Einsetzung einer Kommission zur Reform der Nordrhein-Westfälischen Verfassung (Verfassungskommission)

Gemeinsamer Antrag

I. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen stellt fest:

Die am 10. Juli 1950 nach einem Beschluss des Landtags und einem anschließenden Volksentscheid in Kraft getretene Landesverfassung Nordrhein-Westfalen bildet nicht nur die ranghöchste Norm des Landesrechts, sondern ist die Grundlage aller Landesstaatsgewalt und Grundordnung für das Gemeinwesen in Nordrhein-Westfalen.
Sie prägt und spiegelt die Identität unseres Bundeslands. Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet, macht sie die dort geregelten Grundrechte und staatsbürgerlichen Rechte zum Bestandteil unserer Verfassung und regelt das, was in der Kompetenz des Landes steht. Dabei füllt sie mit Regelungen zu Staat und Gesellschaft, Arbeit und Sozialem, Schule und Wissenschaft, Kultur und Kirche die Gestaltungsspielräume des Landes aus. Als Organisationsstatut enthält sie Regelungen über das Zusammenwirken der Verfassungsorgane.
In den beinahe 63 Jahren ihres Bestehens hat sich die Landesverfassung bewährt. Sie steht für Beständigkeit und Stabilität und wurde seit ihrem Inkrafttreten lediglich 20 Mal geändert. Sie hat eine positive Rolle bei der Entwicklung des demokratischen Nordrhein-Westfalens gespielt. In vielen Politikbereichen konnte so zeitgemäßes Handeln durch das Parlament oder die Regierung erfolgen, ohne die Verfassung ändern zu müssen.
Gemessen an den Bedürfnissen und Erfordernissen einer sich fortwährend wandelnden Gesellschaft unterliegt auch höchstrangiges Landesrecht von Zeit zu Zeit der Überprüfung. Mit Respekt vor dem historischen Willen des Verfassungsgebers und mit dem erforderlichen Augenmaß erscheint es geboten zu überprüfen, in welchen Bereichen unserer Landesverfassung sich Anpassungs- bzw. Änderungsbedarf ergeben hat. Vor diesem Hintergrund haben sich alle Fraktionen des Landtags Nordrhein-Westfalen dazu entschlossen, eine Verfassungskommission einzusetzen, die den Auftrag hat, bestehenden verfassungsrechtlichen Handlungsbedarf zu identifizieren. Dies trägt letztlich entscheidend zur Akzeptanz der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen in der Bevölkerung und zum staatsbürgerlichen Zusammenhalt aller in Nordrhein-Westfalen lebenden Menschen bei.

II. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen beschließt:

1. Einsetzung

Der Landtag setzt eine Kommission zur Modernisierung des dritten Teils der Landesverfassung NRW (Verfassungskommission) ein.

2. Aufgabe

Die Kommission erhält den Auftrag, unter Hinzuziehung von externen Expertinnen und Experten, die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen im dritten Teil systematisch zu überprüfen und dem Landtag Ergänzungsund/oder Streichungsvorschläge für eine moderne, zukunftsfähige Verfassung zu unterbreiten.
Dabei ist insbesondere auf folgende Themenbereiche ergebnissoffen einzugehen:
Die mögliche Änderung des Wahlalters für die aktive und/oder passive Wahl zum Landtag, Art. 31.
Eine praktikable Regelung für die vorzeitige Beendigung der Wahlperiode und die Stellung des Ständigen Ausschusses, Art. 35 ff..
Die Stärkung der Abgeordnetenrechte (nach Empfehlungen der Arbeitsgruppe zur Novellierung der Geschäftsordnung und zur Stärkung des Parlamentarismus), insbesondere der Parlamentsinformationsrechte unter Verankerung von Unterrichtungsrechten des Parlaments und von Akteneinsichts- und Zugangsrechten in der Landesverfassung, Art. 45 ff. sowie die Stellung der Landesregierung im Parlament und das Quorum zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses (PUA).
Eine Einführung einer Regelung zur Funktion der parlamentarischen Opposition, ,Art. 45 ff..
Die Stärkung der Beteiligungsrechte des Parlaments in Angelegenheiten der Europäischen Union, Art. 45 ff..
Eine Überprüfung der Bestimmungen zur Wahl des Ministerpräsidenten, Art. 52 sowie Überprüfung der Eidesformel, Art. 53 („…dem Wohle des deutschen Volkes…“) und der Ministeranklage, Art. 63.
Die Durchführung und Folgewirkungen von Volksinitiativen, Art. 67a, Volksbegehren, Art. 68 und Volksentscheiden, Art. 69.
Die Fragen des Rechtsschutzes vor dem Verfassungsgerichtshof (Individualverfassungsbeschwerde / Kommunalverfassungsbeschwerde / Quorum abstrakte Normenkontrolle / Zusammensetzung des Verfassungsgerichtshofs), Art. 75 f.
Die Einführung einer Schuldenbremse nebst ggf. geeigneten Sanktionsinstrumenten, Art. 83.
Die politischen Partizipationsmöglichkeiten von EU-Bürgerinnen und Bürgern auf Landesebene.
Fragen der Subsidiarität sowie Stellung der kommunalen Selbstverwaltung. Zusätzlich ist die Frage zu klären und ein Vorschlag zu erarbeiten, ob und ggf. in welcher Form über die Änderung der Landesverfassung ein Referendum stattfinden soll.
Der Landtag behält sich Erweiterungen der Verfassungskommission um weitere Sachverhalte, deren Überprüfung sich im Zuge der Beratungen ergeben, ausdrücklich vor.

