Reiner Priggen: „Eine der ganz großen Hausausgaben ist die Infrastruktur“

Einbringung des Haushaltsentwurfs 2014

Reiner Priggen (GRÜNE): Schönen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe marxistische Schwarmintelligenz! Ich habe jetzt gelernt, dass Sie sich anders einsortieren.
(Beifall von den PIRATEN)
Die heutige Debatte findet vor dem Hintergrund – das kommt immer wieder durch – der Bundestagswahl am letzten Sonntag statt. Viele von uns sind von dem Ergebnis geprägt und stark beeinflusst. Wir haben in ganz unterschiedlicher Form Hausaufgaben aufbekommen. Man kann mit allem Respekt sagen: Die Wahl war für die Bundeskanzlerin ein Erfolg. Es fällt niemandem ein Zacken aus der Krone, das anzuerkennen. Alle anderen haben in unterschiedlicher Weise Hausaufgaben zu erledigen. Wir machen unsere – das ist nicht immer ganz einfach – und arbeiten weiter da, wo wir hingestellt worden sind. Das ist unsere Aufgabe.
(Beifall von den GRÜNEN)
Herr Kollege Laumann, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört und war völlig verdutzt, als Sie damit angefangen haben, dass der Haushalt ohne neue Ideen und ohne neue Projekte sei.
(Karl-Josef Laumann [CDU]: Das ist er doch!)
Ich habe die herzliche Bitte an Sie: Machen Sie unsere beiden Regierungsfraktionen nicht wuschig. Wir bemühen uns, mit den Fraktionen darum zu ringen, den alten Ungeist, neue Projekte durchzuführen, die viel Geld kosten, zugunsten einer sparsamen und vernünftigen Haushaltslinie einzudämmen. Und Sie tun hier einfach so, als ob man in den Pott packen und neues Geld auf den Markt werfen könnte. Das geht nicht, und das wissen Sie ganz genau.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die ganze Rede war ein ziemlicher Trödelmarkt, das will ich Ihnen sagen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Als der Kollege Römer nach dem roten Faden gefragt hat, haben Sie dazwischengerufen: Den werden Sie bei mir nicht finden. – Das war auch richtig so.
(Karl-Josef Laumann [CDU]: Wir haben schwarze Fäden! – Heike Gebhard [SPD]: Einsicht ist der beste Weg zur Besserung!)
Ich will aber auf die vor uns liegenden Aufgaben schauen. Wir stehen vor der Situation, dass im Bund eine neue Regierung gebildet werden muss. Möglicherweise gibt es jetzt – Sie haben ja immer eine Vorliebe für Fegefeuerbilder –
(Karl-Josef Laumann [CDU]: Ja!)
ein Fegefeuer. Entweder wird dann mit Biomasse befeuert oder mit Steinkohle, aber es gibt eins.
(Heiterkeit von Karl-Josef Laumann [CDU])
– Sie können noch Spaß haben, denn der Laschet liegt, so wie es aussieht, oben auf dem Fegefeuer – und nicht Sie.
(Heiterkeit – Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von den GRÜNEN: Der braucht auch nicht so viel Feuer!)
– Es braucht weniger Glut, das ist richtig.
(Heiterkeit – Weiterer Zuruf von den GRÜNEN: Da ist weniger zu grillen!)
– Ja, das ist weniger zu grillen.
