Mario Krüger: „Sie sollten auch einmal anerkennen, wie sich die Situation in den überschuldeten Gemeinden tatsächlich darstellt.“

Stärkungspaktgesetz

Mario Krüger (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Kollegen, meine lieben Kolleginnen! Lassen Sie mich eingangs sagen: Nachdem ich Ihre Ausführungen, Herr Kuper, gehört habe, kann ich nur ein Resümee ziehen: Das ist an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich habe mir erzählen lassen: 2011, als diskutiert worden ist über die Frage, wie wir mit der Situation der hoch verschuldeten, der überschuldeten Gemeinden umgehen, wurde von Ihrer Seite – „ihrer“ klein geschrieben – gesagt: Das, was da an Landesgeldern bereitgestellt worden ist, ist überhaupt nicht auskömmlich. Wir brauchen zusätzliches Geld. – Sprich: Oben sollten noch 300 Millionen € drauf.
Sie haben schon seinerzeit keine Antwort gegeben, wie das denn finanziert werden soll.
(Michael Hübner [SPD] und Hans-Willi Körfges [SPD]: Aus dem GFG!)
– Danke für den Hinweis! Den brauchte ich nämlich. Den brauchte ich deshalb, weil das die Herangehensweise der CDU in ihrer Regierungszeit war. Die haben nämlich Folgendes gemacht: Befrachtungen vorgenommen, bestimmte Bestandteile wie die Grunderwerbsteuer herausgenommen. Mit dem Ergebnis: Es gab eine Verteilmasse, die in Abzug gebracht werden konnte. Das hat uns als Landeshaushaltsgesetzgeber gutgetan. Möglicherweise wäre Ihre Herangehensweise Folgende gewesen: Auf diese Art und Weise finanzieren wir auch den Solidarpakt.
Das machen wir nicht. Das haben wir beispielsweise im Zusammenhang mit der Diskussion zur Verabschiedung des GFG 2014 deutlich gemacht. Ich will Ihnen die Zahlen vor Augen führen: Als Landesgesetzgeber geben wir rund 420 Millionen € für den Stärkungspakt. Rund 400 Millionen € beträgt der Wert, der durch die Herausnahme der Befrachtung und die Einbeziehung der Grunderwerbsteuer herausgekommen ist.
Dann schüren Sie so richtig schön den Konflikt zwischen den angeblich gut arbeitenden, sparsamen Westfalen, Rheinländern usw. Man kann das beliebig ausweiten.
(Zuruf von der CDU: Eben nicht! – Gegenruf Dietmar Bell [SPD]: Keine Ahnung! Frechheit! Schämen Sie sich! Fragen Sie Ihren Oberbürgermeister Peter Jung! – Weitere Zurufe)
– “Angeblich“. – Folgt man Ihnen, können die Politiker aus den Ruhrgebietsstädten gar nicht anders, als mit dem Geld nur prassend umzugehen.
(Zurufe von der CDU)
Das ist doch völlig daneben. Selbstverständlich nehme ich wahr, dass alle in diesem Zusammenhang versuchen, mit den Haushaltsmitteln sparsam umzugehen. Das ist im Übrigen Ihre Verpflichtung.
Selbstverständlich wissen wir – das trifft nicht nur für rot-grün, sondern auch für schwarz-gelb geführte Gemeinden –
(Kai Abruszat [FDP]: Das gilt auch für Schwarz-Grün!)
aus der Vergangenheit, dass es eine ganze Reihe von Fehlentscheidungen mit Blick auf die Schaffung von Infrastruktureinrichtungen gegeben hat, die ohne Zweifel heute sicherlich haushaltsbelastend sind.
Aber Sie sollten auch einmal anerkennen, wie sich die Situation in den überschuldeten Gemeinden tatsächlich darstellt. Herr Kuper, Sie haben vorhin das Beispiel Monheim gebracht. Ich fand das nett. Wenn man sich die Situation der Stadt Monheim im Detail ansieht, stellt man fest, dass Monheim, eine Gemeinde mit 40.000 Einwohnern, Gewerbesteuereinnahmen erzielt, die etwa mit denen der Stadt Duisburg vergleichbar sind.
(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])
Bezogen auf die Planungen, die für 2014 angesetzt worden sind, haben wir Vergleiche, die etwa auch mit Dortmund greifen. Wir haben in den Stärkungspaktgemeinden Gewerbesteuereinnahmen pro Kopf zwischen 400 € und 500 €.
Eine Stadt wie Düsseldorf jammert über ihre Defizite, die sie in den letzten zwei Jahren gehabt hat, und hat ein Pro-Kopf-Einnahmen von etwa 1.400 €. Das heißt, es gibt eine Differenz von 1.000 € Gewerbesteuereinnahmen pro Kopf. Das multipliziert mit 600.000 Einwohnern bedeutet einen Mehrertrag von 600 Millionen €, die der Stadt Düsseldorf zur Verfügung stehen und die die Stadt Duisburg nicht hat.
