Josefine Paul: „Was können wir tun, um die Fußballkultur, die wir, glaube ich, alle sehr schätzen, weiterzuentwickeln und zu bewahren.“

Antrag der Piraten zur Förderung von Fanprojekten

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es gut und richtig, dass wir über dieses Thema auch schon mehrfach innerhalb des Parlaments beraten haben, die Debatte dabei differenzierter geworden ist, weniger darauf zugespitzt ist, was man gegen die Chaoten tun kann, sondern darauf hinausläuft: Was können wir tun, um die Fußballkultur, die wir, glaube ich, alle sehr schätzen, weiterzuentwickeln und zu bewahren.
Frau Milz, wenn Sie sagen, der Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD ziele mal wieder nur auf den Bund, dann sagen wir: Ja, an einer Stelle schon, da, wo es darum geht, dass wir mehr Mittel für die Koordinierungsstelle der Fanprojekte, die KOS, brauchen, da, wo wir im Sinne von Controlling und Weiterentwicklung der Fanprojekte im Rahmen des NKSS weitere Mittel brauchen. Ja, da ist auch der Bund in der Verpflichtung, das ernster zu nehmen und die Mittel aufzustocken.
Wenn Sie aber auch die anderen Beschlusspunkte gelesen hätten, wären Sie darauf gestoßen, dass wir selbstverständlich die Forderung aufgenommen haben, im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Kinder- und Jugendförderplans zu prüfen: Was kann das Land für die Mittelaufstockung bei den Fanprojekten tun? Wo brauchen wir beispielsweise – im Anschluss an Herrn Düngel – eventuell noch weitere Fanprojekte?
Klar ist – das machen auch die Diskussionsbeiträge hier sehr deutlich –, dass die Massen fußballbegeistert sind und die Politik sich dem annimmt. Wir haben alleine im aktiven Bereich 80.000 Spiele pro Woche in ganz Deutschland. 20 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer gehen in die Stadien. Das bedeutet, dass Fußball kein ganz kleiner Teil der Gesellschaft ist. Daraus entsteht logischerweise auch eine gesellschaftliche Verantwortung.
Die Vereine und Verbände stehen natürlich in der gesellschaftlichen Verantwortung. Ich will aber auch betonen, dass die Fans selber durch ihre Arbeit in den Stadien und um die Stadien einen großen Teil dazu beitragen, diese gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen; denn sie sind es auch zu großen Teilen gewesen, die manches Thema überhaupt erst in den Stadien problematisiert haben und in die Stadien getragen haben: engagierter Kampf gegen Rechtsextremismus, engagierter Kampf gegen Rassismus und auch engagierter Kampf gegen Dinge, die sonst eher marginalisiert werden, wie Homophobie oder Sexismus.
Wie wichtig es ist, auch beim Sport immer wieder auf das Sexismus-Problem hinzuweisen, können wir gerade wieder in den medialen Debatten darum verfolgen, ob denn die aktuelle Wimbledon-Siegerin überhaupt hübsch genug ist, um dieses Turnier zu gewinnen. Oder denken Sie an den aktuellen Werbespot des ZDF für die heute beginnende Fußball-Europameisterschaft der Frauen, in dem auf eine Waschmaschine geschossen wird. Oder erinnern Sie sich daran, dass die FIFA noch 2011 für die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen mit dem Slogan „2011 von seiner schönsten Seite“ geworben hat.
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Und Männer trinken nur Bier!)
Ich bin den Fans sehr dankbar dafür, dass sie diese Themen immer wieder in die Stadien tragen und dort immer wieder darauf aufmerksam machen.
(Holger Müller [CDU]: Sie wissen auch, wie Männer häufig dargestellt werden! Das ist auch eine sehr gesellschaftsfördernde Werbung!)
Ich bin den Fans wirklich sehr dankbar dafür, dass sie an vielen Stellen auf diese Probleme aufmerksam machen.
Die Fanprojekte haben in diesem Zusammenhang eine ganz wichtige Funktion; denn sie sind Anlaufstelle für Jugendliche. Sie sind sozialpädagogische Anlaufstelle, sie sind sozialräumliche Anlaufstelle, und sie sind präventive Anlaufstelle. Sie sind auch Mittler zwischen allen Beteiligten im Fußball.
Außerdem haben sie eine wichtige Funktion als Partner von außerschulischen politischen Bildungsaktivitäten. So haben wir beispielsweise mit „Soccer meets learning“ in Bochum, „Stadionschule Bielefeld“, „BVB-Lernzentrum“ und „Schalke macht Schule“ vier Projekte zum Lernort Stadion. Das heißt, dass dort sehr wichtige – auch politische – Bildungsarbeit geleistet wird.
Lassen Sie mich auch noch etwas zum Thema „Drittelfinanzierung“ sagen, weil durch Ihren Antrag die Befürchtung geistert, dass bei einer selbstverständlich zu begrüßenden Aufstockung des Mittelanteils von DFB und DFL – das haben Sie dankenswerterweise noch einmal sehr deutlich gemacht, Herr Kollege – unter Umständen die Finanzierungsanteile von Land und Kommunen ein bisschen hinten herunterfallen. Wir werden schauen müssen, wie wir bei der teilweise sehr kritischen finanziellen Lage der Kommunen sicherstellen können, dass sie in ihrer Verantwortung bleiben. Auf Landesseite werden wir mit Sicherheit weiterhin unsere Verantwortung in diesem Bereich tragen. Das haben wir in dem Entschließungsantrag auch deutlich gemacht.
Frau Milz, es freut mich sehr, dass wir, wie Sie gesagt haben, auch auf die CDU zählen können, wenn wir versuchen wollen, unsere Anträge zu einem gemeinsamen Antrag zusammenzufügen. Dazu müssten Sie vielleicht an der einen oder anderen Stelle die Wahlkampfrhetorik noch ein bisschen herunterfahren. Hier erinnere ich nur an den letzten Punkt, den Sie gerade genannt haben. Ich finde das aber sehr erfreulich und bin sehr gespannt auf die Beratungen in den Ausschüssen. Dort werden wir sehen, ob wir zusammenkommen können, was diese Anträge und das wichtige Thema „Fankultur, Fußballkultur“ angeht.
Lassen Sie mich einmal zusammenfassen, was uns wohl alle eint. Fankultur ist ein wichtiger Teil von Fußballkultur und auch ein wichtiger Teil von Jugendkultur. Diese Faninteressen und diese Jugendinteressen ernst zu nehmen und einzubeziehen, eint uns hier alle, glaube ich.
Wir wollen den Dialog aller Beteiligten zum Besseren für den Fußball stärken.
Wir wollen die sozialpädagogische Fanarbeit stärken und damit einen Beitrag leisten, um auch die repressiven Maßnahmen zurückfahren zu können und die Chaoten, die Sie zu Recht genannt haben, aus den Stadien drängen zu können.
Wir wollen gemeinsam auch ein klares Zeichen setzen, dass Gewalt inakzeptabel ist – in der Gesellschaft allgemein, aber natürlich auch in den Fußballstadien und auf den Fußballplätzen im Speziellen. Gewalttäterinnen und Gewalttäter werden auch weiterhin nicht akzeptiert werden und müssen mit strafrechtlichen Konsequenzen für dieses Handeln rechnen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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