Reiner Priggen: „Natürlich wird es mit der Großen Koalition nicht einfacher; das ist doch völlig klar“

Landeshaushalt 2014 - Dritte Lesung

Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Lindner, auch meinen Glückwunsch zu Ihrem neuen Amt. Ich bin ganz erleichtert, dass Sie sich auch als Bundesvorsitzender der FDP noch zur Großen Koalition und zu anderen Fragen geäußert haben. Ich hoffe, dass auch ich das deshalb darf, weil ich das gerne tun möchte.
Als Erstes möchte ich aber ein paar Worte zu Ihnen, zu Dir, Karl-Josef Laumann, persönlich sagen, weil ich Dich in den beiden Jahren der Minderheitsregierung als jemanden erlebt habe, mit dem man an der Sache orientiert sehr, sehr gut reden konnte und der dafür gesorgt hat, dass über das übliche Ritual der politischen Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition hinaus an der Sache orientiert nach Lösungen gesucht wurde. Ich möchte drei Beispiele dafür anführen, die mich besonders beeindruckt haben:
Das erste war das Schulgesetz. Wir haben zusammen in der Zeit der Minderheitsregierung das Schulgesetz gemacht, haben das Problem des demografischen Wandels aufgegriffen und für ein vernünftiges, leistungsfähiges Bildungsangebot für Schülerinnen und Schüler insbesondere mit Blick auf den ländlichen Räumen, aber auch in den Städten gesorgt.
Die Positionierung der CDU zuvor war eine andere. Da bedurfte es einer Kehrtwende, einer neuen Weichenstellung, da wir uns ansonsten in einander verhakt hätten. Du bist es gewesen, der mit den Fachleuten – das muss man ganz klar sagen – dafür gesorgt hat, dass das geschehen konnte. Wir haben das Schulgesetz gemeinsam entwickelt und erleben nun, wie stark es angenommen wird. Das ist genau die Reaktion in den Städten, aber auch sehr stark in den ländlichen Räumen. Das war eine sehr, sehr schöne Sache, und dafür herzlichen Dank nachträglich.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der CDU)
Zweitens hast Du mich bei der Frage der Forensikstandorte beeindruckt. Wir wissen noch, wie die damalige sozialdemokratische Kollegin entsprechende Standorte gesucht hat, und wie Du gesagt hast, dass man alle zehn Jahre nach Standorten suchen muss und es irgendjemanden treffen wird. Die Folgen dieser im Rahmen einer großen Auseinandersetzung gefundenen Standortentscheidungen erntet ja nie derjenige, der in der Regierung ist, sondern der, der später an der Reihe ist. Es war auch klar, dass es für die Forensikstandorte vor Ort selten Begeisterung gibt. Man erlebt eher – das geht durch alle Parteien –, dass die Leute vor Ort gegen einen stehen. An manchen Stellen muss man das akzeptieren. Entscheidend ist aber die generelle Linie.
Und da hast Du in den einleitenden Diskussionen sehr gut klargestellt: Die Frage der Forensikstandorte ist eine notwendige. Diese Standorte müssen geschaffen werden, und wir betreiben keinen Wahlkampf, keine populistische Auseinandersetzung bei der Suche nach den Standorten. Du hast beispielhaft in deiner Region dafür gesorgt, dass der dortige Standort auf Akzeptanz gestoßen ist. Insofern hast Du da mitgeholfen. – Das war die zweite Sache.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die dritte Sache bezieht sich auf etwas, was wir auf Bundesebene weiter diskutieren müssen. CDU, SPD und Grüne haben am 29. Oktober 2010 einen gemeinsamen Beschluss gefasst, dass der Bund von den sozialen Kosten der Kommunen einen Anteil von 50 % übernehmen muss. Das war unsere Position, und ich halte sie nach wie vor für richtig. Es geht um Eingliederungshilfen, Kosten der Unterbringung. Zum Teil sind es Kosten – egal, ob die eine oder andere Kommune Fehler macht; das kann man sich immer vorwerfen –, die keine Kommune tragen kann. Deswegen waren wir im Konsens dafür, dass das beim Bund stärker in Angriff genommen wird. Es war immer unser Bemühen, dass aus diesem Prozess heraus in Berlin, wer immer dort regieren sollte, tatsächlich etwas passiert. Jetzt kann man sagen – ich komme auf die Punkte noch zu sprechen –, dass mir das nicht genug ist, aber es hat in Berlin ein Ergebnis gegeben, auch wenn wir das natürlich unterschiedlich bewerten können.
Das heißt zusammengefasst: Ein herzliches Dankeschön! Du warst ein Ansprechpartner, zu dem man bei aller harten Auseinandersetzung gehen konnte. Der politische Wettbewerb ist hart. Aber wir sind keine Feinde oder Gegner. Wir stehen in diesem Wettbewerb, auch wenn er manchmal hart ist. Trotzdem muss man immer wieder miteinander reden können. Das konnte man. Deshalb auch von meiner Fraktion: Alles Gute und viel Erfolg bei Deiner weiteren Arbeit. Wir werden Ansprechpartner sein, wenn wir uns gelegentlich wiedersehen. Herzlichen Dank dafür!
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der CDU)
Wir haben derzeit eine besondere Situation, die nicht den Haushalt direkt, aber perspektivisch betrifft. Darauf möchte ich gerne eingehen. Seit gestern haben wir eine neue Bundesregierung. Die Bundeskanzlerin ist gewählt; die Regierung ist im Amt. Eine Reihe der Kolleginnen und Kollegen aus diesem Haus hat in den Sondierungsgesprächen, in den Koalitionsverhandlungen in den letzten Wochen und Monaten sehr intensiv daran mitgearbeitet. Es hätte auch eine andere Möglichkeit gegeben. Diese ist nicht zum Zuge gekommen. Es haben sich auch Teile der Kolleginnen und Kollegen nicht danach gedrängt, aber irgendjemand muss ja die Bundesregierung vernünftig machen.
