Martina Maaßen: „Die Rente mit 63 kommt fast ausschließlich älteren männlichen Facharbeitern mit lückenlosen Erwerbsbiografien zugute.“

Antrag der FDP zur Rente

Martina Maaßen (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verrate Ihnen kein Geheimnis: Wir Grünen haben eine andere Vorstellung von nachhaltiger Rentenpolitik als die Große Koalition in Berlin derzeit. Ich betone „derzeit“, weil ich davon ausgehe, dass die politische Debatte sicherlich noch Veränderungen auch in unsere Richtung bringen wird.
Wir haben ein Problem mit der Finanzierung. Wir haben ein Problem mit der Generationengerechtigkeit. Wir haben ein Problem damit, dass Frauen bei der Rente mit 63 zu kurz kommen. Und was für uns noch weit schwerer wiegt: Wir haben ein Problem damit, dass weder Mütterrente noch die Rente mit 63 Maßnahmen sind, der weiter steigenden Altersarmut etwas entgegenzusetzen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Kommen wir zur Finanzierung: Die milliardenschweren Rentenwahlgeschenke sind nicht nachhaltig finanziert. Sie belasten jährlich – Frau Warden hat das dargelegt – mit perspektivisch 10 Milliarden €. Das kann die Rentenkasse dauerhaft nicht verkraften, obwohl sie mit 31 Milliarden € derzeit gut gefüllt ist. Die Reserven der Rentenversicherung reichen gerade mal bis Ende 2017. Dann ist die Kasse leer. Abzusehen ist, dass die Beitragssätze in den Jahren darauf steil und schockartig für die Beitragszahler ansteigen werden.
Kommen wir zur Generationengerechtigkeit. Wo werden eigentlich die Bedarfe der jungen Generation berücksichtigt? Wie viel sollen sie ab 2018 in die Rentenkasse einzahlen? Wie lange sollen sie arbeiten? Wie hoch wird ihre gesetzliche Rente einmal sein? Wird es diese in 2015 überhaupt noch geben?
Antworten hierauf bleibt die Große Koalition bisher schuldig. Herr Preuß, auch Sie müssen sich gegenüber Ihren eigenen Enkeln diesbezüglich verantworten.
(Beifall von den GRÜNEN und der FDP)
Kommen wir zur Rente mit 63. Sie kommt fast ausschließlich älteren männlichen Facharbeitern mit lückenlosen Erwerbsbiografien zugute. Akademiker sind ausgeschlossen. Menschen mit zeitweisem Hartz-IV-Bezug fallen durch. Aber vor allem Frauen haben das Nachsehen. Frauen haben häufig Brüche im Erwerbsverlauf. Kindererziehungszeiten werden bei der Rente mit 63 überhaupt nicht anerkannt.
Meine Damen und Herren, Leistungsreformen sind notwendig. Wir brauchen ein Maßnahmenbündel, welches darauf zielt, dass ältere Menschen auch tatsächlich bis zur Regelaltersgrenze arbeiten können.
Wir Grünen wollen eine Teilrente ab dem 60. Lebensjahr, höhere Hinzuverdienstmöglichkeiten und eine Verbesserung der Erwerbsminderungsrente. Anstatt die Einnahmen zu schwächen, wollen wir diese stärken. Wir wollen Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Dies könnte sich die FDP auch einmal überlegen. Dann hätten wir weniger Probleme, den Rententopf zu füllen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Kommen wir zur Mütterrente. Rentenanwartschaften für Kinder sind richtig, eine Maßnahme des sozialen Ausgleichs. Aber bitte: Sie sind aus Steuermitteln zu finanzieren.
Jedoch hilft auch die Mütterrente, wie eben scheinbar dargelegt, nicht gegen Altersarmut. Sie wird auf die Grundsicherung im Alter und auf das Wohngeld vollständig angerechnet.
Für die Verbesserung der Absicherung von Frauen und Erziehenden sowie für langjährig Versicherte wollen wir Grünen die Garantierente in Höhe von 850 €.
(Beifall von den GRÜNEN)
Voraussetzung sind 30 Versicherungsjahre unter Anrechnung von Kindererziehungszeiten bis zu zehn Jahren.
Meine Damen und Herren, die armen Alten verlieren. Richtig und gut wäre es gewesen, sich auf eine Mindestrente und die Verbesserung der Erwerbsminderungsrente zu konzentrieren, anstatt Wahlgeschenke von CDU und SPD zu addieren.
Festzustellen ist, dass Menschen mit meist auskömmlichen Renten privilegiert werden. Die Mütterrente und die Rente mit 63 sind kein Programm gegen Altersarmut, Herr Preuß. Dieses Gerechtigkeitsmärchen muss ich Ihnen leider nehmen. Wer 45 Beitragsjahre nachweisen kann und die Mütterrente nicht zur Grundsicherung benötigt, muss in der Regel auch seine Lebensmittel nicht bei den Tafeln holen. Aber gerade das, meine Damen und Herren, sind doch die Lebenssituationen, die es zu verbessern gilt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir brauchen eine weitreichende Reformdebatte in der Rentenversicherung.
Herr Alda, erzählen Sie den 300.000 Aufstockern, den 1,7 Millionen Minijobbern und den 200.000 Leiharbeitern in NRW mal etwas von betrieblicher und privater Altersvorsorge.
Ihr Antrag lässt zukunftsfähige Vorschläge vermissen. Er ist aus meiner Sicht sehr dürftig und dient der Bekämpfung der Altersarmut nicht. Wir Grünen lehnen den Antrag ab. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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