Andrea Asch: „Die FDP hatte als Teil der Bundesregierung nicht die Kraft hatte, das unsägliche Betreuungsgeld aus dem Koalitionsvertrag mit der CDU zu streichen.“

Antrag der FDP gegen das Betreuungsgeld

Andrea Asch (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir freuen uns natürlich, dass die FDP mit dem hier vorliegenden Antrag fast wortgleich einen Antrag von Rot-Grün von 2011 übernimmt. Die Formulierungen gleichen sich ja bis in die Überschrift hinein.
Wir freuen uns natürlich auch deshalb, weil offensichtlich ein Lernprozess bei der FDP stattgefunden hat. Ich erinnere daran, dass wir hier 2008 einen Grünen-Antrag hatten gegen das Betreuungsgeld mit dem Titel „Nordrhein-Westfalen lehnt die Einführung eines Betreuungsgeldes ab“. Der damalige familien- und kinderpolitische Sprecher der FDP, Christian Lindner, heute Parteivorsitzender, hat dazu geredet. Damals hat die FDP-Fraktion diesen Antrag abgelehnt. Sie haben sich auch 2011 – das hat der SPD-Kollege eben erwähnt – nicht darauf verständigen können, einem rot-grünen Antrag zuzustimmen.
Schwerer wiegt, dass die FDP als Teil der Bundesregierung nicht die Kraft hatte, das unsägliche Betreuungsgeld aus dem Koalitionsvertrag mit der CDU zu streichen.
(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der FDP)
Dazu hatte sie nicht die Kraft – oder den Willen; das mag dahingestellt sein. Wir wissen, dass sie manch anderes Konzept, das ihr sehr wichtig war, sehr wohl in dieser schwarz-gelben Bundesregierung durchgedrückt hat. Das Betreuungsgeld gehörte aber offenbar nicht dazu.
Daher ist es zumindest interessant, dass Sie diesen politischen Fehler nun bei der SPD kritisieren. Die Perspektive der außerparlamentarischen Opposition verändert aber so manche Sichtweise. Wir beobachten das mit Interesse.
Meine Damen und Herren, die bundesdeutsche Bevölkerung ist sich einig; mehrheitlich lehnt sie das sogenannte Betreuungsgeld ab. Die Mehrheit der Parteien sieht das genauso. Alleine die CSU hält mit der CDU an ihrer Seite noch die Fahne für diese unsinnige Fehlkonzeption hoch, die sowohl familienpolitisch als auch integrationspolitisch als auch gleichstellungspolitisch völlig falsche Anreize setzt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie hat fatale Wirkungen, weil sie als Kitafernhalteprämie – das ist die schwerwiegendste Konsequenz –
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist doch ein Witz!)
den Kindern aus benachteiligten Verhältnissen den Zugang zur Bildungseinrichtung Kita verwehrt.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns einmal europäische Beispiele anschauen. Norwegen hatte eine Form von Betreuungsgeld, wie Sie von der CDU sie einführen wollen. Die Norweger haben sich nach jahrelangen negativen Erfahrungen jetzt von diesem Konzept verabschiedet, weil sie gesehen haben: Es nützt nicht dem frühkindlichen Bildungserwerb. Es erschwert den Zugang von Frauen zum Erwerbsleben. Es führt insgesamt in die falsche Richtung.
Ich kann die CDU nur auffordern, sich diese Beispiele und auch die Negativbeispiele in Thüringen anzugucken und sich endlich von diesem Misskonzept zu verabschieden.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die Kitafernhalteprämie ist sozialpolitisch ein Kardinalfehler, weil gerade einkommensschwache Familien, die natürlich das zusätzliche Geld gerne in ihrer Haushaltskasse vereinnahmen, ihre Kinder lieber zu Hause lassen.
Solche Anreize sind – das muss noch mal deutlich gesagt werden – angesichts der bedrückenden Kinderarmut in Deutschland, die immer noch auf einem sehr hohen Niveau liegt, einfach unverantwortlich. Schließlich ist es unsere Aufgabe, als Politik hier gegenzusteuern. Es ist unsere Aufgabe, die Armutsspirale zu durchbrechen und den Kindern aus benachteiligten Familien die optimale Förderung durch die frühkindliche Bildung in der Kita zu ermöglichen.
Wir gehen hier in Nordrhein-Westfalen den richtigen Weg. Zum Beispiel setzen wir mit dem Modell Kita Plus einen klaren Schwerpunkt auf Bildungsgerechtigkeit und damit auf Chancengerechtigkeit für alle Kinder. Wir wollen mit dem Personalaufschlag für Kita Plus in dieser neuen Einrichtungsform der unakzeptablen Abhängigkeit der individuellen Bildungschancen von der sozialen Herkunft konkret entgegenwirken. Das ist richtige und zielgerichtete Familienpolitik. Das Betreuungsgeld bewirkt genau das Gegenteil, meine Damen und Herren. Zielgerichtete Investitionen im Bereich der frühkindlichen Bildung zahlen sich aus – für die betroffenen Kinder und für die Gesellschaft insgesamt. – Ich danke Ihnen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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