Deswegen sage ich: Es fällt uns kein Zacken aus der Krone, wenn wir sagen: Ihr habt es verhandelt. Ihr habt es zum Abschluss gebracht. Wir werden in der Bewertung in den Wettbewerb gehen. Herzlichen Glückwunsch an diejenigen, die das gemacht haben und einen persönlichen Beitrag dazu geleistet haben! Ich weiß, was es heißt, Koalitionsverhandlungen zu führen. Wir wissen das alle. Das ist eine harte Arbeit. Nun müssen wir mit den Ergebnissen umgehen.
Jetzt werden Sie nicht erwarten, dass ich alle Kompromisse im Koalitionsvertrag in Berlin lobe. Es gibt Kompromisse – das erkennt man auch – und eine Reihe von Fragen, die uns alle immer gestellt werden. Die am häufigsten gestellte Frage lautet: Wird es jetzt in der Koalition in Nordrhein-Westfalen zwischen Sozialdemokraten und Grünen schwieriger, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Ministerpräsidentin in Berlin zugesichert hat, 5.000 neue Kohlekraftwerke in NRW innerhalb von einem Jahr zu bauen?
(Lachen von den GRÜNEN und der SPD)
Auf diese Frage gibt es eine ganz ehrliche und vernünftige Antwort: Natürlich wird es nicht einfacher; das ist doch völlig klar. Wenn wir in Berlin Schwarz-Grün bekommen hätten, dann wäre es auch nicht einfacher. Es wird ein bisschen mehr Arbeit. Es wird etwas anstrengender. Das ist der normale Umgang.
Aber für unsere Arbeit hier muss doch der Maßstab gelten, was für unser Land gut ist. Und ich muss feststellen: Der Koalitionsvertrag, den wir hier geschlossen haben, ist eine sehr gute Grundlage; da stimme ich meinem Kollegen Norbert Römer völlig zu. Von der Basis aus werden wir bewerten, was in Berlin passiert. Wir werden mit Berlin ringen, aber wir werden unsere Arbeit hier vernünftig weitermachen und einen vernünftigen Umgang miteinander pflegen. Das ist gar keine Frage. Alles andere wäre unvernünftig und nicht verantwortungsvoll gegenüber dem Land.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Koalitionsverträge beschreiben, wenn sie gut sind, klar die Absichten der Regierung. Wenn sie sehr gut sind, beinhalten sie Zahlen und Fakten. Und wenn sie wirklich super sind, dann liegen hinten im Koalitionsvertrag auch gleich die Schecks.
Der Koalitionsvertrag in Berlin beschreibt für unser Land existenziell wichtige Aufgaben. Entscheidend wird an ganz vielen Stellen die konkrete Umsetzung sein. Zum Teil müssen Sachen bereits in 2014 abgeschlossen werden, gerade was den Energiebereich angeht im ersten Quartal 2014. Das ist ein äußerst ambitioniertes Vorhaben. Ich komme nachher noch darauf zu sprechen. Zum Teil sind sie nicht in 2014 abzuschließen, aber sie müssen angepackt werden und dürfen nicht erst 2017/2018 zum Erfolg führen. Das wird hier genau beobachtet werden.
Ich will die wichtigsten Bereiche ansprechen.
Karl-Josef Laumann und auch Herr Lindner haben vorhin etwas zur Haushaltsdisziplin gesagt. Wenn ich mir das Haushaltsgebaren der Großen Koalition in Berlin bei einzelnen Punkten angucke, dann muss ich zu dem Ergebnis kommen, dass die Klientelgeschichte, die Geschichte der Geschenke für eine bestimmte Klientel, leider fortgesetzt wird. Herr Lindner hat die Möwenpick-Steuer sowie Seehofers Betreuungsgeld angesprochen.
Das, was jetzt in der Großen Koalition mit der Finanzierung der Mütterrente gemacht wird, ist aus meiner Sicht haushaltspolitisch nicht zu verantworten. Ich will ganz klar sagen: Wir haben nichts dagegen, die Lebensleistung der Frauen, die vor 1992 Kinder bekommen haben, mit der Mütterrente anzuerkennen und ihnen das Geld zu geben. Überhaupt nichts dagegen! Unsere Mutter, die jetzt zuguckt, ist eine von denen, die drei Kinder vor 1992 bekommen hat. Meine Kollegin Sigrid Beer hat drei Kinder vor 1992 bekommen. Wir haben nichts dagegen.
Aber wenn man es macht, dann muss man es sauber finanzieren. Sigrid Beer müsste das, was sie jetzt bekommt, gleich für ihre Enkelkinder anlegen, damit die nachher nicht, wenn sie die Zeche bezahlen müssen, diejenigen sind, die in die Röhre gucken. Das hätten Sie in Berlin sauber finanzieren müssen. Das will ich ganz klar sagen.
(Beifall von den GRÜNEN und der FDP)
Sie hätten das über eine Steuererhöhung finanzieren müssen. Auch die Beseitigung der kalten Progression wäre fair gewesen. Aber Sie hätten das nicht durch einen Griff in die Rentenkasse finanzieren dürfen, den wir absehbar in wenigen Jahren mit einer Beitragserhöhung von den nächsten Generationen bezahlen lassen müssen. Sie hätten ehrlicherweise sagen müssen: Wir brauchen eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, und wir finanzieren das damit. – Das ist ein Kritikpunkt an dem, was Sie da gemacht haben.
Der Bereich „Verkehr und Infrastruktur“ ist angesprochen worden. Uns allen ist klar: Die Bedeutung einer funktionierenden, nicht verrottenden Verkehrsinfrastruktur ist gerade für ein Transitland, für einen industriell wichtigen Standort wie Nordrhein-Westfalen außerordentlich groß. Positiv ist – das ist wohl aus NRW übernommen worden –, dass im Koalitionsvertrag der Vorrang von Unterhalt vor Neubau festgehalten ist.
