Fairen Wettbewerb schaffen: Klare energiewirtschaftliche Regelungen bei der Vergabe von Konzessionen für Strom- und Gasnetze

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN

1. Ausgangslage

Das Energiesystem richtet sich künftig stärker dezentral aus. Dabei rücken die Konzessionen für die Strom- und Gasverteilnetze in den Gemeinden verstärkt in den Blickpunkt, mit denen die Kommunen das Wegenutzungsrecht an einen Konzessionär übertragen. Über die Konzessionsvergabe wird im Allgemeinen alle 20 Jahre neu entschieden. Die Vergabe von Stromkonzessionen ist eine wichtige Richtungsentscheidung hinsichtlich der zukünftigen lokalen Energieversorgung und der kommunalen Einflussmöglichkeiten.
Eine einfache Verlängerung oder Neuvergabe dieser Verträge ist rechtlich nicht zulässig. Zuvor muss vielmehr ein wettbewerbliches, in § 46 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) gesetzlich verankertes Konzessionsvergabeverfahren nach europäischem Primärrecht transparent und diskriminierungsfrei durchgeführt werden.
Soweit sich die Kommunen in dem Verfahren zur Einräumung der Wegerechte an die rechtlichen Vorgaben und die Rahmenbedingungen halten, die die aktuelle Rechtsprechung aufgezeigt hat, bestehen grundsätzlich aus kartell- und wettbewerbsrechtlichen Gründen keine Bedenken gegen die Konzessionsvergabe an kommunale Unternehmen oder Unternehmen, an denen Kommunen beteiligt sind. Kommunales Engagement in Richtung auf eine (Re-)Kommunalisierung dient auch der Sicherung und Intensivierung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs.
Der Trend zur Übernahme von Strom- und Gasnetzen durch Kommunen und kommunale Unternehmen hält unverändert an. Der VKU und der Städte- und Gemeindebund NRW wiesen im Herbst 2012 darauf hin, dass es seit 2007 über 60 Stadtwerke-Neugründungen und 170 Konzessionsübernahmen durch Kommunen und kommunale Unternehmen in Deutschland gegeben hat.
Die Konzessionsvergaben der letzten Jahre zeigen aber auch, dass aufgrund vorhandener Regelungslücken und Beschränkungen bei der Vergabe von Konzessionsverträgen zum Teil erhebliche Rechtsunsicherheiten bestehen.
SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben bereits in ihrem Koalitionsvertrag vom Juni 2012 vereinbart, den Kommunen Unterstützung bei Initiativen zur (Re-) Kommunalisierung von Netzen z.B. durch Hilfestellung bei Rechtsfragen, Beratung, Refinanzierungsmöglichkeiten anzubieten.

II. Probleme bei den Konzessionsverfahren

Konflikte zwischen Alt- und Neukonzessionären sowie unsachgemäße Nachteile für die neuen Energieversorgungsunternehmen beziehen sich insbesondere auf folgende Themen:

  • Verfahren der wirtschaftlich angemessenen Netzvergütung bei Übereignungen,
  • Die mangelnde Bereitschaft der Altkonzessionäre zur Herausgabe von Daten und
  • Risiken für die Konzessionen vergebenden Kommunen durch Verzögerungen bei der Übergabe.