3. Arbeitsweise

Die Mitglieder der Kommission sind gehalten, während des gesamten Arbeitsprozesses überparteilich, konsensual und mit einem Höchstmaß an Transparenz zu agieren. Ist ein Konsens über eine Verfassungsänderung nicht zu erreichen, entscheidet die Kommission mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder.
Der Arbeitsprozess der Kommission ist so zu gestalten, dass für Interessierte in NRW zu jedem Zeitpunkt effektive und umfassende Mitwirkungsmöglichkeiten gewährleistet werden können, damit entsprechende Vorschläge unmittelbar in den Arbeitsprozess einfließen können. Hierfür sind insbesondere die Mitwirkungsmöglichkeiten über das Internet zu nutzen. Ebenso sind die klassischen Formen schriftlicher Kommunikationen zu berücksichtigen. Die Vorschläge der Kommission sind der Öffentlichkeit darum zeitnah zugänglich zu machen.
Die Kommission führt zu den Blöcken „Weiterentwicklung der Demokratie in NRW“ und „Schuldenbremse“ je eine öffentliche Anhörung durch. Sie kann öffentliche Anhörungen zu anderen Beratungsgegenständen oder Beratungskomplexen durchführen, wenn mindestens ein Drittel ihrer Mitglieder dies beantragt.
Ausgehend von den Kommissionsvorschlägen ist ein Gesetzesentwurf zu erarbeiten, der dem Landtag gemäß Art. 69 der Landesverfassung NRW zur Entscheidung vorzulegen ist.

4. Zusammensetzung

Die Verfassungskommission setzt sich aus 19 stimmberechtigten Mitgliedern und einer entsprechenden Zahl von Stellvertreterinnen und Stellvertretern zusammen, in der die Fraktionen wie folgt vertreten sind:
SPD     8 Mitglieder
CDU     5 Mitglieder
Bündnis90/Die Grünen  2
Mitglieder FDP     2
Mitglieder PIRATEN    2 Mitglieder
Jede Fraktion darf zusätzlich eine sachverständige Person benennen, die der Kommission als ständiges, beratendes Mitglied ohne eigenes Stimmrecht angehören soll.
Der Kommissionsvorsitz obliegt dem/der Vorsitzenden des Hauptausschusses. Der/Die Vorsitzende ist nicht stimmberechtigt und wird nicht auf die Zahl der gewählten Mitglieder angerechnet.
Die Landesregierung kann an den Sitzungen der Kommission mit beratender Stimme teilnehmen. Ebenso sind die Kommunalen Spitzenverbände eingeladen, durch eine/n gemeinsame/n Vertreter/in mit beratender Stimme an der Kommission teilzunehmen.

5. Ausstattung

Der Kommission werden für die Dauer ihrer Tätigkeit sowie für ihre angemessenen Vorund Nacharbeiten je eine/ein Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter des höheren und des gehobenen Dienstes und eine Schreibkraft zur Verfügung gestellt.
Die Kommission kann Expertinnen und Experten anhören und Forschungsaufträge erteilen.
Die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen sind zu schaffen.