(Allgemeine Heiterkeit)
– Aber jetzt mal zum Thema. Lassen Sie mich auf die vor uns liegenden Aufgaben kommen, die in Teilen angesprochen worden sind und die diese Bundesregierung lösen muss. Bei allem, was man an Arbeit in seiner eigenen Partei hat, haben wir eines geschafft: Der Kurs, den die vorherige Bundesregierung – sehr oft zum Schaden dieses Landes, weil Probleme nicht oder zu unseren Ungunsten gelöst worden sind – gefahren ist, geht auf keinen Fall so weiter. Das sind wichtige Punkte, an denen Sie mitarbeiten müssen; denn Sie kommen da auf gar keinen Fall heraus.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich will sechs Punkte ansprechen, als Erstes die Frage der Infrastruktur. Wir wissen, dass wir einen Sanierungsstau bei Brücken haben. Das sind Brücken, die in den 70ern gebaut worden sind. Da wog ein durchschnittlicher Lkw 26 t. Jetzt wiegen die Lkws 46 t. Wir haben eine Infrastruktur, die sehr gut ist und die wir brauchen. Wenn wir Pressemeldungen verfolgen, wonach eine Firma mit Schwerkran nur noch zwei Brücken über den Rhein nutzen kann, dann wissen wir auch, dass es absolut dringend notwendig ist, dass der Bund ein Brückensanierungsprogramm für Bundesautobahnen und Bundesstraßen durchführt. Das Volumen für Nordrhein-Westfalen liegt in den nächsten zehn Jahren bei rund 4,5 Milliarden €.
Wir sagen: Finanziert es über eine Ausdehnung der Lkw-Maut auf alle Lkws ab 3 t. Das soll von uns aus in einem Fonds nur für die Sanierung der Maßnahmen gebunden sein, damit diese Infrastruktur nicht verludert, sondern erhalten werden kann; denn wir brauchen sie dringend. Das ist eine Aufgabe, die auf jeden Fall gelöst werden muss. Ich kenne keinen Vorschlag der Bundesregierung dazu.
Ich will ganz klar sagen, was an der Stelle nicht geht: eine Pkw-Maut, so wie sie der Kollege Seehofer aus Bayern möchte. Für Ausländer wollen wir sie schon gar nicht. Wir wissen alle, wie das EU-Recht ist. Ich halte aber auch eine Pkw-Maut für Binnenländer für unvernünftig. Sie ist gerade für die nordrhein-westfälischen Pendler schädlich.
(Beifall von den GRÜNEN)
Eine der ganz großen Hausausgaben ist also die Infrastruktur. Dieses Problem muss gelöst werden. Wir reden über 4,5 Milliarden € für NRW.
Als Zweites will ich die Kommunen ansprechen. In der Rede, die Sie, Herr Kollege Laumann, gehalten haben, ist ein Punkt aufgetaucht, zu dem wir hier in der Zeit der Minderheitsregierung schon einmal mit drei Fraktionen einen gemeinsamen Antrag gestellt haben. Damals haben wir gesagt: Die Kommunen gehen in die Knie, weil sie die Soziallasten in der Höhe nicht tragen können.
Es ist richtig, dass wir über den Bundesrat dafür gesorgt haben, dass ein Teil passiert ist. Wir wissen aber auch, dass die Eingliederungshilfe gezahlt werden muss, aber alle unsere Kommunen dabei in die Knie gehen. Es ist nicht die Schuld irgendeiner Kommune, die schlecht gewirtschaftet hat, sondern es handelt sich um eine Leistung, bei der wir aus meiner Sicht damals einen Konsens hatten, den man auch weitertragen müsste, damit das an der Stelle passiert. Das betrifft vor allem die Eingliederungshilfe und aus meiner Sicht auch die Kosten der Unterbringung. Das ist die zweite Baustelle.
