Die rezeptfreie „Pille danach“: Nicht Smarties, sondern Selbstbestimmung!

Josefine Paul meint:

Portrait Josefine Paul

Falsch gepokert, denn durch ein Twitter-Tweet des CDU-Gesundheitsexperten Jens Spahn zur rezeptfreien Vergabe der „Pille danach“ kocht die Diskussion doch hoch: „Man muss es wohl immer wieder sagen: Das sind keine Smarties.“ Mit diesem einen, unverschämten Satz, bringt Herr Spahn auf den Punkt, worum es in der Debatte eigentlich geht. Eben nicht um die Frage der Nebenwirkungen des Präparates, sondern um seine Anwendungsform. Nach Einschätzung der CDU scheinen Frauen schlicht nicht in der Lage, verantwortungsvoll mit der rezeptfreien Verfügbarkeit der „Pille danach“ umgehen zu können. Wer will schon noch mit der Mikropille, Kondomen, Spirale etc. verhüten, wenn nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr doch kurz die (Notfall-)Apotheke nebenan aufgesucht werden kann?  

Eine solche Argumentation ist nicht nur diskriminierend, sondern auch wenig gehaltvoll. Fakt ist schließlich, dass bereits 28 andere europäische Länder die „Pille danach“ rezeptfrei ausgeben und auch die Weltgesundheitsorganisation dies seit Jahren empfiehlt. Studien dieser 28 Länder zeigen, dass Frauen die „Pille danach“ eben nicht mit Smarties verwechseln, sondern sehr umsichtig mit der Rezeptfreiheit umgehen. Auch ein Rückgang der Abtreibungen konnte nachgewiesen werden.  

Wir Grünen fordern darum das Selbstbestimmungsrecht der Frauen endlich ernst zu nehmen. Frauen müssen selbst entscheiden können, ob sie nach einem Verhütungsunfall oder einer Vergewaltigung die „Pille danach“ einnehmen wollen. Unser derzeitiges System der Rezeptpflicht für die „Pille danach“ gewährleistet dies nicht. Noch kein ganzes Jahr ist es her, seit der traurige Fall einer jungen Kölnerin durch die Presse ging, der nach einer Vergewaltigung die notwendige vollumfängliche Behandlung in gleich zwei katholischen Krankenhäusern verweigert wurde. Begründet wurde dies damit, dass im Rahmen eines Beratungsgesprächs auch auf die „Pille danach“ hingewiesen werden müsse und dies im Widerspruch zu den moralischen Leitlinien des Krankenhausträgers stünde. Dies ist leider die Realität für viele Frauen gerade im ländlichen Raum. Sie sind die leidtragenden, denn eine andere „nicht-katholische“ Klinik kann kilometerweit entfernt liegen. Auch in Städten berichten Beratungsstellen immer wieder von Frauen die am Wochenende vom ärztlichen Notdienst auf den folgenden Werktag vertröstet werden. Keine wirklich zielführende Lösung, weiß man doch, dass die Wirksamkeit der „Pille danach“ mit dem in Europa gängigen Wirkstoff Levonorgestrel mit zunehmendem zeitlichen Abstand zum Geschlechtsakt deutlich nachlässt.  

Frauen in der sehr belastenden Situation einer möglichen ungewollten Schwangerschaft brauchen schnelle und niedrigschwellige Hilfe. Sie zu vertrösten, Hilfe sogar zu verweigern und ihnen kilometerweite Anreisewege für Hilfe ausschließlich für längst überkommende Wertevorstellung zuzumuten ist nicht länger tragbar. 2014 muss das Jahr werden, indem dieser Missstand endlich beseitigt wird.  

Deshalb sind NRW und Baden-Württemberg bereits im vergangenen Jahr initiativ geworden. Auf ihre Initiative hin hat der Bundesrat für die Abschaffung der Rezeptpflicht für die „Pille danach“ votiert und damit ein starkes Signal für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen gesetzt. Es ist also an der Zeit, dass auch die regierungstragenden Fraktionen im Bundestag ihre breite Mehrheit im Sinne betroffener Frauen in die Waagschale zu werfen.