Es ist eine Illusion, wir hätten das Geld und könnten jede Straße, die von irgendwo als Wunsch an uns herangetragen wird, bezahlen. Wir wissen alle, wie das ist, wenn die kommunalpolitischen Kollegen ankommen mit dem Argument: Aber vielleicht noch meine. – Die Illusion, die den Leuten jahrelang als Sand in die Augen gestreut worden ist, ist nicht mehr zu realisieren. Das wissen alle.
(Beifall von den GRÜNEN)
Deswegen ist der klare Vorrang – unterhalb von Neubau – „Erhalt der Substanz“ richtig.
Positiv ist auch die Ausdehnung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen. Es gab aber auch in der Bodewig-Kommission sehr viele gute Vorschläge, mit denen man die Finanzierung des notwendigen Volumens hätte abdecken können. Da gebe ich Herrn Lindner recht. Die Zahl „7 Milliarden €“ steht im Raum. Ich sage nur: Da wird nachgebessert werden müssen. Es ist völlig klar, dass man mit dem jetzt anvisierten Volumen nicht auskommen kann.
Wir wissen, wir müssen die Autobahnbrücken der 60er- und 70er-Jahre Zug um Zug sanieren. Wir müssen die Autobahnbrücken auf der gesamten Sauerlandlinie von Dortmund bis Frankfurt in einem Zug sanieren: eine Baustelle für Jahrzehnte mit immensen Kosten – und das bei laufendem Betrieb und mit den Belastungen für die Anlieger. Wir müssen es machen; da gibt es überhaupt keinen Dissens. Denn ohne diese wichtige Infrastruktur können wir nicht klarkommen.
Es muss aber auch finanziert werden. Da sind die Vorschläge der Bodewig-Kommission deutlich besser als das, was jetzt im Vertrag steht. Insofern wird an der Stelle nachgearbeitet werden müssen. Wir müssen uns über das Land dafür einsetzen. Ich bin mir aber sicher, dass wir da keine Differenzen haben werden – jedenfalls nicht hier in der Regierung.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Christof Rasche [FDP])
Ich möchte gerne noch ansprechen, dass ich die Pkw-Maut so, wie sie im Koalitionsvertrag steht, für absurd halte.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Armin Laschet [CDU])
– Ja, sie ist absurd, lieber Armin. Ich weiß, Du willst sie auch nicht unbedingt, aber …
(Armin Laschet [CDU]: Sie kommt auch nicht!)
– Sie kommt auch nicht. Dann bin ich beruhigt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Heiterkeit)
Dann wiederholen wir für das Protokoll, dass der Landesvorsitzende der CDU den Zwischenruf „Sie kommt auch nicht!“ gemacht hat, damit wir das auch hier unter uns im Konsens mit der CDU haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich finde sie absurd, weil wir ein Land mit sehr vielen Berufspendlern sind. Wir schaffen damit eine zusätzliche Belastung für unsere Berufspendler. Wenn man wie ich in Aachen lebt – wir leben beide in Aachen –, weiß man, dass auch die Niederländer und die Belgier irgendwann reagieren werden. Das ist nicht meine Vorstellung von Europa, demnächst wie so eine Art Wegezoll überall Maut zu bezahlen, wenn wir uns durch Europa bewegen. Deswegen eine klare Absage an die Pkw-Maut, die noch im Koalitionsvertrag steht. Wir sind gespannt auf die Nichtumsetzung.
Für positiv halte ich den Ansatz, dass Schienenverkehrslärm – wir wissen, die Lärmbelastung ist eine erhebliche – auch mit ordnungsrechtlichen Mitteln halbiert werden soll. Da haben wir von den Schweizern gelernt, die mit Ordnungsrecht vorgegangen sind und die Modernisierung des gesamten Güterschienenverkehrs in Europa mit einem „Ihr nutzt nicht mehr die alten Bremsen und Räder von vor 50 Jahren“ organisieren. Es gibt heute für 3.000 € pro Waggon moderne Bremssätze, die den Lärm mehr als halbieren.
Wenn die Bundesregierung jetzt den Prozess – mir ist 2020 zwar ein bisschen spät – beginnen und das auch bei uns umsetzen will, ist das positiv. Bedauerlich ist, dass der Koalitionsvertrag wenig Unterstützung gegen Fluglärm bietet. Vielleicht wird das über Hessen angestoßen. Ansonsten müssen wir hier weiter daran arbeiten, weil der nordrhein-westfälische Koalitionsvertrag in der Frage sehr klar ist.
Ich habe eben den gemeinsamen Antrag von CDU, SPD und Grünen zur kommunalen Finanzsituation angesprochen. Auf diesem Feld liegt angesichts dessen, was im Koalitionsvertrag in Berlin an Verabredungen steht gegenüber dem, was notwendig wäre, meine größte Sorge. Unsere Kommunen – die kritische Situation der Kommunen ist uns allen klar – stecken in einer größeren Not als die Aussicht auf Erfolg durch den Koalitionsvertrag in Berlin ihnen Hoffnung machen könnte.
Deswegen habe ich manche Äußerungen der kommunalen Spitzenverbände nicht verstanden. Wie kann man das bejubeln? Die Einnahmen bei den Kommunen steigen zwar, aber die Soziallasten der Kommunen sind auf allerhöchstem Niveau und lieben bei uns in Nordrhein-Westfalen bei 13,44 Milliarden € in 2012, in allen Flächenländern bei 44 Milliarden €. Allein die Eingliederungshilfe schlägt bei unseren Kommunen mit 4 Milliarden € zu Buche.
