Fußballkultur und Fanprojekte wertschätzen und unterstützen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

I. Ausgangslage:

Fußball hat für viele Menschen in Deutschland einen hohen persönlichen Stellenwert. Neben den vielen Spielerinnen und Spielern, die aktiv Fußball spielen, ist besonders die Entwicklung der Zuschauerzahlen im Bereich der ersten und zweiten Fußballbundesliga sowie der dritten Liga der Männer bemerkenswert. Für viele jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer ist die Zugehörigkeit zu einem Verein und/ oder einer Fangruppierung ein besonders Identifikationsmerkmal. Sind sie Teil der organisierten Fanszene, verwenden Sie zudem viel Zeit und Kraft auf die Unterstützung ihrer Vereine und erfahren innerhalb der Fangruppen hierfür Anerkennung und Zuspruch. Für diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind Fan- und Ultragruppen wichtige Peergroups, die maßgebliche ihre individuelle Entwicklung beeinflussen.
Seit Jahren lässt sich im Deutschen Fußball eine Entwicklung beobachten, von der die in der organisierten Fanszene engagierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen in besonderer Weise betroffen sind. Während sich mit der Ultra-Bewegung die derzeit größte Jugendkultur in Deutschland, mit einer grundsätzlich konsumkritischen Haltung, herausbildete, vollzog sich innerhalb der Vereine der ersten drei Ligen eine verstärkte Professionalisierung und Kommerzialisierung des Vereins- und Spielbetriebs. Damit einher ging eine Erosion der klassischen Identifikationsmuster zwischen Verein, Spielerinnen und Spielern, Fans und Stadt bzw. Region. Zudem nahm der Gestaltungsspielraum für engagierte Fans innerhalb der Vereine und Spielstätten zum Teil eklatant ab. Die organisierte Fanszene, unter Ihnen auch die Ultragruppierungen, stehen diesen Entwicklungen kritisch gegenüber. Sie stellt sich gegen verschärfte repressive Maßnahmen gegenüber Fans und die weitere Kommerzialisierung des Profifußballs.
Um die positiven Aspekte des Engagements junger Erwachsener und Jugendlicher in diesem Bereich zu bestärken und vor normenabweichendem Verhalten zu bewahren, sind in den letzten 25 Jahren unabhängig von den Vereinen viele Fanprojekte entstanden. Finanziert wird die sozialpädagogische Arbeit der Fanprojekte durch Kommunen, Bundesländer, den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL). Die inhaltliche Begleitung der Fanbetreuung im Rahmen der Jugendsozialarbeit wird dabei seit 1993 durch die Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) betrieben. Sie ist auch für die Einrichtung weiterer Projekte zuständig. Grundsätzlicher inhaltlicher und organisatorischer Rahmen der Jugendsozialarbeit im Fußballbereich ist das Nationale Konzept Sport und Sicherheit (NKSS), welches von der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) gemeinsam mit vielen Beteiligten ausgearbeitet wurde. Bedingt durch die bereits angerissenen neueren Entwicklungen wurde das NKSS regelmäßig fortgeschrieben.
Die letzte Fortschreibung 2012 geschah unter Federführung das Ministerium für Inneres und Kommunales NRW und wurde erstmals auch unter Beteiligung der Bundesarbeitsgemeinschaft Fanprojekte vollzogen. Seitdem werden die Handlungsempfehlungen und Zielausrichtungen im NKSS von der Erkenntnis getragen, dass Problemlagen und Entwicklungen innerhalb der Fußballstadien keine isolierten gesellschaftlichen Tendenzen darstellen. Besonders die präventive Arbeit mit Fußballfans bedarf demnach einer ganzheitlichen Berücksichtigung der Lebenswelt der Fans über die Spielstätten hinaus. Fanprojekte können durch ihre Nähe zu den handelnden Akteuren einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Jugendliche und junge Erwachsene in ihrer individuellen Entwicklung und in ihrem friedlichen Engagement, zur Gestaltung ihres eigenen Lebensumfelds, zu unterstützen. Sozialpädagogische Fanarbeit zeigt jungen Fans Beteiligungsmöglichkeiten innerhalb des demokratischen Systems auf und bestärkt sie in der Übernahme von Verantwortung. Durch die sozialpädagogische Arbeit können zudem Vorurteile und Diskriminierungsmuster abgebaut und gewaltfreie Konfliktlösungen vermittelt werden. Nicht zuletzt dienen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Fanprojekten als verlässliche Kommunikations- und Informationspartner für Fans, Vereine, Verbände, Polizei und Politik. So schaffen Sie die Grundlage für einen bereichernden Dialog zwischen den Gruppierungen. Gerade das wichtige pädagogische Ansinnen der Beteilung der organisierten Fans, sollte von Seiten der Vereine/Verbände und der Politik ernst genommen werden. In Zuge dessen ist auch eine direkte Einbindung von FanvertreterInnen bei Fortschreibungen des NKSS in Zukunft sinnvoll.
Die wichtige und engagierte Arbeit, die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den derzeit 14 Fanprojekten in NRW leisten, gilt es in angemessener Weise wertzuschätzen und nachhaltig zu unterstützen. Diesbezüglich hat sich auch die Mischfinanzierung zwischen DFL und DFB, Land und Kommunen bewährt. Alle Seiten übernehmen so langfristig Verantwortung für engagierte Jugendliche und junge Erwachsene in den Fanszenen. Zusätzlich ist die dadurch gewährleistete finanzielle Unabhängigkeit der Fanprojekte unabdingbar, damit die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter als Ansprechpartner für alle beteiligten Akteure dienen und zwischen diesen neutral vermitteln können. Wir begrüßen die angekündigte Aufstockung der Mittel von Seiten des DFB und der DFL ab der Saison 2013/14 von derzeit 2,9 Millionen Euro auf insgesamt 5,8 Millionen Euro, wie sie mit der Innenministerkonferenz ausgehandelt worden ist. Mit diesen Mittel können besonders dringende Verbesserungen im Personalschlüssel der Fanprojekte und bei der  materiellen Ausstattung getätigt werden.

