Norwich Rüße: „Die Weihnachtsbaumanbauer sind über jedes Maß hinausgegangen.“

Gesetzentwurf von SPD und GRÜNEN zum Landesforstgesetz

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Deppe, was Sie da abgeliefert haben, war unglaublich. Dass Sie keinerlei Rücksicht auf die Menschen vor Ort nehmen und sich allein vor den Karren der Weihnachtsbaumanbauer spannen lassen, ist abenteuerlich.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob die Abgeordneten der CDU eigentlich die Resolution aus dem Hochsauerlandkreis einmal gelesen haben. Wir sind dort aufgefordert worden, umgehend die gesetzliche Grundlage zu verändern. Die dortigen Abgeordneten bzw. die Mitglieder des Kreistages haben gewusst, was sie tun, als sie diese Revolution verabschiedeten. Die haben sich die Probleme vor Ort angeschaut.
(Widerspruch von der CDU)
Sie dagegen ignorieren die Probleme. Sie wollen sie nicht wahrhaben.
An dieser Stelle will ich Ihnen eines deutlich sagen: Die Verursacher der von uns vollzogenen Gesetzesänderung sind die Weihnachtsbaumanbauer, die über jedes Maß hinausgegangen sind.
(Zuruf von der CDU: Welche denn? Wie viele denn?)
– Wie viele? – Es geht um die Fläche.
(Zuruf von der CDU: Wie viele sind es denn?)
– Wie viele es sind, wissen Sie doch. Es sind 600. Herr Deppe hat doch gesagt, die würden alle dadurch ruiniert, was natürlich völliger Blödsinn ist, weil es an der Stelle nur um ein Viertel der Fläche geht
Dann will ich mit Ihnen auch noch einmal über die Mär der Kyrill-Flächen reden. Diesbezüglich können Sie auch noch einmal in die Resolution hineinschauen. Es geht doch längst nicht mehr nur um Kyrill-Flächen. Ich zitiere aus der Resolution:
Neben den Kyrill-Flächen werden zunehmend aktiv Fichtenbestände geschlagen und als Weihnachtsbaumkulturen wieder bestockt, dies insbesondere von Großbetrieben.
Da sind Sie genau bei denen, die Sie gerade meinten, bei den drei, vier ganz Großen, die dort Hunderte von Hektar Weihnachtsbaumkulturen bewirtschaften.
Jetzt komme ich zu einer ganz anderen Sache. Das Ganze ist kein Konflikt zwischen Weihnachtsbaumanbauern und der „Bürgerinitiative giftfreies Sauerland“. Ich habe in den letzten Wochen etliche Anrufe, E-Mails und sogar Briefe von anderen Menschen bekommen. Es gibt eine Pensionsbetreiberin dort in der Region, die eine kleine Gaststätte hat. Sie schrieb: Lieber Herr Rüße, bitte sorgen Sie dafür, dass dieses Gesetz umgehend durchgesetzt wird. Meine Pension leidet darunter. – Diese Menschen äußern sich nicht gerne so ganz laut.
Dann gibt es noch eine Menge Waldbauern, die keine Weihnachtsbaumkulturen haben, aber aus ihrem Waldbauernverständnis heraus sagen: Was dort im Wald passiert, ist nicht in Ordnung. Bitte, macht dieses Gesetz.
(Beifall von den GRÜNEN)
Weiter gibt es die Gruppe derjenigen, die eben nicht mit Hunderten von Hektar Weihnachtsbaumkultur betreiben, sondern das in kleinem Umfang machen und sich bemühen, umweltverträglich zu wirtschaften. Die sagen: Bitte, macht dieses Gesetz, weil uns die großen Anbauer völlig kaputtkonkurrieren.
Es gibt noch eine Gruppe: Ich bin – ich fand das ganz spannend – sogar von zwei älteren Ehepaaren aus dieser Gruppe, die – wie ich – aus dem Münsterland kommen, angesprochen worden. Sie sagten: Wir haben da immer Urlaub gemacht. Eigentlich war es immer schön. Wir sind immer gerne dort hingefahren, aber jetzt nicht mehr. Man weiß nicht einmal mehr, wie man durch diese Kulturen hindurchlaufen soll, weil da überall Zäune sind. Man kommt da nicht durch.
(Zurufe von der CDU)
Fazit ist: Es geht an dieser Stelle um die Interessen vieler verschiedener Gruppen von Menschen und nicht nur um die Interessen von Weihnachtsbaumanbauern. Vor allem geht es auch – das blenden Sie völlig aus – um die ökologischen Belange.
Um das Ganze endlich in den Griff zu bekommen, reicht eine freiwillige Vereinbarung, die Sie hier immer wieder predigen, bei Weitem nicht aus. Sie haben gerade gesagt, die Anbauer würden uns 10 % der Flächen zur Verfügung stellen. Das stimmt doch gar nicht. In der Vereinbarung – die hätten Sie einmal lesen sollen – war das für die drei großen Betriebe vorgesehen. Die anderen sollten viel weniger zur Verfügung stellen. Insgesamt war eine Fläche von 400 ha angedacht, die sie bei insgesamt 18.000 ha zur Verfügung stellen wollten. – Das ist der Punkt, um den es ging. Es ging nicht nur um die Waldflächen.
Herr Deppe, Frau Watermann-Krass und ich haben viele Gespräche geführt.
Mit diesem Gesetzentwurf sind wir den Anbauern sehr weit entgegengekommen: Wir haben eine Übergangszeit eingebaut, die sehr weitreichend ist. Damit wird den Anbauern so weit entgegengekommen, dass sie sich verlässlich auf diese Änderung einstellen können. Wir haben die Zwei-Hektar-Kleinerzeugerregelung eingeführt, und wir haben den Anbau unter Stromtrassen jetzt freigegeben. Das kritisieren Sie.
Jetzt kommen wir mit unserem Änderungsantrag den Anbauern noch einmal entgegen und sagen: Unter bestimmten Voraussetzungen sind wir bereit, euch von diesen 400 ha Waldflächen einen bestimmten Anteil zu geben, wenn ihr dort die Weihnachtsbäume so anbaut, dass es einem Wald gerecht wird.
Fazit ist, dass wir mit diesem Gesetz eine Gesetzeslücke schließen, die es in anderen Bundesländern gar nicht gibt. Von daher gehen wir hier keinen Sonderweg, sondern schließen uns den anderen Ländern an.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, Ihre Redezeit.
Norwich Rüße (GRÜNE): Wir beenden damit eine Ausnahmestellung Nordrhein-Westfalens, und wir sorgen damit ein Stück weit für Frieden in den Orten. Eines sage ich Ihnen: Ohne den Druck dieses Gesetzesvorhabens – das sage ich Ihnen – wären die Anbauer niemals gesprächsbereit gewesen. Wir haben Bewegung in die Sache gebracht. Sie hätten das Problem auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.
(Beifall von den GRÜNEN)