Schulpolitik September 2013

Kommunalinfo

Liebe Freundinnen und Freunde,
das neue Schuljahr hat begonnen und es zeigt sich eindrucksvoll, dass die grüne Schulpolitik für mehr und längeres gemeinsames Lernen sorgt und wir alle Maßnahmen mit Bedacht und Augenmaß angehen:

Grüne Schulpolitik wirkt – wir ermöglichen Schulentwicklung
  • 155 Schulen des längeren gemeinsamen Lernens sind seit Regierungsübernahme 2010 gegründet worden, darunter 58 Gesamtschulen und 84 Sekundarschulen. Anbei findet ihr dazu eine Landkarte über die neuen Schulstandorte. Wir haben dafür gesorgt, dass kleine Grundschulstandorte erhalten bleiben.
  • Trotz Schülerrückgangs stehen die Lehrerstellen (allein bis 2015 sind 9500 Stellen) weiter in den Schulen zur Verfügung. Trotz der Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung können alle freien Lehrerstellen wiederbesetzt werden.
  • Auch die 4900 regulären Stellen (davon 900 für die Grundschule) für Vertretungsunterricht stehen uneingeschränkt zur Verfügung.

Das Schulministerium ist aber nicht von der Globalen Minderausgabe ausgenommen. Der Sparbeitrag sollte aber ausdrücklich nicht zum Stellenabbau führen. Deshalb wurden die flexiblen Mittel, die nicht stellengebunden sind, gewählt. Denn hier kann nachgesteuert werden, wenn Mittel in anderen Kapiteln nicht abgerufen werden.
Von den 25 Millionen Euro, die vorerst gesperrt wurden, konnten so auch mittlerweile 9 Millionen wieder entsperrt und den Schulen zur Verfügung gestellt werden. Da die flexiblen Mittel im ersten Halbjahr nur zu 45 % abgefragt wurden, kann man davon ausgehen, dass die Mittel am Ende des Jahres ausreichen. Darüber hinaus stehen auch weiterhin organisatorische Möglichkeiten zur Vermeidung von Unterrichtsausfall zur Verfügung, z.B. Teilabordnung von Lehrkräften oder schulformübergreifende Nutzung von Stellenüberhängen. Unterrichtsausfall ist trotzdem nie ganz zu vermeiden und immer ärgerlich – auch wenn er ursächlich gar nichts mit der beschriebenen Maßnahme zu tun hat.

Inklusion

Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) muss sich in allen Lebensbereichen vollziehen. In der Schule ist das eine Generationenaufgabe und ein Prozess, den wir schrittweise – aber zielorientiert angehen.
Im Sommer ist das „Erste Gesetz zur Umsetzung der BRK“ breit diskutiert worden. Die mehrtägigen Anhörungen brachten viel Anregung und viel Kritik. Diese bewegte sich zwischen Maximalforderungen: Die einen wollen am liebsten alles so behalten wie es ist. Die anderen, vor allem Eltern von Kindern mit Behinderung, haben große Ungeduld und erwarten eine sofortige und uneingeschränkte Umsetzung des inklusiven Bildungsanspruchs. Wir wollen die Balance zwischen diesen Positionen, damit es voran geht – aber Überforderungen vermieden werden.

