Gudrun Zentis: „Gerecht ist für uns nicht, Ungleiches gleich zu behandeln.“

Gesetzentwurf der FDP zur chancengleichen Ausgestaltung von weiterführenden Schulen

Gudrun Elisabeth Zentis (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für eine chancengleiche Ausgestaltung der Errichtungsbedingungen und Teilstandortbildung von allgemeinbildenden weiterführenden Schulformen in NRW sind wir auch.
Aber was bedeutet Chancengleichheit bei Errichtungsbedingungen und Teilstandortbildung? – Für uns ist es wichtig, immer das Kind, den Schüler, die Schülerin, im Mittelpunkt und im Blick zu haben. Dabei muss uns auffallen, dass es nicht nur Jungen und Mädchen, große und kleine, dicke und dünne und mehr oder weniger pigmentierte Kinder gibt. Die Vielfalt ist groß.
Abgesehen von Äußerlichkeiten, die allenfalls bei der Auswahl der Größe der Schulmöbel Beachtung finden müssen, stellen wir fest: Kein Kind ist wie das andere. Alle haben unterschiedliche Begabungen und verschiedene Ausrichtungen. Und darum geht es doch: all diese Kinder, egal welche Begabungen, Ausrichtungen, Fähigkeiten sie haben, bestmöglich zu fördern. Teilweise wird das nur über intensive Beziehungsarbeit zu erreichen sein. Wir wollen kein Kind zurücklassen, das ist richtig.
Unser Schulsystem ist nach der Grundschule entweder dreigliedrig mit Hauptschule, Realschule, Gymnasium oder integrativ mit Sekundarschule und Gesamtschule.
Dies besagt aber auch der Schulkonsens, der in Zeiten der Minderheitsregierung zwischen SPD, CDU und Grünen geschlossen wurde. Wir stehen dazu und fühlen uns daran gebunden.
(Beifall von den GRÜNEN und Eva Voigt-Küppers [SPD])
Wir haben Schulformen, die Kindern unterschiedliche Abschlüsse ermöglichen und die sie zu einem selbstbestimmten, eigenständigen Leben befähigen sollen. Je nach Schulform ist mehr oder weniger Heterogenität gegeben. Die Milieus der Kinder sind sehr unterschiedlich.
(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Wohl wahr!)
Wie sieht jetzt die Gleichbehandlung aus? – Die Anzahl der Kinder, die für die Genehmigung der Einrichtung einer Hauptschule bzw. einer Realschule benötigt werden, beträgt 56. Das ist eine Zweizügigkeit mit Klassen pro 28 Kinder. Für die Einrichtung einer Sekundarschule sind 75 Kinder erforderlich, da sie mindestens dreizügig sein muss. Bei einer Gesamtschule, die bei der Gründung vierzügig sein muss, bedarf es 100 Kinder, also 25 je Klasse. Dies alles sage ich vor dem Hintergrund der Heterogenität der Kinder. Ein Gymnasium kann man bereits dreizügig mit 84 Kindern einrichten. Das sind 28 Kinder pro Zug im Gegensatz zu 25 Kindern bei der Gesamtschule.
Was wollen Sie jetzt? – Die Hürde hochlegen: alle Schulen mindestens vierzügig wie bei Gesamtschulen? Dies würde sich besonders nachteilig auf Haupt- und Realschulen, aber auch auf das Gymnasium auswirken. Im Gymnasium wird auf das Ziel hin unterrichtet, alle Kinder zum Abitur zu führen, da sie aufgrund ihrer schulischen Qualifikation eine homogenere Gruppe bilden als beispielsweise Gesamtschülerinnen und diejenigen, die die Realschule besuchen.
Welche Struktur ist schwieriger und welche Arbeit differenzierter zu bewerten? Wo brauche ich mehr Einsatz? Gerecht ist für uns nicht, Ungleiches gleich zu behandeln. Die Expertenanhörung hat für uns Grüne nicht den Schluss zugelassen, dass die derzeitige Gesetzeslage Ungerechtigkeiten im System bedingt.
(Beifall von den GRÜNEN und Eva Voigt-Küppers [SPD])
Wir, die regierungstragenden Parteien,
(Lutz Lienenkämper [CDU]: Fraktionen!)
sehen uns in dieser Frage mit den kommunalen Spitzenverbänden einmütig.
Ungleichbehandlungen sahen Experten mehr in unterschiedlicher Besoldung je nach Schulform, Zugänglichkeit von Funktionsstellen, Pflichtstunden bei Grundschulen und weiterführenden Schulen sowie innerhalb der unterschiedlichen Bildungsgänge.
Kinder, die die Anforderungen einer Schulform nicht voll erfüllen, werden in manchen Schulformen weitergereicht und abgeschult. Da besteht Handlungsbedarf in Sachen Gerechtigkeit und Gleichbehandlung.
(Beifall von den GRÜNEN und Eva Voigt-Küppers [SPD])
Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der FDP, ist gut gemeint, führt aber nicht zu mehr Gerechtigkeit und gleichen Bildungschancen für alle. Er nützt nicht einmal Haupt- und Realschulen. Im Gegenteil – ich zitiere Herrn Rösner aus der Anhörung –: So wie der
„Gesetzentwurf der FDP angelegt ist, liefe der Klassenfrequenzrichtwert von 25 auf eine Schlechterstellung innerhalb dieser Schulform“
– gemeint ist die Hauptschule –
„hinaus, der jetzt bei 24 liegt. Bei Teilstandorten für Realschulen wird Zweizügigkeit als Mindestgröße vorgeschlagen. Das ist aber gleichzeitig auch die gesetzlich vorgegebene Mindestgröße eigenständiger Realschulen nach § 82 Abs. 4 Schulgesetz. Warum – das ist zu fragen – dann die schwierigere Organisationsform des Teilstandortes?“
Glauben Sie mir, meine Damen und Herren, denn ich weiß, wovon ich rede. Wir haben eine Schule mit Teilstandorten mit all den Problemen, einen einheitlichen Schulbetrieb zu erreichen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mehr zum Thema

Schule