Monika Düker: „Nordrhein-Westfalen ist beim Flüchtlingsschutz bundesweit ganz vorne mit dabei.“

Entschließungsantrag von SPD und GRÜNEN zu Abschiebungsmoratorium für Flüchtlinge

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Lohn, es wird Sie überraschen: Ich werde nicht in üblicher Weise auf Ihre Provokationen streitig eingehen. Sie haben mich ja mit dem Satz „herzlich willkommen in der Realität“ gelobt. Ich lobe Sie einfach einmal zurück; denn auch Sie sind in der Realität angekommen – zumindest auf Bundesebene. Im Vertrag der Großen Koalition findet sich nämlich eine Bleiberechtsregelung wieder, die eins zu eins die rot-grüne Gesetzesinitiative im Bundesrat bestätigt. Sie bestätigen auf Bundesebene rot-grüne Politik. Das haben Sie klasse gemacht. Deswegen lobe ich Sie dafür. Da sind auch Sie ein Stück weit in der Realität angekommen.
(Beifall von den GRÜNEN und Marc Herter [SPD])
Ich finde es schade, dass das hier im Landtag nicht der Fall ist. Herr Kruse hat hier ja immer vehemente Gegenplädoyers gehalten. Dass Sie auf Bundesebene jetzt rot-grüne Politik unterstützen, finde ich klasse. Man sollte von daher so etwas wie Wertschätzungskultur usw. auch hier im Landtag einmal praktizieren.
Was machen wir in Nordrhein-Westfalen? Die rot-grüne Koalition hat sich im Koalitionsvertrag zu einer humanitären Flüchtlingspolitik bekannt. Auch wenn das Aufenthaltsgesetz und weitere Gesetze wie das Asylbewerberleistungsgesetz klar in die Bundeszuständigkeit fallen, können wir hier vorhandene Spielräume für eine humanitäre Flüchtlingspolitik ausnutzen – im Übrigen auch auf kommunaler Ebene.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben dazu nicht nur wohlmeinende Sätze in den Koalitionsvertrag geschrieben, sondern auch danach gehandelt. So hat sich Nordrhein-Westfalen im Bundesrat für eine stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung eingesetzt. Diese Regelung steht jetzt im Koalitionsvertrag auf Bundesebene. Gut verhandelt, Herr Minister! Sie haben die CDU mit guten Argumenten überzeugt. Insofern wird sich das jetzt auch bundesweit widerspiegeln.
Wir haben uns im Bundesrat für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes stark gemacht. Leider, Herr Minister, haben Sie das im Koalitionsvertrag nicht durchgesetzt. Das bedaure ich sehr. Denn die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes hätte auch eine finanzielle Entlastung der Kommunen in einem nicht unerheblichen Maße zur Folge. Vielleicht schaffen wir es noch gemeinsam, da doch noch etwas zu verbessern.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir haben in Nordrhein-Westfalen einen sehr wichtigen Ausführungserlass zu § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz gemacht. Das ist die weitestgehende Regelung, die wir in Deutschland haben und die genau diese Zielgruppe betrifft, um die es uns immer wieder geht, nämlich die langjährig geduldeten Menschen, die hier vor Abschiebung geschützt sind. Da haben wir eine tolle Regelung, mit der wir Menschen wirklich einen Aufenthaltsstatus verschaffen – bundesweit das Beste, was es dazu gibt.
NRW nimmt im Rahmen eines inzwischen unbefristeten eigenen Landeskontingents die meisten Flüchtlinge aus Syrien auf. Auch das muss man hier einmal festhalten.
(Beifall von den GRÜNEN – Frank Herrmann [PIRATEN]: Es ist das größte Bundesland!)
Auch hier ist Nordrhein-Westfalen beim Flüchtlingsschutz bundesweit ganz vorne mit dabei.
Dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Jugendhilferecht behandelt und in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht werden, ist bei uns Standard und in andern Ländern nicht. Das Land unterstützt Clearinghäuser, damit diese Jugendlichen nicht in den Sammelunterkünften landen.
Und als erstes Bundesland werden wir jetzt diesen Vorgriffserlass machen. Das heißt, um es ganz konkret zu sagen: Hier werden Tausende von Menschen, die geduldet und akut von Abschiebung bedroht sind, direkt und schnell vor Abschiebung geschützt. Ich hoffe, der Erlass kommt bald aus dem Innenministerium an die Ausländerbehörden.
Last but not least haben wir uns mit einem – in Anführungszeichen – Sensibilisierungserlass im Mai 2013 dazu entschieden, noch einmal auf die besondere Situation der Minderheiten im Kosovo hinzuweisen. In diesem Erlass heißt es:
„Ist die Abschiebung … nach § 58 AufenthG geboten, ist den individuellen Belangen besonders schutzbedürftiger Personen bei der zeitlichen und organisatorischen Planung der Rückführung nach Möglichkeit angemessen Rechnung zu tragen. Dies gilt insbesondere für Familien mit minderjährigen Kindern, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, allein reisende Frauen, Menschen über 65 Jahre sowie für Kranke und Pflegebedürftige.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass dem – entgegen Ihren Äußerungen, Herr Herrmann – tatsächlich Rechnung getragen wird, zeigen doch die Zahlen. Schauen Sie doch einmal, wer letztlich im Flieger sitzt und abgeschoben wird! Ich habe mir die Vorlage des Innenausschusses noch einmal angeschaut. Bis Ende September 2013 wurden 25 Personen, die ethnischen Minderheiten angehörten, ins Kosovo abgeschoben: 25 Personen bis Ende September 2013!
Wir haben insgesamt, um die Zahl dagegen zu halten, 13.500 Ausreisepflichtige aus den Westbalkanstaaten. Angesichts der Menge der Menschen, die bei uns lebt, sind die faktischen Abschiebezahlen doch sehr gering.
Ich fasse zum Schluss zusammen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen per Erlass eine sensible Einzelfallprüfung, die nicht nur für den Winter gilt. Ich gehe davon aus, dass damit besonders Schutzbedürftige wirklich vor Abschiebung geschützt werden. Und wir haben einen sofortigen Abschiebeschutz unabhängig von Jahreszeiten für langjährig Geduldete im Vorgriff auf die Bleiberechtsregelung als bisher einziges Bundesland auf den Weg gebracht. Deswegen kann ich guten Gewissens sagen: In Nordrhein-Westfalen werden Flüchtlinge nach humanitären Grundsätzen behandelt und vor Abschiebung geschützt, wenn sie schutzbedürftig sind.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Abgeordnete, entschuldigen Sie.
Monika Düker (GRÜNE): Das wird auch so bleiben. – Danke schön. Ich bin schon fertig.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Abgeordnete, bleiben Sie, ich wollte Sie noch gar nicht verabschieden. Ich wollte Sie fragen …
Monika Düker (GRÜNE): Ach so, ich dachte an die Redezeit.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ja, das wäre mein zweiter Hinweis gewesen. Mein erster ist, dass es seit einiger Zeit den Wunsch gibt, Ihnen eine Zwischenfrage stellen zu dürfen.
Monika Düker (GRÜNE): Ich meine, dass meine Ausführungen erschöpfend waren. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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