Die dritte Baustelle, auf der gearbeitet werden muss, ist komplex und schwierig. Wir alle sind in jedem Fall beteiligt. Wir wissen nicht, wie die Regierungsbildungen in Hessen und im Bund ausgehen, aber wir sind über die Mehrheitsbildung im Bundesrat dort alle beteiligt. Ich meine die Frage des Finanzausgleichs zwischen den Ländern und um die Frage, wie die Entwicklung des „Soli Ost“ weitergeht. Ich weiß auch, dass Verträge einzuhalten sind. Es gibt aber den Zustand, dass unsere Kommunen mit Millionenbeträgen einen Aufbau Ost finanzieren. Er war bitter nötig, aber wenn man jetzt manchmal genau hinsieht, denkt man, dass er etwas abgeschmolzen werden und es anders laufen könnte. Die Frage des Ausgleichs zwischen den Ländern, die Ende 2019 ansteht, muss vorbereitet und vernünftig beantwortet werden. Das ist die dritte Aufgabe an der Stelle.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die vierte Aufgabe betrifft das Kooperationsverbot. Das Kooperationsverbot für Schulen muss aus unserer Sicht fallen. Dieses Problem sollte jetzt auch im Bund auf der Tagesordnung stehen und dort gelöst werden, weil es vernünftig ist, wenn sich der Bund da anders beteiligt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der fünfte Bereich ist aus meiner Sicht der gesamte Bereich der Energiepolitik. Er ist mehrfach angesprochen worden. Was aber ist im Bund passiert? Im Oktober 2010 ist der Atomausstieg rückgängig gemacht worden, um ihn dann nach dem Unglück im März 2012 in Fukushima zu beschließen. Das ist aber die einzige vernünftige energiepolitische Entscheidung in den letzten vier Jahren gewesen. Ansonsten gab es Agonie und Stillstand. Die jetzige Diskussion führt zu einer maximalen Verunsicherung für alle Investoren. Diejenigen, die Kraftwerke bauen wollen – neue, moderne und effiziente Gaskraftwerke oder Pumpspeicherwerke –, sagen uns: Wir können es nicht, weil im Bund nichts entschieden worden ist.
Wir wissen, dass der Bund keine Strategie hat. Ein „Masterplan Energiewende“ fehlt. Er müsste erstellt werden; das ist dringend notwendig. Das betrifft den Bereich Gebäudesanierung und den Ausbau erneuerbarer Energien.
Hinsichtlich der Erneuerbaren ist manchmal von einem „ungezügelten Ausbau“ schwadroniert worden. Wir sind bei 25 %. Das Ziel der Bundesregierung Merkel lag bei 35 % für 2020. Das ist in sechs Jahren. Ich habe einmal nachgesehen: Im Wahlprogramm der Sozialdemokraten lag das Ziel für 2020 bei 45 %. Das heißt, es geht um einen kontinuierlichen weiteren Ausbau.
Ich verkenne überhaupt nicht, dass in der Novellierung Sachen neu, vernünftig und anders geregelt werden müssen. Wir haben diskutiert: Es gibt Teilelemente bei den Zahlungen im Bereich der Erneuerbaren – wie die Marktprämie und anderes –, die erst mit Schwarz-Gelb hineingekommen sind, aber herausgehören, weil sie überhaupt nichts bewirken. Allein die Marktprämie im Bereich „Wind“ macht über 200 Millionen € aus. Die gehört da nicht hinein.
Ich komme zu dem Wildwuchs bei den Umlagen und sage Ja zur Befreiung für energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen – aber doch nicht in einer solchen Kraut-und-Rüben-Operation, wie das von Herrn Rösler gemacht worden ist.
(Christian Lindner [FDP]: Herr Altmaier!)