II.            Der Landtag stellt fest:

Fußballverein und/ oder organisierten Fanszenen sind für die sich zugehörig fühlenden Jugendlichen und junge Erwachsene ein wichtiges Identifikationsmerkmal. Ihre politische und zivilgesellschaftliche Ausrichtung fördert die individuelle Entwicklung von Jugendlichen. Für eine zielgerichtete Unterstützung der sozialpädagogischen Arbeit in diesem Feld bedarf es einer wissenschaftlichen Begleitung, die die Entwicklung und die Potenziale der organisierten Fanszene verstärkt in den Blick nimmt.
Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den 14 Fanprojekten in NRW leisten wertvolle Arbeit im Bereich der sozialpädagogischen Fanbetreuung. Sie dienen allen Beteiligten als wichtige Informations,- Kommunikations- und Vermittlungspartner. Zudem unterstützen sie Jugendliche und junge Erwachsene in ihrer persönlichen Entwicklung und vermitteln Ihnen demokratische Grundwerte und Verhaltensweisen. Sie unterstützen Jugendliche und junge Erwachsene in ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement und stärken die kritische Auseinandersetzung mit gängigen Stereotypen und Diskriminierungsmustern. Die Arbeit der Fanprojekte ist somit klassische Jugendarbeit.
DFB und DFL tragen eine gesellschaftliche Verantwortung für die Entwicklung innerhalb der Fußballfanszenen, die maßgeblich in  ihrer Ausrichtung bestimmt werden. Auch die jeweiligen Kommunen und das Land Nordrhein-Westfalen  tragen eine Mitverantwortung für die Entwicklung junger Fans hin zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten. Die Mischfinanzierung der Fanprojekte muss zur Wahrung iher Kernaufgaben, sowie der Sicherstellung ihrer neutralen Stellung gegenüber Fans, Vereinen, Verbänden, Politik und Polizei beibehalten werden
Das Land Nordrhein-Westfalen beteiligt sich an der Finanzierung der Fanprojekte aus Mitteln  des Kinder- und Jugendförderplans. Damit wird das Ziel verfolgt, individuellen Risiken des Aufwachsens vorzubeugen und präventive Ansätze zur Vermeidung von Gewalt oder antidemokratischen Denkweisen zu unterstützen. Die Aufstockung der Mittel des Kinder- und Jugendförderplans auf 100 Millionen Euro durch die rot-grüne Koalition hat bereits zu einer Ausweitung der Zahl der geförderten Fanprojekte geführt. Die flexible Ausrichtung  des Kinder- und Jugendförderplans an veränderten Bedarfssituationen erlaubt zudem, auf auftretende Mehrbedarfe im Rahmen des Gesamtbudgets gegebenenfalls flexibel reagieren zu können.

III.           Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
  1. sich bei einer weiteren Fortschreibung des Nationalen Konzepts Sicherheit und Sport (NKSS) innerhalb der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) dafür einzusetzen, neben einer erneuten Einbeziehung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Fanprojekte, auch Vertreter der organisierten Fangruppen zu beteiligen,
  2. darauf hinzuwirken, dass die Mittel zur Ausgestaltung der Koordinierungsstelle Fanprojekte von Seiten des Bundes aufgestockt und dauerhaft sichergestellt werden, um auf diese Weise insbesondere das Controlling und konzeptionelle Weiterentwicklung der Arbeit der Fanprojekte, sowie die wissenschaftliche Begleitung der Fanprojekte und der Entwicklung innerhalb der Fanszene sicherzustellen,
  3. an der Mischfinanzierung durch Deutschen Fußball-Bund (DFB)/ Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL), Kommunen und Land festzuhalten, 
  4. die finanzielle Unterstützung für die Arbeit der Fanprojekte, auch nach Aufstockung der Mittel durch DFB/DFL in voller Höhe im Rahmen des Kinder- und Jugendförderplans beizubehalten und dort wo notwendig im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Kinder- und Jugendförderplans aufzustocken.