Im Koalitionsvertrag in Berlin steht, dass das Bundesteilhabegesetz 5 Milliarden € zusätzlich für die Kommunen bei den Eingliederungshilfen bringen soll. Das ist ein vernünftiger Schritt in die Richtung, die wir einmal gemeinsam beschlossen haben. Aber ich glaube, dass wir im Weiteren alle darauf werden drängen müssen, dass das Bundesteilhabegesetz möglichst schnell kommt. Und man kann davon ausgehen, dass auch Erwartungen hinsichtlich von Mehrleistungen bestehen, um die gerungen werden muss.
Die zugesagte 1 Milliarde kommt hoffentlich – vielleicht nicht vor 2015. Aber auch das, um das ganz nüchtern zu sagen, wäre für Nordrhein-Westfalen nach dem Königsteiner Schlüssel ein Anteil von 230 Millionen. Das entspricht gerade der Steigerungsrate bei der Eingliederungshilfe in unseren beiden Landschaftsverbänden in einem Jahr über die Kommunalumlage.
Das heißt: Das grundsätzliche Problem ist damit nicht gelöst.
Es wird eine sehr große Aufgabe der Großen Koalition sein, die gesamten Finanzbeziehungen zwischen den Ländern, dem Bund, den Kommunen inklusive Soli Ost neu anzufassen – auch die Benachteiligungen, die wir als Bundesland haben. Ich habe nie verstanden, warum bei den Kosten der Unterbringung der Erstattungssatz für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz höher liegt als der für Nordrhein-Westfalen. Das ist nur mit den beiden damaligen Verhandlungsführern, Beck und Oettinger, zu erklären, aber in der Sache nicht nachvollziehbar. – Das sollte man auf eine vernünftige Grundlage stellen, weil die Kosten der Unterbringung überall gleich sind.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Eigentlich brauchen wir das Konnexitätsprinzip des Bundes gegenüber dem Land, wie wir es als Land gegenüber den Kommunen haben, damit völlig klar ist: Niemand darf zulasten anderer Gesetze verwirklichen.
Ich will einen Punkt erwähnen, weil der Soli Ost eine gewisse Rolle spielt. Unsere nordrhein-westfälischen Kommunen zahlen pro Jahr 500 Millionen an Soli Ost. Wir wissen alle: Nach 1989 war der Aufbau im Osten dringend notwendig. Aber wir haben im Osten schuldenfreie Kommunen. Mich erheitert immer wieder, wenn mein Kollege, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Brandenburger Landtag, von den Problemen der Brandenburger erzählt, ihre Überschüsse als Festgeld anzulegen, weil es kaum noch Zinsen gibt.
Diese Situation darf nicht weiterhin bestehen. Deshalb muss man das umstellen und jetzt schon beginnen, eine Perspektive zu eröffnen, wie bei uns die Kommunen und das Land mehr Unterstützung erhalten.
Auch die Energiepolitik will ich mit ein paar Worten ansprechen. Die Aussage von Herrn Lindner hat mir richtig Spaß gemacht, dass man sehr sensibel und mit Aufmerksamkeit damit umgehen muss, was die Entlastung, was die Beihilfen angeht.
Herr Lindner, das ist für mich immer wieder irre: Sie waren im Bundestag, Sie hatten dort Verantwortung. Ich habe neulich einmal gesagt: Sie sind der Messias mit beschränkter Haftung.
(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE] und Norbert Römer [SPD])
Jedes Mal, bei jedem Gesetz, wenn es denn dazu kommt, können Sie nichts dafür. Sie waren es nie.
(Christian Lindner [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)
Sie wollen irgendwen hier kritisieren. Es mag ja sein, dass Kollege Duin und ich kontrovers diskutieren. Aber das, was jetzt Herr Almunia macht – ich bin bei ihm gewesen –, ist auf die vergeblichen Gespräche mit Ihrem Bundeswirtschaftsminister zurückzuführen.
(Beifall von den GRÜNEN – Christof Rasche [FDP]: Ausrede!)
– Nein, das ist doch keine Ausrede. Liebe Leute, es ist völlig klar:
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Wenn 25 % des Stroms von der Umlage befreit sind, wenn die Ausnahmeregelungen unter Ihrem Wirtschaftsminister so exzessiv betrieben worden sind und der Wettbewerbskommissar der EU mit ihm geredet hat, und er mir dann sagt, er ändere da nichts, dann ist doch völlig klar, dass die Kommission irgendwann hingeht und das Verfahren einleitet. Und Sie können dann nichts dafür? – Sie waren im Bundestag, Sie waren ein Schwergewicht an der Stelle. Aber jetzt geht es darum, dass uns die Konsequenzen einholen. Da bin ich gar nicht auseinander mit Herrn Duin. Sie werden, wenn die EU das so konsequent durchführt, für die Betriebe hier eine Härte bedeuten. Aber das ist genau Ihre Verantwortung als FDP, als Sie im Bund tätig waren. Niemand anders ist dafür verantwortlich.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Es gibt aber ein grundsätzliches Problem bei der Energiepolitik. Deswegen finde ich das nächste Vierteljahr außerordentlich spannend. Eigentlich muss Energiepolitik wegen des langfristigen Investitionszyklus sehr viel zuverlässiger und stetiger sein. Wir haben im Prinzip im nächsten Quartal eine unglaublich spannende Aufgabe vor uns: die EEG-Novelle und die Reaktion auf die Kommission.
Wir haben aber zwei Handicaps. Ich will sie beide benennen. Das eine ist: Rot-Grün hat in Berlin in der ersten Koalition Schröder/Fischer den Atomausstieg gemacht. Dann sind die großen, Atomkraftwerke betreibenden Stromversorger hingegangen und haben – interessegeleitet, nachvollziehbar – gesagt: Das Gesetz muss weg! – Sie, CDU und FDP, haben ihnen politisch signalisiert: Wenn wir drankommen, kommt das auch weg. – Dann haben die nichts mehr in der Energiepolitik gemacht, sind sehr untätig gewesen, obwohl klar war, dass sich alles ändert. Sie haben darauf vertraut, dass in der Demokratie die Regierung mal wechselt. Dann sind Sie 2009 an die Regierung gekommen und haben im Oktober 2010 den Atomausstieg rückwärts gemacht. Da war die Industrie glück; die großen Atomkraftwerksbetreiber hatten endlich ihr Ziel erreicht.