(Zurufe von der CDU)
Das kann man natürlich in der Richtung verstehen, dass die Duisburger offensichtlich nicht sparsam mit ihren Geldern umgehen können. Das ist die Realität; mit der sollten Sie sich auseinandersetzen.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)
– Ich finde es schön, dass Sie sich ereifern.
Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Krüger, es gibt den Wunsch …
(Fortgesetzt Zurufe von der CDU und der FDP)
Mario Krüger (GRÜNE): Man muss Ihnen auch mal die Wahrheit ins Gesicht sagen können.
Wenn Sie dann …
(Unruhe)
Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Krüger, es ist relativ laut. Deshalb kann man sich schlecht verständigen. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage von Herrn Abruszat.
(Kai Abruszat [FDP]: Nein, nein! – Mario Krüger [GRÜNE]: Trau dich doch! – Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
– Das war mein Fehler. Der Kollege Orth hat sich gemeldet. Würden Sie seine Zwischenfrage auch zulassen?
Mario Krüger (GRÜNE): Ja, gerne. Im Gegensatz zu meinem Vorredner, Herrn Kuper.
(André Kuper [CDU]: Genau!)
Präsidentin Carina Gödecke: Bitte schön.
Dr. Robert Orth (FDP): Wir haben einiges über die Gewerbesteuereinnahmen der einen oder anderen Kommune in Nordrhein-Westfalen gelernt.
Ich selbst bin Düsseldorfer Bürger. Ich bin hier geboren, aufgewachsen und hier nie weggekommen – das mag man mir vorwerfen –, weshalb ich die Verhältnisse hier gut kenne. Ich hätte gern von Ihnen bewusst, wie Sie bewerten, dass sowohl die Verteilung des Gewerbesteueraufkommens als auch der Einkommensteuer durch bundesgesetzliche Regelungen erfolgt und deswegen die Stadt Düsseldorf einen Anspruch darauf hat und sich dafür nicht entschuldigen muss, dass sie diese Einnahmen hat. Haben Sie sich mal gefragt, ob es auch an guter Politik liegen kann, dass man hier bessere Einnahmen als in anderen Städten erzielt?
(Beifall von der FDP und der CDU)
Mario Krüger (GRÜNE): Herr Orth, ich weiß nicht, ob Sie mir zugehört haben.
(Zuruf von der SPD: Nein! – Weitere Zurufe)
Wenn Sie mir zugehört hätten, wüssten Sie: Ich habe weder der Stadt Düsseldorf vorgehalten, dass sie zu hohe Gewerbesteuereinnahmen erzielt, noch der Stadt Duisburg, dass sie zu niedrige Gewerbesteuereinnahmen erzielt.
Ich habe an diesem kleinen Beispiel nur deutlich machen wollen, wie hoch die Unterschiede innerhalb der kommunalen Familie sind, und dass das nicht nur etwas mit Fehlentscheidungen bei Investitionsmaßnahmen zu tun hat, die vor Ort getroffen wurden – ich will gar nicht in Abrede stellen, dass es sie auch gegeben hat –, sondern dass das in großem Umfang mit den strukturellen Schwächen in den einzelnen Gebietskörperschaften zu tun hat.
(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD] – Zurufe von der FDP)
Ich möchte gern überleiten – damit bin ich beim Schluss meiner Antwort auf Ihre Frage – zu der Herangehensweise, die ich beispielsweise in der letzten Sitzung des Finanzausschusses erlebt habe, als über das GFG und den Stärkungspakt diskutiert wurde. Ihr finanzpolitischer Sprecher, Herr Optendrenk, sagte dann: Die Grundlinie ist durch unseren Fraktionsvorsitzenden vorgegeben.
(Kai Abruszat [FDP]: Herr Optendrenk ist finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion! Wir sind immer noch eine eigenständige Partei!)
– Entschuldigung, dass ich das wegen der Schnelligkeit durcheinandergeworfen habe. Manchmal ist das alles für mich nur so ein schwarz-gelber Brei. Das mag man mir zugestehen.
Präsidentin Carina Gödecke: Sie müssen bitte auf die Redezeit achten.
Mario Krüger (GRÜNE): In diesem Zusammenhang ist ausgeführt worden: Zuerst einmal kümmern wir uns um den Landeshaushalt. Wir haben genug damit zu tun. Finanzielle Ressourcen für den Stärkungspakt sehen wir nicht. – Ich greife die Worte Ihres Fraktionsvorsitzenden Laumann vom Januar dieses Jahres auf, denn er hat ganz klar gesagt: Normalerweise würden wir das von der CDU nicht machen.
Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Krüger, Ihre Redezeit.
Mario Krüger (GRÜNE): So sieht die Toleranz und die Herangehensweise der CDU zur Kommunalfreundlichkeit aus. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Minister Guntram Schneider: Sehr gut!)