Optionspflicht schnell und vollständig abschaffen!

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

I. Ausgangslage Optionspflicht

CDU/CSU und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag auf Bundesebene darauf verständig, die sogenannte Optionspflicht für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern abzuschaffen. Eine weitergehende Anpassung des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts an die Wirklichkeit einer modernen Zuwanderungsgesellschaft ist wie bereits im Jahr 2000 am Widerstand von CDU und CSU gescheitert. Dies betrifft insbesondere die grundsätzliche Akzeptanz von Mehrstaatigkeit, die gerade für die erste Generation Zugewanderter eine wichtige Brücke zur Einbürgerung wäre.
Mit der Abschaffung der Optionspflicht kann aber zumindest die drängendste Ungerechtigkeit des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts beseitigt werden. Die Optionspflicht zwingt die in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern, sich spätestens bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres zwischen der deutschen Staatsangehörigkeit und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern zu entscheiden. Im Jahr 2008 wurde sie erstmals wirksam. Ab dem Jahr 2018 wird die Zahl der optionspflichtigen Jugendlichen bundesweit auf bis zu 40.000 Fälle jährlich ansteigen.

II. Optionspflicht in Nordrhein-Westfalen

Allein im Jahr 2014 erreichen in Nordrhein-Westfalen 995 Optionspflichtige das 23. Lebensjahr und verlieren damit ihre staatsbürgerlichen Rechte in Deutschland, wenn sie nicht zuvor ihre ausländische Staatsangehörigkeit aufgegeben haben. Die betroffenen jungen Menschen werden damit vor die Entscheidung gestellt zwischen ihrer Lebenswirklichkeit als Deutsche und ihrer Verbundenheit mit den familiären Wurzeln. Diese Zumutung soll mit der Abschaffung der Optionspflicht schon bald der Vergangenheit angehören.
Mit zahlreichen politischen Initiativen aus Nordrhein-Westfalen haben Landesregierung und Landtag beständig auf den wachsenden Problemdruck hingewiesen und eine umfassende Reform des Staatsangehörigkeitsrecht zugunsten erleichterter Einbürgerung und einer vorbehaltlosen Hinnahme von Mehrstaatigkeit gefordert. Unter anderem ist dies zum Ausdruck gekommen in der breit angelegten Einbürgerungsinitiative der Landesregierung sowie in dem von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Piraten getragenen Landtagsbeschluss „Staatsangehörigkeitsgesetz modernisieren: Einbürgerungen erleichtern, mehrfache Staatsbürgerschaft ermöglichen“ (Drs. 16/2616), der einer entsprechenden Bundesratsinitiative vorangegangen ist. Die nun geplante Abschaffung der Optionspflicht ist daher auch aus Sicht der Menschen in NRW zu begrüßen. Auf Dauer stellt sie aber keine Alternative zur generellen Hinnahme von Mehrstaatigkeit und dem Abbau von Einbürgerungshürden dar.

III. Akuter Handlungsbedarf auf Bundesebene

Angesichts dessen, dass jeden Tag weitere junge Menschen auch in NRW ihre deutsche Staatsangehörigkeit verlieren oder ihre ausländische Staatsangehörigkeit aufgeben müssen, ist von der Bundesregierung eine schnelle gesetzliche Neuregelung, wenigstens aber eine Sofortlösung mit aufschiebender Wirkung, zu erwarten. Eine entsprechende Initiative im Bundestag könnte in wenigen Wochen abgeschlossen werden. Ein vergleichbarer Vorstoß der Länder im Rahmen eines Bundesratsverfahrens würde deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Mit dem schwarz-roten Koalitionsvertrag ist immerhin für einen Teil der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte eine politische Einigung in der Optionsfrage erreicht worden. Diese muss nun baldmöglichst und in vollem Umfang rechtlich umgesetzt werden. Menschen, die in Deutschland geboren sind und 23 Jahre als Deutsche gelebt haben, müssen nicht beweisen, dass sie in der deutschen Gesellschaft integriert sind. Die Befreiung von der Optionspflicht vom individuellen Grad der Integration abhängig zu machen, widerspricht der Logik des Staatsangehörigkeitsrechts, schafft einen unabsehbaren Verwaltungsaufwand und setzt die betroffenen Bürgerinnen und Bürger erneut einer staatlichen Zumutung aus.
Die Einführung der Optionspflicht war von Beginn an eine rechtlich und politisch fauler Kompromiss. Die Bundesregierung ist nun in der Pflicht, die dadurch verursachten Missstände zu beseitigen. Dazu gehört auch, dass denjenigen, die ihre deutsche Staatsangehörigkeit im Zuge der Optionspflicht verloren haben, eine unbürokratische Möglichkeit zur Wiedereinbürgerung eröffnet wird. Genauso muss sichergestellt sein, dass Personen, die aufgrund der Optionspflicht ihre ausländische Staatsangehörigkeit aufgegeben oder verloren haben, ihre deutsche Staatsangehörigkeit bei Wiedererwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit behalten dürfen.

Der Landtag begrüßt

die vielfältigen Anstrengungen der Landesregierung, für ein modernes, praktikables und einbürgerungsfreundliches Staatsangehörigkeitsrechts, insbesondere für die Akzeptanz von Mehrstaatigkeit.
dass die Landesregierung intensiv auf die Möglichkeit des Beibehaltungsantrags aufmerksam macht und die kommunalen Ausländerbehörden aufgefordert hat, von ablehnenden Entscheidungen über fristgemäß gestellte Beibehaltungsanträge bis zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes abzusehen.

Der Landtag fordert die Bundesregierung auf,

die Optionspflicht schnellstmöglich und vorbehaltlos abzuschaffen sowie auf vermeintliche Integrationsnachweise zu verzichten.
die nächste gesetzgeberische Möglichkeit zu nutzen, diejenigen Regelungen des § 29 StAG außer Kraft zu setzen, die den automatischen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit mit Vollendung des 23. Lebensjahres beinhalten.
Menschen, die aufgrund der Optionspflicht ihre deutsche Staatsangehörigkeit aufgeben oder verloren haben, die Möglichkeit zu eröffnen, diese unbürokratisch und unter Hinnahme von Mehrstaatlichkeit wieder erwerben zu können.
sicherzustellen, dass diejenigen Menschen, die aufgrund der Optionspflicht ihre ausländische Staatsangehörigkeit aufgegeben oder verloren haben, ihre deutsche Staatsangehörigkeit bei Wiedererwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit behalten dürfen.