Martina Maaßen: „Die einseitige Ausrichtung auf Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt ist für uns Grüne der falsche Weg.“

Antrag von SPD und GRÜNEN zur Arbeitsagentur

Martina Maaßen (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Prüfmitteilung des Bundesrechnungshofes an die Bundesagentur für Arbeit hat in den letzten Tagen für erheblichen Wirbel gesorgt. Um die Vermittlungsstatistik und die interne Zielerreichung zu verbessern, wurden Arbeitslose mit weniger guten Vermittlungsperspektiven vernachlässigt. Es wurden vermeintliche Arbeitslose künstlich akquiriert. Auszubildende mit Übernahmezusage wurden aufgefordert, sich dennoch arbeitslos zu melden. Sie wurden anschließend als „Vermittlungserfolge“ registriert. Mehr als ein Drittel der vermittelten Stellen waren Zeitarbeitsjobs, oft mit einer Beschäftigung von weniger als drei Monaten.
Die Vorwürfe des Bundesrechnungshofes wiegen schwer: „nicht zielführend“, „nicht sachgerecht“, „nicht kundenfreundlich“, „nicht dem gesetzlichen Auftrag entsprechend“. – Sie reichen hin bis zu „bewusste Täuschung“ und „Manipulation“. Was schon lange klar war, haben wir nun von entscheidender Stelle schwarz auf weiß: Die Arbeitsagenturen konzentrieren Zeit und Geld auf leicht in den Arbeitsmarkt zu vermittelnde Arbeitslose. Arbeitslose, die nur mit größerer Anstrengung wieder in Arbeit gebracht werden können, werden systematisch links liegen gelassen.
Meine Damen und Herren, es gehört nicht nur zum Auftrag der BA, dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken und Arbeitslosigkeit zu verkürzen, sondern es ist auch zentrale Aufgabe, Langzeitarbeitslosigkeit durch die Verbesserung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit zu vermeiden. Jedoch hat das Steuerungssystem der BA offensichtlich dazu geführt, dass zentrale soziale und arbeitsmarktpolitische Zielsetzungen einer systematischen Bestenauslese zum Opfer gefallen sind. Es wurden erhebliche Ressourcen dazu verwandt, nichtunterstützungsbedürftige Arbeitslose, sogenannte marktfähige Kundinnen und Kunden, für die Erfolgsbilanz der Arbeitsagenturen zu verbuchen.
Es stellt sich die Frage: Wie gut ist ein Steuerungssystem, das Ressourcen dorthin lenkt, wo sie nicht gebraucht werden, und dort wegnimmt, wo am meisten Bedarf besteht? – Die Antwort ist eindeutig, meine Damen und Herren: Die Überprüfung des Steuerungssystem der Bundesagentur durch den Bundesrechnungshof muss Konsequenzen haben, denn die Ergebnisse sind vollkommen inakzeptabel. Das Steuerungssystem darf nicht den Zweck haben, darstellbare Ergebnisse zu erzielen, um den Bestand der BA zu sichern.
Zu Konsequenzen muss der Bericht des Rechnungshofes aber nicht nur bei der BA, sondern auch beim Bundesministerium für Arbeit führen. Die Jobcenter mussten seit Antritt der schwarz-gelben Bundesregierung eine Kürzung ihrer Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik von 6,6 auf 3,9 Milliarden € hinnehmen. Das sind mehr als 40 %. Aber auch die Bundesagentur für Arbeit wurde von der Bundesregierung in den letzten Jahren schwer geschröpft. Alleine 2013 verliert die BA rund 2 Milliarden € durch die Finanzrochaden der Bundesregierung.
Entsprechend enger sind die Spielräume für die aktive Arbeitsmarktpolitik geworden. Politisch verordnet wurde der BA, den Mangel zu verwalten. Gerade Arbeitslose, die besonders intensiv unterstützt werden müssen, fallen durch das Betreuungs- und Vermittlungsraster. Vor den Folgen des Kurses der Bundesregierung haben wir Grünen schon seit langem gewarnt. Doch Schwarz-Gelb hat die Pflicht zur Rechtsaufsicht über die BA nicht ernst genommen.
Meine Damen und Herren, die Probleme sind hausgemacht: Finanzdruck bei der BA, drastische Kürzungen der Eingliederungstitel bei den Jobcentern, mehr Rankingpunkte bei der Bewertung von Arbeitsagenturen bei der Job-to-Job-Vermittlung, weniger Punkte bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen!
Und über allem schwebend: die Königin des Schönredens und Wegschauens, Frau von der Leyen, die Königin des Schönredens der Vermittlungserfolge, des Schönredens der Arbeitslosenstatistik, des Wegschauens bei der Ausuferung prekärer Beschäftigung. Frau von der Leyen schöpft mittels Creaming die Sahnehaube ab, den abgestanden Kaffeesatz lässt sie aber zurück. Über sieben Millionen Minijobs ohne Klebeeffekt, von denen besonders Frauen betroffen sind, hohe Vermittlungszahlen in Leiharbeit ohne Brückenfunktion. Das, meine Damen und Herren, ist ihre wahre Erfolgsbilanz.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)
Die einseitige Ausrichtung auf Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt ist für uns Grüne der falsche Weg. Dies fördert meistens eine männliche Bestenauslese und hängt belastete Menschen ab, und sie führt insbesondere Frauen nicht selten aufs berufliche Abstellgleis.
Meine Damen und Herren, wir wollen ein Umsteuern. – Ich komme zum Ende. – Wir wollen eine Eingliederung langzeitarbeitsloser Menschen, und das muss bei den Arbeitsagenturen höhere Punkte bekommen.
Noch eine Anmerkung zum Entschließungsantrag der CDU: Sie erwähnen dort positiv den sozialen Arbeitsmarkt, leider nur im Blick auf die BA. Aber das Programm „Perspektivbetriebe“ der BA will nur 50 Personen in ganz Deutschland mit Mitteln des sozialen Arbeitsmarkts eingliedern. Das ist ein Tropfen, der bereits verdampft, bevor er den heißen Stein erreicht hat.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)
Vizepräsident Daniel Düngel: Frau Kollegin Maaßen, Ihre Redezeit.
Martina Maaßen (GRÜNE): Ich komme zum Ende.
Ich würde mir wünschen, dass gerade die CDA-Mitglieder in der CDU-Landtagsfraktion uns stärker im Bemühen des sozialen Arbeitsmarktes unterstützen. Das haben Sie bisher verweigert. Sie haben auch dieses Jahr wieder die Chance dazu. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

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