– Ja, das Stichwort „Altmaier“ ist sehr hilfreich. Sie haben immer Spaß daran, den Wirtschaftsminister wahlweise gegen Herrn Remmel oder mich zu stellen. Ich habe in den letzten Jahren in der Energiepolitik Folgendes erlebt: Wenn Herr Altmaier einen vernünftigen Vorschlag machte – zum Beispiel Beteiligung der Bürger an der Finanzierung des Netzausbaus –, hat es keine drei Minuten gebraucht, bis der Bundeswirtschaftsminister das dementierte. Das geschah jedes Mal wieder. Es gab eine komplette Bremse, einen kompletten Stillstand. Das betraf zwei Bundeswirtschaftsminister aus der FDP. Unabhängig von allem anderen, was mit dem Wahlergebnis zu tun hat, muss ich sagen: Dass das aufhört, ist allein ein Fortschritt und war den Wahlabend wert.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es gibt in der Frage eine ganz wichtige Debatte. Wir diskutieren mit vielen, die Kraftwerke betreiben und herstellen. Die Situation ist sehr unterschiedlich. Wir müssen die Frage der Kapazitätsmärkte diskutieren. Das ist ein Teil der Aufgabe. Versorgungssicherheit hat einen Preis; es ist eine Leistung. Doch wie man das genau macht, dazu gibt es keinen Vorschlag der Bundesregierung. Es gibt einen Vorschlag vom VKU, es gab einen Vorschlag der Grünen, es gab intensive Diskussionen. Das transparent durch Ausschreibungen zu gestalten und moderne und hoch effiziente Kraftwerke zu bauen, das ist die Zielsetzung, und dazu hat ist nichts vorgelegt worden.
Zum letzten Punkt im Energiebereich: Wir haben vier kommunale Projektvorhaben für Pumpspeicher in Nordrhein-Westfalen. Sie werden geplant, was wir auch unterstützen. Aber von allen vier Projektvorhaben hört man, dass über die Investitionen erst 2017 entschieden wird, weil sich unter den Bedingungen, die uns diese Bundesregierung hinterlassen hat, an der Stelle keine Investitionsentscheidungen treffen lassen. Insofern ist es dringend notwendig, sich dieser Aufgabe zuzuwenden.
Lassen Sie mich einen sechsten Punkt der Hausaufgaben ansprechen. Der Punkt ist nicht dramatisch, aber es gibt jetzt eine Chance, ihn zu lösen. Das ist die Frage der Konversion. Wir in Nordrhein-Westfalen haben in den nächsten Jahren den Verlust von 10.000 Dienstplätzen bei der Bundeswehr. Es ist eigentlich ein schöner Prozess, dass wir die Bundeswehr immer wieder deutlich reduzieren können, aber es ist für die Standorte – ich denke gerade an den Standort Rheine im Wahlkreis von Herrn Laumann – eine schwierige Situation. Wenn 1.600 Arbeitsplätze wegfallen, ist das schon eine Betriebsschließung. Wir haben dazu in Nordrhein-Westfalen den kompletten Rückzug der britischen Streitkräfte mit 20.000 Plätzen, auch innerhalb dieser Spanne, manche ein bisschen eher.
Genau jetzt gibt es die Chance – es werden große Flächen frei –, in den Innenstädten dafür zu sorgen, dass der Bund einen Schritt macht und nicht die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben – die BImA – an der Stelle die Grundstücke maximal verwertet, sondern dass es sozialen Wohnungsbau und andere Investitionsmöglichkeiten geben kann.
Ich kann mich erinnern, dass es 2007 eine Regelung gegeben hat, bei der den Ländern vom Bund 100.000 ha aus militärischen Flächen für Naturschutz zur Verfügung gestellt worden sind. Also wäre es lohnend, jetzt aus den Flächen, die die britischen Streitkräfte und die Bundeswehr räumen, einen Impuls in den Städten in Richtung sozialer Wohnungsbau und im ländlichen Raum für Gewerbe, Wohnungsbau und für Freizeit und Naturschutz zu geben. Hier ist genau die Stelle, an der die Hausarbeit erledigt werden kann. Wenn es jetzt nicht passiert, wird es das nicht geben.
Das heißt, es gibt eine Reihe von Hausaufgaben, die zu lösen sind, und darum muss man sich kümmern.
Unsere Arbeit ist es, diesen Haushalt, der heute eingebracht worden ist, zu diskutieren. Ich habe mir in der Vorbereitung die Haushaltsreden der Jahre 2011, 2012, 2013 noch einmal durchgelesen. Denn es kommt einem immer so schnell vor. Wir haben in der Minderheitsregierung die Haushalte gemacht; es ist schon der zweite Haushalt, den wir dieses Jahr diskutieren. Man sieht dann, dass sich manche Aufgeregtheiten der Debatte ein bisschen relativieren.