Inklusion braucht Qualität

Inklusion geht nicht zum Nulltarif. Das Land hat und wird deutlich mehr Personal bereitstellen: Seit 2010 wurden 1150 Stellen für den gemeinsamen Unterricht und Inklusion zusätzlich geschaffen, bis 2017 kommen nochmal 2000 dazu. Das Land spart also nicht, aber es wird anders steuern. Bislang mussten Kinder ein bürokratisches, viel kritisiertes Verfahren zum Feststellen des Sonderförderbedarfs (AOSF) durchlaufen. Dann erhielt die Schule zusätzliche Ressourcen. In Zukunft soll die Schule nicht erst warten müssen, bis „das Kind in den Brunnen gefallen ist“, sondern präventiv alle Kinder und ihre Lernstände im Blick haben und frühzeitig reagieren können. Dafür werden die Ressourcen als „Budget ohne Verfahren“ zur Verfügung gestellt. Das betrifft 70 Prozent der Kinder mit Behinderungen, nämlich die mit Förderschwerpunkt Lernen, Sprache und emotionale und soziale Entwicklungsstörungen. Über die zukünftige Steuerung der Budgets wird derzeit mit den Hauptpersonalräten gesprochen.
Die anderen Schwerpunkte (Sinnesbeeinträchtigungen, körperliche oder geistige Entwicklung) erfordern auch in Zukunft eine individuelle Feststellung, da hier oft auch medizinische oder therapeutische Hilfen notwendig sind.
Wir wollen die Ressourcen nicht mit der Gießkanne verteilen, sondern wollen im Prozess mit Schwerpunktschulen dafür sorgen, dass Ressourcen gebündelt werden können. Inklusion wird schrittweise entwickelt. Schon jetzt besuchen im Landesdurchschnitt 25 Prozent  der Kinder mit Handicaps den gemeinsamen Unterricht. Dabei sieht das in den Regionen durchaus unterschiedlich aus. Im Kreis Wesel werden z. B. bereits 100% der Kinder aus dem Förderschwerpunkt Lernen gemeinsam beschult. Das ist einer kontinuierlichen und erfolgreichen Arbeit vor Ort geschuldet. In anderen Regionen sind die Schritte jetzt zu gehen. Aber wir haben gute Beispiele, dass es und wie es gelingt.

Gemeinsame Schulentwicklung

Sonderpädagog*innen, die bislang an einer Förderschule unterrichten, werden jetzt verstärkt an Regelschulen kommen. Dort werden sie festes Mitglied im Lehrerkollegium. Sie sollen zukünftig auch in den Schulleitungsteams arbeiten können. Schulen brauchen multiprofessionelle Teams. 
Der demografische Wandel wirkt sich längst auch bei den Förderschulen aus – Das Schulwahlverhalten der Eltern kommt dazu – wie bei den Hauptschulen. Besonders davon betroffen ist die Förderschule Lernen (.oben). Dazu kommt das Schulwahlverhalten der Eltern. Kein Kind soll mehr gegen seinen Willen oder den der Eltern an die Förderschule verwiesen werden. Es ist also absehbar, dass es immer weniger Bedarf bei diesem Schwerpunkt geben wird. Schon heute sind zwei Drittel dieser Schulen unter die Mindestgröße gefallen. Das bedeutet, dass einerseits kein gutes pädagogisches Angebot (z.B. Wahlpflichtfächer) gemacht werden kann und andererseits bedeutet es ineffizienten Ressourceneinsatz. Schon jetzt gibt es zu wenig Sonderpädagog*innen. Wir können es uns nicht leisten, diese auch noch ineffizient einzusetzen. Deshalb werden Förderschulen entweder „auslaufen“, also keine neuen Schüler*innen mehr aufnehmen oder sich in Verbünden zusammenschließen müssen.
Deshalb ist die Entwicklung kommunaler/regionaler Inklusionspläne wichtig, in denen festgelegt wird, welche Förderschulen Bestand haben sollen und welche nicht, aber ebenso, welche Regelschulen als Vorreiterschulen für Inklusion entwickelt werden. Dabei gilt es Angebote für alle Schulformen bereitzustellen.
Es ist auch vorgesehen, Kindern mit emotionaler und sozialer Entwicklungsstörung, ggf. eine temporäre Herausnahme aus dem Schulalltag in Verbindung mit der Jugendhilfe zu ermöglichen. Inklusionsfachberater*innen und Inklusionskoordinator*innen werden den Prozess begleiten und gestalten.

