Josefine Paul: „Dass wir wissenschaftliche Studien für den Gesamtbereich Fußball, für die Ge-samtentwicklung Fußball und auch für die polizeiwissenschaftlichen Aspekte brauchen, steht außer Frage.“

Antrag der Piraten zur Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS)

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu diesem Antrag fünf Punkte nennen.
Punkt eins: Der Antrag wirft durchaus einige sinnvolle Fragen auf. Ja, die sind zum Teil auch in der Anhörung aufgeworfen worden, wenngleich ich nicht ganz teilen würde, dass die Anhörung eins zu eins die Folie für Ihren Antrag geliefert hat; die Anhörung war durchaus ein bisschen differenzierter. Trotzdem sage ich: Ja, da werden wichtige Fragen aufgeworfen. Aber leider wird an der einen oder anderen Stelle ein bisschen zu kurz gesprungen, manches ist auch zu undifferenziert. Darauf will ich im Weiteren noch eingehen.
Punkt zwei – das finde ich ein bisschen schade –: Sie haben den Bogen in Ihrem Redebeitrag etwas weiter gespannt, aber die Beschränkung allein auf den ZIS-Bericht greift aus meiner Sicht an der Stelle ein bisschen kurz.
Auch die Anforderungen, die Sie offensichtlich an die ZIS stellen, greifen aus meiner Sicht zu kurz; denn die ZIS ist kein wissenschaftliches Institut. Der ZIS-Bericht liefert wesentliche Grundlagen für die Darstellung und Bewertung des bundesweiten Lagebilds Fußball. Das ist also ein polizeilicher Bericht, der die Grundlagen für die polizeiliche Gefahreneinschätzung liefern soll.
An diesem Bericht ist aber auch festzumachen: Wir sollten vielleicht mal ein bisschen abschichten. Jedes Jahr kommt ein ZIS-Bericht heraus. Dann passieren folgende Dinge: Die Fans behaupten, im ZIS-Bericht sei alles ganz schrecklich zusammengefasst. Dann gibt es Politikerinnen und Politiker, die sich dieser Meinung anschließen. Die Medien schließen sich der Meinung an, es sei alles ganz furchtbar geworden. Es gibt auch Politikerinnen und Politiker, die sich dieser Meinung anschließen.
Wenn man allerdings mal auf die nüchternen Zahlen guckt, dann sieht man, dass dieser ZIS-Bericht das weder die eine Ansicht noch die andere Ansicht hergibt. Wir sollten vielleicht mal nüchtern auf diesen Bericht schauen. Das heißt nicht, dass es daran nicht auch Verbesserungswürdiges gibt. Aber ein bisschen mehr Realismus, ein bisschen mehr Differenzierung an der Stelle würden der ganzen Debatte sicherlich guttun.
Trotzdem: Dass wir wissenschaftliche Studien für den Gesamtbereich Fußball, für die Gesamtentwicklung Fußball und auch für die polizeiwissenschaftlichen Aspekte brauchen, steht außer Frage. Das ist sicherlich sehr sinnvoll; da gebe ich Ihnen recht. Da sind ja schon erste Studien auf dem Weg, beispielsweise durch die Deutsche Hochschule der Polizei und auch durch das Team von Prof. Pilz, der an der Hochschule Hannover zum Bereich Fans forscht. Aber das ist sicherlich ausbauwürdig. Da kann man für NRW das ein oder andere auch noch differenzierter und prononcierter zusammenfassen. Da will ich Ihnen durchaus recht geben. Darüber werden wir im weiteren Verlauf sicherlich diskutieren können.
Dritter Punkt: Die Weiterentwicklung des ZIS-Berichtes an bestimmten Punkten ist sinnvoll – aber ohne Überfrachtung dieses Berichtes. Sie fordern ja mehr Differenzierung. Das ist an manchen Stellen sicherlich auch sinnvoll. Wir können darüber sprechen, ob die Verletztenzahlen nicht differenzierter angegeben werden sollten. Aber auch hier tut eine Differenzierung not: Was erwarten Sie von diesem Bericht, und was kann der Bericht nicht leisten? Ingewahrsamnahmen beispielsweise sind polizeiliche Maßnahmen. Verurteilungen und Prozesse wiederum liegen bei der Justiz. Das alles in diesem Bericht abzubilden ist, glaube ich, genau die Überfrachtung, vor der wir uns, wie ich gerade gesagt habe, durchaus hüten sollten.