Dann hat sie aber im Februar 2011 Fukushima überrollt, wie uns alle. Sie haben daraus die richtige Konsequenz gezogen. Aber wir haben zehn Jahre verpasst, gerade bezogen auf die Großen. Die Kleineren – Stadtwerke und andere – haben sich bewegt in Richtung Energiewende und Effizienztechnik. Aber für die ganz Großen war der Markt nicht lukrativ genug. Sie haben darauf gehofft, dass sie das mit ihrer politischen Stärke wieder richten können. – Das sind die verlorenen zehn Jahre. Dann kam die richtige Konsequenz im Februar 2011. Aber danach hat die Bundesregierung aufgehört, an dem Thema zu arbeiten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Widerspruch von der FDP)
– Nein, danach gab es nichts mehr. Danach gab es nur noch Streit. Wir haben es doch sehr genau verfolgt. Wir haben unseren Landtagswahlkampf gehabt. Es gab Streit zwischen Röttgen und Brüderle, Streit zwischen Altmaier und Rösler. Wenn Altmaier einen vernünftigen Vorschlag machte, wie die Beteiligung der Bürger an der Finanzierung des Netzausbaus, hat es keine Stunde gedauert, bis Rösler gesagt hat: Das kommt nicht in Frage!
(Christian Lindner [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)
Das war die Ebene, wie Sie an der Stelle gearbeitet haben. Sie sind nicht in der Lage gewesen, das, was beim EEG auch aus unserer Sicht nicht vernünftig lief, zu korrigieren. Im Gegenteil: Es ist angekündigt worden, in einem halben Jahr die Vergütung um 40 % zu senken. Aber wie reagiert dann der Markt? – Der macht Überstunden, der arbeitet 18 Stunden am Tag und baut aus. Die Unfähigkeit und Unwilligkeit der Regierung, nach Fukushima überhaupt noch an dem Projekt zu arbeiten, ist sehr, sehr klar zu verorten ist. Sie haben die Verantwortung dafür.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich will auch eines für die Zukunft klar sagen: Es wird nicht gelingen, das alte Geschäftsmodell der großen Strommonopole – große Rendite von 12 % und mehr – im Vertrauen auf die politische Stärke am Leben zu erhalten, weil sich die gesamte Energiewelt geändert hat. Sie ist dezentraler, sie ist technisch außerordentlich innovativ, und deswegen wird es an dieser Stelle eine Entwicklung nach vorne geben.
Ich sage Ihnen nur: Wir sind aus meiner Sicht im Koalitionsvertrag, den wir geschlossen haben, gerade für diese Fragen in Nordrhein-Westfalen gut aufgestellt. Ich habe vier Koalitionsverträge im Bereich Energiepolitik verhandelt. Dieser, den wir jetzt haben, ist der beste von allen vieren. Er macht das sehr klar, weil wir uns nicht an der Frage „Braucht es noch ein Kohlekraftwerk oder nicht?“ verkämpfen. Wir hatten die klare Einschätzung: So, wie der Markt ist, ist das nicht unser Problem.
Wir haben klar gesagt: Wir wollen den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, die effizienteste Art, Strom und Wärme zu erzeugen. Wir können ja auf die andere Seite vom Landtag schauen: Dort entsteht gerade eines der modernsten Kraftwerke der Welt mit hoher Wärmeauskopplung. Wir können uns das in Köln ansehen, wo wir es unterstützen. Im Ruhrgebiet machen wir das auch. Wir haben verabredet, dass wir das nach vorne bringen, wie auch den Ausbau der Erneuerbaren. Wir haben als Leitprojekt die Klimaexpo. Wir sind an der Stelle vernünftig aufgestellt. Dass wir ab und zu kontrovers diskutieren, gehört auch dazu. Wir sind zwei Parteien und nicht eine, sonst könnten wir fusionieren. Aber wir werden trotzdem die Arbeit in dem Bereich, was dieses Land betrifft, vernünftig machen.
Ich freue mich auf den Prozess der Diskussion der EEG-Novelle bis Ostern, um das ganz klar zu sagen. Das wird eine ganz spannende Frage, die über die Zukunftsfähigkeit auch in Nordrhein-Westfalen entscheidet. Das ist eigentlich auch das, was mich an den öffentlichen Debatten in der letzten Zeit am meisten ärgert: Es kommt einem manchmal so vor, als ob wir hier in NRW eine Horde Eingeborener wären, die rund um einen Tisch sitzen, immer draufklopfen und sagen: „Kohle, Kohle, Kohle!“
(Heiterkeit von der SPD und den PIRATEN)
Die Situation ist aber anders. Wir sind ein altes Traditionsland, aber wir bemühen uns, die neuen, effizienten Energietechniken zu entwickeln, weil das genau unsere Chance ist. Da stehen wir im Wettbewerb mit anderen Bundesländern, aber wir wollen, dass es hier passiert. Und wenn das EEG novelliert wird, was vernünftig ist, und es dann richtig weitergeht, dann können wir das hier an dieser Stelle auch machen. Ich bin optimistisch, dass das gelingen wird. Sie werden es nicht aufhalten können; es wird nicht kaputt gemacht werden können. Es gibt kein Zurück. Auch zu der Zielsetzung im Koalitionsvertrag würde ich als Grüner immer sagen: 5 % mehr, 10 % mehr in den Zeitachsen – aber es gibt nur eine Richtung: nach vorne. Das jetzt vernünftig herzustellen, darüber werden wir uns ja zusammen über den Bundesrat unterhalten.
