Matthi Bolte: „Wie die CDU mit dieser Personalie verfahren ist, hat gezeigt, dass für sie Datenschutz immer nur ein schmückendes Beiwerk gewesen ist“

Antrag der Piraten zum Datenschutzbeauftragten

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Tipps, die mir jetzt mit auf den Weg gegeben wurden, waren: entweder in Versform oder möglichst kurz. Ich glaube, ich kriege beides nicht hin.
(Heiterkeit)
Was der Kollege Golland eben vorgetragen hat, war das Übliche, was wir immer von der CDU hören, wenn es um Datenschutz geht. Eigentlich ist die Welt ja wunderbar, und alles ist in Ordnung.
Es ist das Gleiche, was Sie uns in der letzten Woche im Innenausschuss erzählt haben. Da sagten Sie: Anständige Menschen haben überhaupt kein Problem damit, überwacht zu werden. Das ist abwegig. Das ist Datenschutzlogik von vorvorgestern. Das ist Zeug, was wir immer wieder von Ihnen hören, was aber völlig an der Sache und an der Logik des 21. Jahrhundert vorbeigeht.
Wenn wir uns den Anlass für den Antrag der Piratenfraktion anschauen, stellen wir fest – auch wenn ich das Gedicht von Thomas Stotko natürlich, wie schon vor zwei Jahren bei dem letzten Weihnachtsgedicht, sehr unterhaltsam fand –, dass der Anlass doch ein sehr ernsthafter ist.
Wir hatten zehn Jahre lang einen großartigen Bundesbeauftragten für Datenschutz, einen Kämpfer für Informationsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung. Peter Schaar ist in den letzten Tagen in den verschiedensten Medienveröffentlichungen viel gelobt worden, und das völlig zu Recht. Denn Peter Schaar ist mit großer Verbindlichkeit für die Sache des Datenschutzes und der informellen Selbstbestimmung eingetreten. Er hat sich auch nicht gescheut, sich mit dem Innenminister anzulegen. Insbesondere in der NSA-Affäre haben wir immer wieder erlebt, dass der Innenminister, damals noch Herr Friedrich, stets nach dem Motto verfahren ist, nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Da hat Herr Peter Schaar als Bundesbeauftragter sehr intensiv interveniert.
Herr Schaar hat zu seinem Abschied aus dem Amt geschrieben, was ich sehr schön und sehr zitierenswert fand:
Ich habe bereits lange vor meinem Ausscheiden aus dem Amt darauf hingewiesen, dass ich den Datenschutz und die Informationsfreiheit für zu wichtig halte, um ihn den amtlichen Datenschützern zu überlassen. Heute gilt mehr denn je: Grundrechte fallen nicht vom Himmel, und sie werden nicht von der gnädigen Herrschaft gewährt. Sie müssen erkämpft und verteidigt werden. Dabei kommt der Zivilgesellschaft entscheidende Bedeutung zu.
Ich finde, das zeigt sehr gut, was wir in den letzten zehn Jahren von unserem Bundesdatenschutzbeauftragten erleben durften. Er war ein Kämpfer, einer der einsteht, aber auch einer, der das richtige Augenmaß hat, um die Chancen und die Herausforderungen des digitalen Zeitalters richtig zu erkennen.
Der glücklicherweise scheidende Innenminister Friedrich wollte den Posten nach Peter Schaars Abschied zunächst nicht neu besetzen. Auch wenn es nur zwei Tage waren, Herr Golland – Sie sind schon weg –, Sie haben das vorhin in Ihrer Rede so abgetan: Es waren ja nur zwei Tage, in denen es keinen obersten Datenschützer gab. – Das ist zumindest ein hoch problematischer Vorgang. Das Ganze war wohl ein Abschiedsgruß eines Innenministers, der immer wieder gezeigt hat, wie unwichtig ihm Datenschutz ist, nicht nur seine Verweigerungshaltung im NSA-Skandal, sondern auch diese obskure Unterordnung aller Freiheitsrechte unter dieses seltsam entwickelte Supragrundrecht. Das hat das doch illustriert.
Friedrichs Begeisterung für Überwachung kannte keine Grenzen. Und ich bin gespannt: Vielleicht nimmt er das mit ins Agrarministerium. Das ist dort sicherlich besser aufgehoben.
Zwei Tage ohne Datenschützer liegen jetzt hinter uns. Wir bekommen jetzt eine oberste Datenschützerin, bei der nur noch Datenschutz drauf steht, aber nicht mehr drin ist. Das muss man der Großen Koalition im Bund auch ein Stück weit zum Vorwurf machen. Wie die CDU mit dieser Personalie verfahren ist, hat gezeigt, dass für sie Datenschutz immer nur ein schmückendes Beiwerk gewesen ist. Das wird sich in den nächsten Jahren nicht ändern. – So viel zu diesem Thema.
Zum zweiten Punkt: Frage nach der Unabhängigkeit. Ja, Herr Kollege Herrmann, ich habe gesagt, das Gesetz, das wir damals zur Stärkung der Unabhängigkeit des LDI gemacht haben, war ein richtiges, war ein gutes Gesetz. Ich meine aber auch, dass wir auch auf der Bundesebene durchaus Bedarf haben, die Unabhängigkeit des Bundesdatenschutzbeauftragten zu stärken. Ich sage aber auch, dass ich das Instrument der Bundesratsinitiative an dieser Stelle für ungeeignet halte. Ich glaube vielmehr, dass das, was Peter Schaar durch fachliche Kompetenz, durch Begeisterung und durch Einstehen für Datenschutz und Informationsfreiheit wettgemacht hat, wird die zukünftige Datenschutzbeauftrage nicht schaffen. Da werden wir auch auf der Bundesebene eine starke Opposition erleben. Da gehört das Thema nämlich hin, und da werden wir uns dieses Themas annehmen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)