Es hat immer die Klage gegeben, dass wir mit den Haushalten nicht schnell genug seien. Im Mai war Landtagswahl, und wir mussten den Haushalt erst einmal neu aufstellen, sodass es ihn erst im Herbst gab. Wie sollte es handwerklich anders gehen? Es gab immer einen Vorwurf, doch die Luft ist raus. Wir sind jetzt in der normalen Taktung. Dieser Haushalt wird jetzt eingebracht, wird dieses Jahr noch verabschiedet und ist damit pünktlich für das nächste Jahr da. Das alles ist ein Stück weit eine ganz normale Arbeitsentwicklung.
Was ich sehr bemerkenswert finde: Wenn man sich die Linie der Neuverschuldung ansieht, dann ist es natürlich ein ganz anstrengender Prozess, aber die Neuverschuldung geht sukzessive herunter. Ich vergleiche einmal die Zahlen. Der letzte Haushalt, den CDU und FDP eingebracht haben, sah Neuverschuldungen vor, und zwar für 2010 6,7 Milliarden €, 2011 6,7 Milliarden €, 2012 6,6 Milliarden €, 2013 6,5 Milliarden €, vor dem Hintergrund der Annahme von steigenden Mehreinnahmen von 4,7 Milliarden €, die darin enthalten waren.
Wir haben jetzt folgende Strecke: 2011 4,8 Milliarden €, 2012 3,6 Milliarden € – ehrlicherweise plus 1 Milliarde € WestLB –, 2013 3,4 Milliarden € und 2014 2,4 Milliarden € mit der mittelfristigen Planung von 1,4 Milliarden € für 2017. Das ist die Strecke; es geht sukzessive runter. Das heißt, man kann nicht beliebig viele neue Projekte aufs Gleis schieben, obwohl es viele sinnvolle Projekte gäbe, die man gerne machen würde. Doch es geht nicht. Man braucht an der Stelle Disziplin und Sparsamkeit in den Fraktionen. Ich bin den Fraktionen dankbar, dass es bisher konsensual so gemacht werden konnte und man an der Stelle die schwierige Haushaltslage eingesehen hat. Ich wünsche mir, dass es weiterhin so geht.
Wir hätten dann innerhalb dieser Jahre bis 2017 von dem Punkt an, an dem wir mit der Regierung in der Minderheit angefangen haben, die Neuverschuldung um rund 5 Milliarden € abgesenkt. Das ist aus meiner Sicht eine vernünftige Bilanz.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Es gibt immer wieder die Klage der christdemokratischen Kollegen, dass die Haushalte trotz höchster Steuereinnahmen steigen würden. Wenn die Steuereinnahmen so steigen, fragt man sich: Wo sind denn die Punkte in den Haushalten, um die Neuverschuldung noch weiter zu senken? Das ist die Frage, die sich stellt.
Wenn ich dann sehe, dass der Haushalt 2014 gegenüber 2013 1,8 Milliarden € Mehrausgaben hat, und danach frage, woran es liegt, dann ist der größte Brocken 722 Millionen € für unsere NRW-Kommunen. Das ist eine Ausgabe, aber es ist deren Anteil an den gestiegenen Steuereinnahmen. Insofern müssen wir es uns als Ausgabe vorhalten lassen, aber wir geben nur das weiter, was den Kommunen zusteht, was ihnen in den fünf Jahren zuvor an vielen Stellen weggenommen und vorenthalten wurde. Insofern sind wir da korrekt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Es sind dann die 450 Millionen € Grundsicherung im Alter, die vom Bund kommen, weil wir im Bundesrat eine starke Rolle spielten. Sie kommen vom Bund, aber sie zählen für NRW als Mehrausgabe. Insofern muss man fairerweise sagen: Wir sind schon deutlich bei über 1 Milliarde € Mehrausgaben, die wir gar nicht reduzieren können.