Ich will noch eine Bemerkung zu den Kollegen der CDU machen. Ich glaube, wir haben jetzt in den Bundesländern mehr grüne Energie- und Wirtschaftsminister als die Christdemokraten in Deutschland. Das sollte Ihnen zu denken geben. Ich weiß nicht, ob es eine Frage von Desinteresse oder von fehlender Kompetenz ist – es gibt auf jeden Fall mehr Grüne in allen Bundesländern zusammen. Die CSU rechne ich Ihnen dabei sogar an. Aber wir sind an der Stelle doch stärker.
(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir verabschieden jetzt den vierten ganzjährigen Haushalt, den Sozialdemokraten und Grüne aufgestellt haben: 2011, 2012, 2013, 2014.
Wir haben, was die Neuverschuldung angeht, eine klar sinkende Linie. Ich will zu den Eckpunkten noch wenige Zahlen sagen. Der von CDU und FDP 2010 beschlossene Haushalt – auf dieser Grundlage haben wir übernommen – sah eine Neuverschuldung von 6,6 Milliarden € und steigende Steuereinnahmen von 4,7 Milliarden € in den nächsten drei Jahren vor. Trotzdem gab es jedes Jahr 6,5 Milliarden € neue Schulden. Die reale Neuverschuldung ist seitdem – seit den Zeiten von CDU und FDP, als sie 6,6 Milliarden € betrug – auf 3,7 Milliarden € in 2012, 3,3 Milliarden € in 2013 und 2,4 Milliarden € in 2014 zurückgegangen. Für 2017 steht in der Finanzplanung 1,4 Milliarden €. Das heißt, die Neuverschuldung geht kontinuierlich runter. Uns allen wäre es lieber, wenn es noch weniger wäre. Wir sind aber von 6,6 Milliarden € – das war, wie gesagt, vor vier Jahren bzw. zu Zeiten von CDU und FDP – auf 2,4 Milliarden € heruntergekommen. Das sind 4,2 Milliarden € weniger Schulden. Aus meiner Sicht ist das eine vernünftige Bilanz von Rot und Grün.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Es kommt – ich höre ihn immer wieder – der Vorwurf: Ihr habt aber viel höhere Ausgaben gemacht. Man muss sich das einmal genau anschauen. Der Haushalt für 2014, den wir voraussichtlich nachher beschließen werden, hat ein Volumen von 62,3 Milliarden €. Das sind 1,8 Milliarden € mehr als im letzten Jahr. Der Löwenanteil betrifft unvermeidliche Ausgaben, die wir tätigen müssen.
(Christian Lindner [FDP]: Aha!)
– Aha! Ja, Herr Lindner! – Der allergrößte Brocken – 722 Millionen € – sind erhöhte Zuweisungen an die Kommunen im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetz; denn den Kommunen steht ein höherer Anteil an den Einnahmen zu: 722 Millionen € von 1,8 Milliarden €. Auch das ist ein Teil des fairen Umgangs mit den Kommunen; da gab es auch andere Zeiten.
450 Millionen € sind für die Grundsicherung im Alter und für die Unterbringungskosten. 210 Millionen € gehen in den Hochschulpakt. Es ist nicht verkehrt, an der Stelle „Danke schön!“ zu sagen, denn die andere Hälfte kam vom Bund, und wir mussten das kofinanzieren. Das ist uns nicht leicht gefallen; aber angesichts des doppelten Abiturjahrganges, der in die Hochschulen geht, war das an der Stelle notwendig und richtig.
Hinzu kommen noch 126 Millionen € für die U3-Plätze und 110 Millionen € für das KiBiz. Das sind an der Stelle die Bilanzen. Sie sehen: Von den Vorwürfen bleibt nichts übrig. Die regierenden Fraktionen und die Regierung betreiben eine außerordentlich sparsame und bescheidene Haushaltsführung.
Dem Finanzminister kann ich, was die Zinsen angeht, nur sagen: Es ist unser Glück, dass die Zinsen im Moment insgesamt relativ niedrig sind. Was die Vorausschau angeht, sagt er aber eben nicht: Das geht so immer weiter. Vielmehr wird die Zinserwartung für 2017 mit 3,75 % kalkuliert. Das liegt weit über dem, was wir heute an Zinsen zahlen müssen. Es ist aber – ausgehend davon, dass es das Risiko einer Erhöhung gibt – an der Stelle berücksichtigt.
Ich will die faire Bilanz, die wir den Kommunen gegenüber haben, erwähnen. Es gab gegenüber der Zeit von 2005 bis 2010 einen Paradigmenwechsel. Wir bezahlen jetzt in Teilen – das wurde gerichtlich festgestellt – ihre Altlast. Was das Einheitslastenausgleichsgesetz angeht, ist den Kommunen durch ein Gesetz von CDU und FDP etwas weggenommen worden. Dagegen ist geklagt worden. Wir zahlen das jetzt mit 275 Millionen € in diesem Jahr – in den nächsten Jahren sind es jeweils 145 Millionen € – nach.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die volle Übernahme der Kosten im Alter ab 2014, welche bisher die Kommunen getragen haben, ist doch nur darauf zurückzuführen, dass wir die Minderheitsregierung gewagt haben und weil es dann im Bundesrat keine Mehrheit mehr für die Raubzüge von Schwarz-Gelb im Bund in Ländern und Kommunen gab. Das ist der einzige Grund gewesen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Widerspruch CDU)
– Ich kann mich noch sehr gut erinnern: Ihr Wachstumsbeschleunigungsgesetz – von ihm betraf nur ein kleiner Teil ihre Mövenpick-Bedienung – machte pro Jahr 880 Millionen € additive Belastung für uns aus. Das war 2010. Wir konnten nichts dagegen machen, weil Sie damals im Bundesrat eine Mehrheit hatten. An der Stelle war das dann zu Ende.