Kommune und Kosten

Gemeinsam mit der Landesregierung vertreten wir die Position, dass wir derzeit keine Konnextitätrelevanz bei dem Gesetz sehen. Denn die Konnexität muss ursächlich mit dem 9. Schulrechtsänderungsgesetz in Zusammenhang stehen.
Gemeinsamen Unterricht gibt es in NRW schon seit 30 Jahren, mehr als ein Drittel aller Kinder mit Behinderungen im Grundschulalter besuchen schon heute die Regelschule. Unbestritten wird das Gesetz Veränderungen bringen. Bei der Kostenaufteilung gilt aber die von der Landesverfassung vorgesehene staatlich-kommunale Verantwortungsgemeinschaft: Das Land zahlt die pädagogischen Kräfte, die Kommune als Schulträger ist für nichtpädagogisches Personal und Gebäude zuständig. Tatsächlich zahlt das Land in den nächsten Jahren mehr fürs Personal: mehr Lehrerstellen, mehr Studienplätze für Sonderpädagogik, mehr Fortbildung. Bei den Gebäuden gibt es in einigen Kommunen einen Sanierungsstau, der aber nicht durch das neue Gesetz verursacht wird. Deshalb hat die rot-grüne Landesregierung ja mit erheblichen Summen versucht, die Kommunalfinanzen zu helfen, damit die Gemeinden wieder in die Lage versetzt werden, in ihren Bestand zu investieren. Und die Landesbauordnung gibt für öffentliche Gebäude schon seit Jahren vor, dass barrierefrei zu bauen ist. Durch die Bildung von Schwerpunktschulen kann die Kommune den Umbau auch planen. Denn nicht jede Schule braucht z. B. sofort einen Aufzug. Durch die mittelfristige Schließung von Förderschulen werden zudem Gebäude frei für andere Nutzungen oder können verkauft werden. Angeführt werden auch mögliche Mehrkosten bei Integrationshelfern. Dabei handelt es sich um einen individuellen Anspruch eines Menschen mit Behinderung. Er resultiert aus dem Sozialgesetzbuch des Bundes und ist unabhängig vom Förderort. Er fällt also an egal ob das Kind zur Förder- oder zur Regelschule geht.
Diese Argumente haben uns bewogen, das Gesetz als nicht konnexitätsrelevant anzusehen. Nichtsdestotrotz bieten wir den Kommunalen Spitzenverbänden eine gemeinsame und verbindliche Evaluation über mögliche finanzielle Auswirkungen an. Sollten dann tatsächlich konnexitätsrelevante Tatbestände festgestellt werden, wäre das Land in der Pflicht. Zurzeit werden noch Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes beraten, das dann im Herbst in Kraft tritt und für das kommende Schuljahr wirksam wird.

Lehrerbesoldung

Die Entscheidung des Landeskabinetts, den Tarifabschluss nicht voll auf die Landesbeamten zu übertragen, hat insbesondere bei Lehrer*innen zu Protest geführt, da viele von ihnen in den höheren Besoldungsgruppen beschäftigt sind und somit jetzt keinerlei Erhöhung erhalten. So gesehen ist der Protest verständlich und die Entscheidung ist auch nicht leichten Herzens gefallen. Aber die Alternative wäre ein massiver Stellenabbau gewesen. Denn bis zum Inkrafttreten der Schuldenbremse 2020 müssen wir 2,4 Mrd. einsparen. Der Personalkostenanteil im Landeshaushalt beträgt 43 %. Eine Übertragung des Tarifabschlusses hätte eine zusätzliche Belastung von 1,32 Mrd. ausgemacht. In der Abwägung wurde dann entschieden, dass es weder Stellenabbau, noch Beförderungsstopp, noch eine Ausweitung und Verdichtung der Arbeitszeit geben soll. Auch Kürzungen beim Weihnachtsgeld oder Pensionen wurden ausgeschlossen. Beschlossen wurde eine sozial gestaffelte Umsetzung, bei der niedrige Einkommen die volle, mittlere eine teilweise und höhere keine Erhöhung erhalten. Das kostet das Land 600 Mio. Eine volle Übertragung hätte nochmal 700 Mio. gekostet. Dazu hätten wir entweder 14.000 Stellen in Schulen, bei Polizei oder Justiz streichen oder massiv bei Theater, Frauenhäusern und Jugendeinrichtungen sparen müssen. Das wollen wir nicht. Angestellte Lehrer*innen erhalten die volle Tarifübertragung.
Für Rückfragen steht euch gerne auch Norbert zur Verfügung: Norbert.Czwerwinski@landtag.nrw.de Mit herzlichem Gruß,
Sigrid Beer

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