Obendrauf kommen noch 210 Millionen € aus dem Hochschulpakt. Glauben sie mir, es gab nicht nur ungeteilte Freude, als die Bundesforschungsministerin gesagt hat, sie legt 2 Milliarden € obendrauf. Ich selbst habe ein Kind, das studiert; das nächste wird vielleicht irgendwann damit anfangen. Dann weiß man, wie es an den Hochschulen ist, und weiß auch, dass es nötig ist. Doch wenn die Bundesministerin 2 Millionen € draufpackt, dann sind wir sofort mit 100 Millionen € dabei.
Ich gönne es der Wissenschaftsministerin und unseren hochschulpolitischen Kolleginnen, doch ich denke auch immer: Wir wollen doch die fallende Linie hinbekommen. Insofern ist es Dualität. Wir machen es natürlich, weil wir den doppelten Abiturjahrgang haben. Doch die 210 Millionen € Mehrbelastungen kann man uns nicht negativ anrechnen, sondern es ist die Kofinanzierung zu dem, was der Bund macht. Im Übrigen müssen wir das Geld aufbringen; das gehört auch dazu.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Wir haben 126 Millionen € Unterhaltskosten für die U3-Plätze. Auch das ist eine hervorragende Bilanz. Es geht gar nicht anders. Man muss sich immer wieder vorstellen, was wir schaffen. Wir schaffen ein zusätzliches komplettes System. Ich kann mich erinnern, dass wir, als meine Kinder in den Kindergarten kamen, durch die Gegend gegangen sind und nach einem Kindergarten gesucht haben, der sie aufnahm.
(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
Wir mussten uns „bewerben“. Das ist jetzt gut 20 Jahre her. Heute fügen wir diesem System ein komplettes System hinzu. Das ist eine unglaubliche Leistung, und die kostet Geld. Das sind enorme Anstrengungen; ich habe das neulich schon in einem Debattenbeitrag gesagt. Wir haben die Vorgabe erfüllt, wir haben die 157.000 Plätze geschaffen, und zwar zum Schluss durch eine titanenhafte Anstrengung seitens Ministerin Schäfer sowie der Mitarbeiterinnen und Fachkolleginnen, die daran gearbeitet haben.
Das Ganze kostet etwas; aber das ist auch in Ordnung, denn wir alle haben gelernt, dass das Geld, das wir in sinnvoller Weise in alle Bereiche der Bildung stecken, uns hilft und eine gute Zukunftsinvestition bedeutet.
(Beifall von den GRÜNEN)
246 Millionen € werden an Mehrausgaben für Personal, für Pensionen, für Beihilfen und für Tariferhöhungen angesetzt. Wer will bestreiten, dass dies das Minimum dessen ist, was wir machen müssen? Wir müssten und wir wollten eigentlich mehr ansetzen; aber es gibt nun einmal den Gesamthaushalt. Vor dem Hintergrund der Rückführung der Neuverschuldung müssen wir diesen Schnitt jetzt machen. Er ist unvermeidbar. Das ist jetzt noch obendrauf gekommen.
Da bleibt nur ein ganz kleiner Rest – 7 %, das hat der Finanzminister vorhin gesagt – für gestaltende Politik. Für das KiBiz haben wir uns auf 110 Millionen € verständigt. Dort soll eine Personalverstärkung in sozialen Brennpunkten erfolgen, weil das dort bitter notwendig ist. Wenn das aber der ganze Luxus ist, den die beiden Fraktionen sich gönnen, dann kann man durchaus dazu stehen. Das ist jedenfalls eine vernünftige Maßnahme im Interesse der Kinder.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir bleiben also dabei: Wir sind fair zu den Kommunen. Das umfasst auch die Solidaritätsumlage, über die wir jetzt streiten, so hart wie sie ist. Wir haben viele Kommunen aus der Nothaushaltssituation herausgeholt. Das Land kann jedoch nicht alles alleine machen. So ist nun einmal die Situation. Wir sind aber fair mit den Kommunen umgegangen.
