Dr. Birgit Beisheim: „Das kommunal organisierte System der Lebensmittelüberwachung stößt nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern deutschlandweit an seine Grenzen.“

Antrag von SPD und GRÜNEN für effektive Lebensmittelkontrolle

Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es gerade schon gehört: Die Lebensmittelkontrolle in NRW ist weitgehend kommunal organisiert.
Die 51 Lebensmittelüberwachungsämter haben dabei ein breites Aufgabenspektrum in Sachen Überwachung. Nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch kosmetische Produkte, Lebensmittelverpackungen, Bekleidung, Modeschmuck, Spielzeug, Tabakwaren und sogar Tätowiermittel müssen von den Behörden der amtlichen Lebensmittelüberwachung kontrolliert werden.
An dieser Überwachungsaufgabe sind mehrere Ebenen beteiligt: die Kontrolleure, die vor Ort die Proben einsammeln, die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter, die die eingesammelten Materialien analysieren, und die Veterinäre und Lebensmittelchemiker der Kreisordnungsbehörden, die für die Maßnahmeneinleitung und die Auswertung der Ergebnisse zuständig sind.
Die Art und Weise, wie man Proben einsammelt, regelt eine Verwaltungsvorschrift des Bundes. Wie immer, wird diese in Fachkreisen liebevoll abgekürzt und mit AVV RÜb bezeichnet. Darin ist festgelegt, dass jährlich pro 1.000 Einwohner jeweils fünf Proben Lebensmittel oder 0,5 Proben kosmetische oder Tabakerzeugnisse und Bedarfsgegenstände genommen werden. – So weit die Fakten.
Die Lebensmittelskandale der jüngeren Vergangenheit zeigen allerdings, dass das System in einigen Bereichen eines Upgrades bedarf. Nicht zuletzt für den Lebensmittelproduktionsstandort NRW, zu dem Ihnen Frau Kollegin Blask in ihrem Beitrag schon einige Daten und Fakten geliefert hat, ist ein effektives Kontrollsystem von essenzieller Bedeutung.
Aber auch aus den Reihen der Praktiker mehren sich die Forderungen nach Veränderungen. So fordert zum Beispiel der Vorsitzende des Bezirksverbandes der Lebensmittelkontrolleure im Rhein-Sieg-Kreis, Walter Bakensiefer, eine Verringerung der Probenanzahl, um bei den genommenen Proben mehr in die Tiefe gehen zu können. Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis möchte ich zitieren: „Eine hohe Anzahl an Kontrollen bei einer großen Supermarktkette habe wenig Sinn, wenn das Unternehmen selber schon gut kontrolliere.“
Es geht in dem erforderlichen Verbesserungsprozess also auch darum, dass ein Weniger auch ein Mehr sein kann.
So fordert Deutschlands oberster Lebensmittelkontrolleur Martin Müller zusätzlich eine verbesserte Lebensmittelkontrolle vor Ort, für die mehr Personal benötigt wird. Dieses Personal muss finanziert werden.
Vorab: Wir sind uns sicherlich alle darin einig, dass die Qualität der Kontrollen nicht von der Kassenlage der Kommunen abhängig sein darf. Daher trägt eine Umstellung auf ein kostendeckendes, gebührenfinanziertes System auch zur Entlastung der Kommunen bei.
Das kommunal organisierte System der Lebensmittelüberwachung stößt nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern deutschlandweit an seine Grenzen. So einigte man sich auf Initiative Nordrhein-Westfalens während der jüngsten Agrarministerkonferenz in Berchtesgaden darauf, gemeinsame Maßnahmen und Konsequenzen aus den Lebensmittel- und Futtermittelskandalen der vergangenen Monate zu ziehen.
Der Beschluss beinhaltet, dass die amtliche Überwachung größerer, überregional tätiger Lebensmittel- und Futtermittelunternehmen auf Landesebene zukünftig durch interdisziplinäre Teams besetzt sein sollte.
Diese Forderung nach Verlagerung der Zuständigkeiten von der Kommune auf die Landesebene bedeutet eine Entlastung der Kommunen. Man muss dabei ja auch bedenken, dass der Internethandel künftig weiter zunehmen wird und ebenfalls einer weiteren Kontrolle bedarf.
Nicht zuletzt in Richtung Piraten meine ich, dass man die Forderung nach einem einheitlichen Datenbanksystem etwas differenzierter betrachten muss. Man muss zum einen die richtige und wichtige Forderung sehen, dass alle Kontrolleinheiten in ein einheitliches Labordatenbanksystem einspeisen. Diese Daten sollten letzten Endes aber nicht öffentlich zugänglich gemacht werden; denn es bedarf auch einer fachlichen und versierten Auswertung dieser Daten.
Es ist sicherlich sinnvoll, darauf hinzuweisen, und es ist auch notwendig, dass die fertigen Ergebnisse, die evaluiert und validiert sind, den Verbraucherinnen und Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden.
Die Debatte in den Ausschüssen wird sicherlich spannend. Ich freue mich darauf nach den Sommerferien. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)