Werden Konzessionsverträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert, so ist der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine entsprechenden Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen „gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ (§ 46, Abs. 2, Satz 2, EnWG) zu übereignen.
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 16. November 1999 (BGH – KZR 12/97 – „Kaufering“) entschieden, dass ein auf Sachzeitwertbasis ermittelter Kaufpreis verhindernd wirkt und damit unwirksam ist, wenn er die Übernahme des Stromverteilnetzes unter Zugrundelegung der Maßstäbe wirtschaftlicher Vernunft ausschließt bzw. ausschließen würde.
Das Beharren von Altkonzessionären auf der Sachzeitwertposition führt aber oft schon im Vorfeld zur Abschreckung potenzieller Bewerber. Des Weiteren führen überhöhte Kaufpreise für den Neukonzessionär zu Erschwernissen bei der Finanzierung später notwendiger Netzinvestitionen, da die Refinanzierung des Kaufpreises im gesetzlich ebenso vorgeschriebenen Netzentgeltregime nicht mehr gewährleistet ist.
Die Herausgabepflicht des Altkonzessionärs bzgl. der relevanten Netzdaten ist schon heute gesetzlich geregelt. Der Umfang und die Details dazu allerdings nicht. Datenherausgaben beruhen damit faktisch immer noch zu einem Großteil auf dem guten Willen der Altkonzessionäre.
Zwar legen auch das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur in ihrem gemeinsamen Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers dar, dass ein potenzieller Bieter in dem vorgenannten wettbewerblichen Verfahren im Vorfeld seiner Angebotsabgabe schon Informationen über das in Rede stehende Verteilernetz bedarf. Trotzdem sieht sich mancher Altkonzessionär noch nicht in der Pflicht zur Herstellung von Transparenz durch die Herausgabe der Daten.
Die bisherigen Neuvergaben von Konzessionen haben gezeigt, dass die Netzübergaben von den Altkonzessionären teilweise erschwert und verzögert werden. Dies führt zu finanziellen Risiken für die Konzessionen vergebende Kommune. Denn Altkonzessionäre berufen sich immer wieder darauf, dass sie nach Ablauf eines Jahres nach Beendigung ihres bisherigen Wegenutzungsvertrages mit der Kommune keine Pflicht zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Konzessionsabgabe mehr trifft.
Der Landtag stellt fest:

  • Städte und Gemeinden, die ihre örtliche Energieversorgung verbrauchernah und dezentral ausrichten möchten, haben mit einer Netzübernahme die Möglichkeit, diesen Prozess mit zu steuern und die Energiewende vor Ort und für den Bürger aktiv zu gestalten. Dabei nehmen die Kommunen aktiv ihre verfassungsrechtlich geschützte Verantwortung für die Gewährleistung der Daseinsvorsorge wahr. Beim Wettbewerb um Strom- und Gasnetzkonzessionen ist dieses verfassungsrechtlich verankerte Recht auf kommunale Selbstverwaltung neben den anderen gesetzlichen Vorgaben zu berücksichtigen.
  • Nachteile für Kommunen und kommunale Unternehmen bei der Konzessionsvergabe sind unangemessen und müssen deshalb beseitigt werden.

Der Landtag fordert daher die Landesregierung auf,
1. sich in einer neuen Bundesratsinitiative für klare energiewirtschaftsrechtliche Regelungen für eine rechtssichere Konzessionsvergabe einzusetzen, die kommunale Netzübernahmen nicht unangemessen einschränkt.

Dabei ist insbesondere sicherzustellen, 

  • dass die wirtschaftlich angemessene Vergütung der Altkonzessionäre durch den Neukonzessionär zukünftig unter Berücksichtigung der mit dem Netz zu erzielenden Erlöse nach einem objektivierten Verfahren ermittelt wird. Dabei ist zu prüfen, ob das Ertragswertverfahren, das den Barwert aller künftigen Erträge berücksichtigt, zur Bemessung der Vergütung zugrunde gelegt werden soll.
  • dass die vollständigen und relevanten Netzdaten von den Altkonzessionären rechtzeitig für die Durchführung des wettbewerblichen Verfahrens in einem Umfang zur Verfügung gestellt werden, wie es bei Unternehmensbewertungen und Unternehmenskäufen in der „privaten Wirtschaft“ üblich ist.
  • dass die Pflicht des bisherigen Nutzungsberechtigten zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Konzessionsabgabe gegenüber der Gemeinde auch nach Ablauf eines Jahres nach Ende des Alt-Wegenutzungsvertrages fortbesteht, sofern der Neukonzessionär den Netzbetrieb noch nicht aufgenommen und der Altkonzessionär Anlass für die Verzögerung der Netzübertragung an den neuen Nutzungsberechtigten gegeben hat.

2. zu prüfen, ob weiterer Handlungsbedarf besteht und die Erkenntnisse der Prüfung in die Initiative mit einfließen zu lassen.