Ich will gar nicht weiter daran erinnern, dass wir ihnen den Grunderwerbsteueranteil wiedergegeben haben, der ihnen weggenommen worden war, und den Anteil an der Erhöhung. Das sind ja Gestaltungsräume und Einsparmöglichkeiten, die abgegeben worden waren. Wir haben es anderes gemacht.
Im gesamten Bildungsbereich haben wir den Schwerpunkt „Kein Kind zurücklassen“ durchgehalten. Diese Leitlinie wird von uns umgesetzt, so weit wir es irgendwie können. Ich habe bereits die 157.000 U3-Plätze angesprochen. Wir belassen die Demografiegewinne in der Schule. Wir haben mit der CDU einen Pakt geschlossen, gemeinsam das Schulgesetz geändert und dabei versprochen, die Klassen in den Eingangsbereichen kleiner zu machen. Wir halten uns an diese Absprachen. Wenn wir sie erfolgreich umsetzen wollen, dann können wir nicht zugleich Tausende oder Zehntausende von Stellen abbauen.
Wenn man sich unsere Bilanz anschaut, dann kann man stolz darauf sein. Zum neuen Schuljahr werden 42 neue Sekundarschulen und 30 neue Gesamtschulen in Betrieb gehen. Die Gesamtbilanz aus den zwei Jahren, in denen wir dieses Gesetz zum Wirken gebracht haben, zeigt: In Nordrhein-Westfalen sind 84 neue Sekundarschulen und 58 neue Gesamtschulen entstanden, und zwar überwiegend im ländlichen Bereich. Ich schaue ja immer auf den Kollegen Laumann – gerade auch in seinem Bezirk, im Kreis Steinfurt, sind, glaube ich, drei neue Gesamtschulen im ländlichen Bereich entstanden. Das spricht für Akzeptanz. Wir haben gemeinsam gesagt: An dieser Stelle entscheiden die Kommunen. Sie machen das in Kenntnis der Schülerentwicklungszahlen, und sie machen es vernünftig.
Den Hochschulbereich habe ich bereits angesprochen: 210 Millionen € zusätzlich im Hochschulpakt. Das ist eine notwendige Anstrengung; immerhin haben wir den doppelten Abiturjahrgang, der alle herausfordert. Das beschreibt am allerbesten den Weg, den wir hier gehen.
So machen wir das jetzt also. Es ist der vierte Haushalt, den wir hier einbringen. Er wird in den Fachausschüssen sicherlich sehr intensiv diskutiert werden. Wir werden sehen, was an Änderungsvorschlägen von der Opposition kommt.
Es gibt kein Dogma, dass ein Antrag, auf dem oben „CDU“ oder ein anderer Stempel steht, nur deswegen abgelehnt wird. Das haben wir in der Minderheitsregierung nicht gemacht, wir machen es auch jetzt nicht. Das erleben wir an jedem Plenartag. Es müssen nur Vorschläge sein, mit denen man wirklich umgehen kann und die etwas Substanzielles beinhalten. Die Vorschläge, die beim letzten Mal in Richtung „Schulassistenzen“ gekommen sind, konnte man im Hinblick auf die Einsparzahlen vorne und hinten nicht gegenrechnen.
Insofern: Wir sind in der Debatte offen. Wir werden gründlich vorgehen und die Haushaltsdebatte in diesem Sinne führen. Alle anderen Hausaufgaben, die ich eingangs angesprochen habe, müssen jetzt in Berlin gemacht werden. Wir begleiten das von hier aus sicherlich kritisch und konstruktiv. – Danke schön.
(Anhaltender Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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