Stadionverbote – ein weiterer Punkt – werden von der Polizei angeregt, werden aber durch Vereine und Verbände umgesetzt. Das heißt, eine sinnvolle Forderung an der Stelle wäre, eine unabhängige Clearingstelle einzurichten, die damit umgeht und sagt: Wir sind Anlaufstelle für diejenigen Fans, die sich durch Stadionverbote ungerecht behandelt fühlen. – Das würde auch ich für eine sinnvolle Forderung halten. Der ZIS-Bericht kann das in dieser Art und Weise nicht wiedergeben. Das ist auch der falsche Ort dafür.
Die von Ihnen eingeforderte NRW-Statistik kann man, glaube ich, machen. Die Zahlen liegen vor. Ich weiß nicht, wie groß der Mehrwert ist, da viele Spiele bundesländerübergreifend sind und auf den Reisewegen ganz viel durch die Bundespolizei abgedeckt wird. Aber die Zahlen liegen vor. Darüber kann man sich sicherlich unterhalten.
Die Einbeziehung zusätzlicher Akteure in die Weiterentwicklung und die Berichterstattung selber ist sicherlich ein Punkt, über den man ebenfalls reden kann. Was wäre beispielsweise, wenn man in die ZIS die KOS auf eine andere Art und Weise weiter einbinden würde, um an der Stelle eine weitere Blickrichtung zu haben.
Vierter Punkt: Die Beschränkung auf Veränderungen des ZIS-Berichtes verstellt leider den Blick auf andere bisherige Fortschritte, nämlich den 10-Punkte-Plan, die NRW-Initiative, die örtlichen Ausschüsse „Sport und Sicherheit“, in denen die Beteiligung schon einen größeren Stellenwert eingeräumt bekommt und der Dialog weiter enthalten ist. Natürlich stehen wir dort erst am Anfang. Aber die ersten Schritte in diese Richtung sind gemacht.
Vor allem – das vermisse ich in Ihrem Antrag sehr – gibt es kein Wort über die örtlichen Ausschüsse „Sport und Sicherheit“, die in dem Zusammenhang eine ganz wichtige Rolle spielen und die Verzahnung lokaler Jugend- und Sozialarbeit mit der kommunalen Kriminalprävention ausmachen.
Man muss an der Stelle sagen: Zur Wahrheit gehört auch, dass sich oftmals nicht nur Polizei und Politik dem Dialog verschließen. Ich will Ihnen ein Beispiel aus meiner Heimatstadt Münster nennen. Dort sind zwei Plätze für Mitglieder der Ultra-Bewegung freigehalten. Wer kommt nicht, auch auf mehrfache Ansprache hin? – Die beiden Vertreter bzw. es könnten auch Vertreterinnen sein. Das gehört zur Wahrheit dazu. Dialog muss von beiden Seiten passieren.
Fünfter und letzter Punkt: Wir sollten die Debatten der letzten Wochen und Monate nutzen, um dort anzuknüpfen, wo wir gestern schon waren, an einer möglichst differenzierten Debatte, bei der wir in diesem Haus sehr viel mehr Konsens hergestellt haben als trennende Elemente, auch wenn heute das eine oder andere in der Schärfe wieder größer war. Aber Unterscheidungen in der Sache sind an der Stelle kein Problem, sondern, wenn man das gewinnbringend nutzt, etwas Vorteilhaftes.
Ich würde mich freuen, wenn dieses Thema nicht nur im Innenausschuss, sondern auch im Sportausschuss debattiert wird. Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, das Thema „Fans“ nicht nur ordnungspolitisch, sondern auch sozialpolitisch, jugendpolitisch und sportpolitisch zu diskutieren.
Vizepräsident Daniel Düngel: Frau Kollegin, Ihre Redezeit.
Josefine Paul (GRÜNE): Dementsprechend würde ich mich freuen, wenn wir daran anknüpfen und eine breite und differenzierte Debatte fortsetzen würden.
(Beifall von den GRÜNEN)

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