabschiedet wird – etwas machen können.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
In diesem Sinne fordern wir die Bundesregierung auf, sehr schnell und sehr gut zu handeln und vor allem die Menschen, um die es geht, nicht weiter zu diskreditieren. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

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