Matthi Bolte: „Die Gewährleistung digitaler Teilhabe ist eine zentrale Gerechtigkeitsfrage unserer Zeit“

Antrag von CDU, FDP und Piraten zum Breitbandausbau

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand – das haben wir in dieser Debatte schon wahrgenommen – stellt die Notwendigkeit einer flächendeckenden Breitbandversorgung infrage. Es geht dabei sowohl um die gesellschaftliche wie auch die wirtschaftliche Entwicklung hier im Land. Kein Unternehmen kann darauf verzichten, eine Breitbandanbindung mit hoher Geschwindigkeit zu haben. Wir sehen auch die demografische Herausforderung.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Kollege Laumann das heute Morgen als Erstes auf dem Zettel hatte, aber das Argument „Hier gibt es nicht einmal schnelles Internet“ ist tatsächlich für viele Menschen eine Begründung aus dem ländlichen Raum abzuwandern.
Die Gewährleistung digitaler Teilhabe ist also eine zentrale Gerechtigkeitsfrage unserer Zeit. Sie ist unabdingbar, weil sich zahlreiche gesellschaftliche und demokratische Prozesse online ereignen. Da blicken wir auf Open Government, Transparenz und mehr Mitsprache im politischen Prozess. Wir wollen genauso Möglichkeiten schaffen, die Digitalisierung als Chance für neue Arbeitszeitmodelle, für E-Health und E-Learning zu nutzen. Das alles wird nicht gelingen, wenn es nicht durch politische Maßnahmen gelingt, den Rahmen für eine gute Internetversorgung für alle Menschen hier in Nordrhein-Westfalen zu gestalten.
Nun stellt sich aber – sie stellt sich an solchen Stellen eigentlich immer – die Frage: Wenn wir uns einig sind, wie wichtig dieses Thema ist, wer soll es denn eigentlich bezahlen? Sie haben jetzt in Ihrem Antrag das Thema der ELER- und EFRE-Förderung aufgemacht. Mein Vorredner hat schon einiges zu dieser Thematik gesagt. Ich glaube aber, dass Sie, wenn wir uns das Gesamtthema anschauen, eingestehen müssen, dass das nicht die zentrale Baustelle ist, über die wir da reden.
Wir haben jetzt gerade viel über Bayern diskutiert. Die Bayern haben tatsächlich ein durchaus spannendes Programm aufgelegt. Man könnte dazu sagen: Die haben doch eigentlich gar keinen Grund, sich zu beschweren. Aber auch der Sachverständige aus Bayern hat in der Anhörung klar gesagt: Verantwortlich ist eigentlich der Bund. Wenn wir sehen, dass es – dies ist absolut bedauerlich – nicht gelungen ist, die 1 Milliarde €, die zwischenzeitlich in Aussicht gestellt wurde, über die Nacht der langen Messer zu retten, müssen wir sagen: Da gibt es jetzt noch durchaus das Potenzial, es ist da aber auch in der Vergangenheit geschlafen worden.
Zwischen 2009 und 2013 haben CDU und FDP diese Herausforderung verschlafen. Sie wären doch in der Verantwortung gewesen, da eine anständige Förderung aufzubauen. Sie haben das Thema auf der Bundesebene verschlafen – genauso wie Sie das Thema hier im Land verschlafen haben, als Sie hier noch an der Regierung waren und keine weißen Flecken angemeldet haben.
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
– Herr Brockes, wenn wir uns anschauen, woran es gelegen hat, dass Sie das verschlafen haben, kommen wir darauf, dass es wieder die ideologischen Kapriolen der FDP waren. Sie haben doch dauernd gepredigt: Der Markt wird das schon richten. – Jeder, der mit Verstand an diese Sache herangeht, wird doch einsehen, dass der Markt hier nicht alles hinbekommt. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass der Markt rechtzeitig nach Waldbröl kommt, um diese Entwicklungen, die wir hier erleben, nachzuvollziehen. Es ist gut, dass wir an dieser Stelle – auch als rot-grüne Landtagsmehrheit – aktiv geworden sind und die entsprechenden Rahmenbedingungen gesetzt haben.
Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der vereinigten Front der Opposition, suggeriert, dass hier in Nordrhein-Westfalen die Geldsäcke förmlich auf der Straße liegen und die Landesregierung sie nicht einsammelt. Das stimmt nun einfach nicht. Ich finde das bedauerlich; denn gerade daran zeigt sich, dass Sie die Aktion hier heute nur durchführen, um von Ihrem eigenen Versagen in der Vergangenheit abzulenken. Dass Sie dabei auch noch Unterstützung von der Piratenfraktion bekommen, die sogar ihren verlorenen Sohn Robert Stein wieder zurück an Bord geholt hat, macht die Sache nicht besser.
Die Welt ist einfach komplexer, als Sie es in Ihrem Antrag bereit sind anzuerkennen. Auch wenn Ihnen das zu kompliziert ist, Rainer Schmeltzer hat gerade schon einige Punkte zur Geschichte der Strukturfonds und der Förderbedingungen, wie wir sie jetzt vorfinden, gesagt. Die Förderbedingungen sind im Übrigen jetzt raus – insofern geht Ihr Antrag am Thema vorbei –, der Rat hat vor wenigen Tagen die Strukturfondsverordnung beschlossen. Über den EFRE ist es aufgrund der Bedingungen, an denen Sie nicht unbeteiligt waren, nicht mehr möglich, den flächendeckenden Breitbandausbau zu fördern. Nach hiesiger Auslegung können aber möglicherweise Einzelvorhaben gefördert werden, zum Beispiel wenn sie der Förderung von KMU dienen. Wenn es solche Möglichkeiten gibt, dann sollten sie genutzt werden.
Grundsätzlich geht Ihr Antrag aber an der Sache vorbei. Er ist obendrein nicht mehr à jour.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, die Redezeit.
Matthi Bolte (GRÜNE): Deswegen mein Appell an die Kolleginnen und Kollegen aus der Opposition: Lassen Sie uns vernünftig an dem Thema arbeiten und für eine flächendeckende Breitbandversorgung sorgen. Lassen Sie solche Manöver in Zukunft einfach bleiben. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)