Zum Stärkungspakt Stadtfinanzen: Das Land macht, obwohl es selber in einer schwierigen Situation ist, für die Kommunen mehr, als es eigentlich kann. Wir nehmen 4 Milliarden € in die Hand, um die Kommunen, die am allerstärksten bedroht sind, in eine eigene Haushaltsführung hineinzuführen. In den Jahren 2011 bis 2020 sind es 4 Milliarden €. Wir haben die Solidaritätsumlage auf die Hälfte reduziert. Die Kommunen, denen es nicht luxuriös – das will ich gar nicht sagen –, aber deutlich besser als den anderen geht, zahlen 91 Millionen €. Die Erwartung, dass das Land immer alles zahlt – am besten noch mehr –, können Sie nur formulieren, solange Sie verantwortungslos in der Opposition sind. Wenn Sie an der Regierung wären, ginge das gar nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Alles, was wir in die frühkindliche Bildung stecken, betrifft einen aus meiner Sicht sehr positiven Haushaltsbereich. Das sind 2 Milliarden € im Jahre 2014. Wir haben die Ausgaben hierfür gegenüber 2013 noch einmal um 109 Millionen € erhöht. Unter anderem sind darin die Betriebskosten für 157.000 U3-Plätze enthalten. Was hätten wir uns anhören müssen, wenn Ute Schäfer das nicht geschafft hätte?
Wir haben die Quoten geschafft, der Ausbau geht weiter. Insgesamt sind wir dabei, ein neues zusätzliches Leistungsangebot für junge Familien mit kleinen Kindern zu schaffen. Das ist eine gigantische Aufgabe neben Schule, Kindergarten und U3-Betreuung. Jeder aber, der selber Kinder oder Patenkinder hat, die in der nächsten Generation wieder Kinder bekommen, weiß, wie sehr danach gesucht wird, diese Plätze zu bekommen, damit die Berufstätigkeit wieder aufgenommen werden kann. Wenn wir wollen, dass unsere Kinder wieder Kinder bekommen, oder wenn ich Großvater werden möchte, ist es einfach ein Teil der Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es an der Stelle eine Chance gibt, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Sonst dürfen wir uns nicht wundern!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
An der Stelle machen wir diese Anstrengungen.
Ich will einen letzten Paradigmenwechsel ansprechen, der die ganze Frage der Steuerhinterziehung betrifft. Herr Finanzminister, was sind Sie für Ihre konsequente Linie am Anfang angegriffen und ausgelacht worden. Es ist mit allen Winkelzügen versucht worden, dafür zu sorgen, dass das Abkommen mit der Schweiz geschlossen wird. Die konsequente Linie, die wir an der Stelle mitgetragen haben, kann man auch sehr klar – –
(Zuruf Ralf Witzel [FDP])
– Ich weiß, dass es hauptsächlich Ihr Klientel ist, Herr Witzel, das Sie schützen wollen. Vielleicht schweigen Sie einfach mal einen kleinen Moment an der Stelle! – Die Bilanz ist sehr eindeutig. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat 6 CDs für insgesamt 9 Millionen € gekauft. Die Selbstanzeigen haben, ausgelöst durch diese konsequente Haltung, 2010 und 2011 deutlich zugenommen. Man konnte dann bei den Selbstanzeigen sehen, wie Anfang 2012 die Zurückhaltung wuchs, weil alle diejenigen, die Unrecht begangen hatten, spekulierten, dass es Berlin gelingen würde, auf irgendeinem Wege das Abkommen durchzusetzen.
Als dann klar war, dass das nicht geht, weil sich auch bei anderen rot-grün regierten Ländern die Linie durchgesetzt hat, dass dies nicht zu akzeptieren ist, sind die Selbstanzeigen sprunghaft in die Höhe gegangen. Wir haben, Stand: 6. Dezember 2013, also von vor wenigen Tagen, 11.602 Selbstanzeigen alleine in Nordrhein-Westfalen. Das müssen Sie sich mal überlegen. Selbst wenn ich nicht mit dem Königsteiner Schlüssel hochrechne, macht das in der Bundesrepublik eine Größenordnung von 40.000 aus, wenn wir den Osten weglassen, weil da vielleicht nicht so viele Steuern in der Schweiz zu hinterziehen hatten oder die die Wege nicht so kannten.
(Heiterkeit von Lutz Lienenkämper [CDU])
Bei 11.602 Selbstanzeigen in Nordrhein-Westfalen betrugen die Einnahmen bei 9 Millionen € Kosten für die CDs – ich will es gerne noch mal sagen – 780 Millionen €. Das ist eine klare Bilanz. Aber es ist nicht nur das Geld.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Der entscheidende Punkt ist auch, Gerechtigkeit herzustellen. Wenn ich von allen verlange, dass sie ihre Steuern bezahlen, dann darf ich nicht denjenigen, die mehr haben, die Möglichkeit bieten, selber darüber zu entscheiden, ob sie dem Staat noch etwas geben wollen oder das Geld in die Schweiz, nach Luxemburg oder Österreich verschieben. Das ist eine Grundfrage des Gerechtigkeitsgefühls.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir haben gestern Abend zusammengesessen, und der Finanzminister hat versprochen: Auch in der Großen Koalition gibt es kein Abweichen von der Linie. – Wir sind gar nicht gegen ein Abkommen mit der Schweiz, aber dann mit amerikanischem Standard, das heißt volle Transparenz und Offenlegung. Das, was die USA in der Schweiz durchgesetzt haben, ist eine vernünftige Grundlage. Wir nehmen mit einer gewissen Freude zur Kenntnis, dass da reagiert wird und sie ihr Geschäftsmodell, zumindest so, wie es aussieht, ein bisschen umstellen wollen. Wir alle wissen nur: An der Stelle ist ein gewisses Misstrauen angebracht. Denn wir haben es bitter erlebt: Banker haben anscheinend relativ wenige Hemmungen, wenn man ihnen nicht auf die Finger guckt, wieder in alte Muster zurückzuverfallen. Deswegen muss man da aufpassen.
Herr Lindner, ich fand Ihren Satz eben: „Gott sei Dank ist die Bundestagswahl vorbei“ klasse. Wenn Sie sagen: „Meine Partei wird nie wieder einen einzelnen Mehrwertsteuersatz ändern“, dann ist das völlig in Ordnung und richtig. Der Lernprozess ist teuer bezahlt, aber er ist richtig. Deswegen sage ich auch, ja, das Mehrwertsteuersystem anpacken und die Erkenntnis dann für alle internalisieren.
Ich rede schon länger, als ich wollte, würde aber gerne noch kurz zu dem etwas traurigeren Teil meiner Rede kommen; ich halte ihn auch kurz. Es geht dabei um die Einsparvorschläge der Opposition zum Haushalt. Ein Antrag von Ihnen ist wie ein Untoter, er feiert jedes Jahr seine Wiederauferstehung, nämlich die Wiedereinführung der Studiengebühren.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN – Zuruf von der CDU: Jawohl!)
Ich sage nur – der Kollege Laschet ist gerade nicht da, ich sage es ihm auch noch persönlich –: Garantieren Sie uns, dass Sie den zu jedem Haushalt bis 2016 stellen? Dann können wir denjenigen, die Kinder haben, die demnächst studieren wollen, den Studierenden und ihren Eltern ganz klar sagen: In keinem der 16 Bundesländer gibt es das noch, aber Laschet und Lindner, oder wer immer das ist, wollen euch 1.000 € im Jahr wegnehmen – das ist eine zusätzliche Belastung –, wenn ihr die Kinder ins Studium schickt. – Das hat einen Namen. Sie müssen es nur jedes Jahr wieder machen, die Preise mit dem Inflationsindex vielleicht auch noch ein bisschen hochziehen, das macht uns das Geschäft mit Sicherheit einfacher.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die CDU hat wieder den originellen Ansatz versucht: pauschale Kürzung aller Förderprogramme um 20 %. Das ist die alte Nummer: Wasch mich, aber mach mir das Fell nicht nass. – Man muss konkret werden. Ich habe es in den letzten Jahren erlebt: Sobald Sie einen konkreten Vorschlag machen, haben Sie die Lobby am Hals, und Sie sind immer auf der anderen Seite. Beifall von Ihnen habe ich in den letzten vier Jahren für keinen einzigen Einsparvorschlag erlebt, den erwarte ich auch nicht. Sie schlagen vor, alles pauschal um 20 % zu kürzen, und fordern im nächsten Satz: Aber da nicht kürzen, sondern Aufwuchs, und da nicht und da nicht. Was bleibt dann übrig? – Im Haus von Johannes Remmel 50 Millionen €, wobei es bei ihm die Stellen sind, die Eckhard Uhlenberg als Minister gefordert hat. Das ist einfach nicht seriös.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zu den Änderungsanträgen der FDP: Sie hat heute eine Liste vorgelegt, über die wir gleich noch entscheiden müssen, mit 417 Millionen € Mehrausgaben – nicht Einsparungen, sondern Mehrausgaben!
(Christian Lindner [FDP]: 1 Milliarde!)
Ich habe einen Wunsch an die FDP: Sie haben wiederholt einen originellen Antrag mit dem Thema „Entfesselungsimpuls“ gebracht. Ich habe das in Vorbereitung der Rede mal gegoogelt. Es gibt ein Phänomen bei Leuten, die stark glaubensmäßig organisiert sind. Sie haben eine eigene codierte Sprache, die nur sie verstehen. Alle sehen sich dann ganz beseelt an, aber der Rest weiß nicht, was meinen die eigentlich. Die FDP legt uns einen Antrag vor und spricht von einem Entfesselungsimpuls. Sie schreibt: 25 Millionen € sollen 2014 durch einen Entfesselungsimpuls eingespart werden, mit dem dann die Landesregierung die wirtschaftliche Dynamik nicht mehr bremst, sondern entfesselt.
Guckt man weiter, wo man das noch findet, stößt man auf den Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP von 2005. Auf Seite 9 – damals haben Sie sich die Koalition der Mitte genannt, das war auch eine nette Vokabel – steht:
„Wir wollen ein Entfesselungsprogramm für Nordrhein-Westfalen. Durch eine Neuorganisation und Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, durch Wegfall von Aufgaben, durch die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, durch die Privatisierung bisher vom Staat wahrgenommener Aufgaben, durch die Beseitigung von Doppel‑ und Mehrfachzuständigkeiten, (…)“
soll der Entfesselungsimpuls umgesetzt werden. Auch dazu kann ich nur sagen: Machen Sie das jedes Jahr weiter so. In der mittelfristigen Finanzplanung hatten Sie aufwachsend …
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
– Schlimm ist das überhaupt nicht, aber Sie hatten es 2005 im Koalitionsvertrag. Dann müsste doch bis 2010 eigentlich alles entfesselt gewesen sein, was nur zu entfesseln war.
(Beifall von den GRÜNEN und von Ministerin Sylvia Löhrmann)
Warum quälen Sie uns immer wieder mit dem Antrag?
(Ralf Witzel [FDP]: Weil Sie das immer neu angelegt haben!)
– Ja, ja, Herr Witzel.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es ist der vierte Haushalt, den wir für ein ganzes Jahr verabschieden. Wir sind jetzt im normalen Rhythmus. Es gibt im Westen nichts Neues bei der FDP; die CDU hat auch ihre alten Anträge gestellt. Die Regierungsfraktionen haben aber mit großer Disziplin und kleinen Veränderungswünschen den Haushalt so gestaltet, dass man ihm mit gutem Herzen zustimmen kann. Meine Fraktion wird das jedenfalls gleich tun. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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