Mehrdad Mostofizadeh: „Ich finde, es ist schon ein starkes Stück, dass sich diese Kanzlerin so erdreistet und sagt: Wir versprechen 30 Milliarden Euro, und ich muss nicht sagen, wo die herkommen!“

Antrag von SPD und GRÜNEN zur Haushaltssanierung

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute mit großem Interesse in der „Rheinischen Post“ ein Interview mit Herrn Laschet gelesen. Zusammenfassend kann ich nur sagen: Es pendelt zwischen Schamlosigkeit und Unglaubwürdigkeit, was dort niedergelegt ist.
Der Kollege Laschet gibt von sich, dass man bei der Bundestagswahl die CDU wählen müsse, um den Irrsinn bei der Inklusion zu stoppen. Diesen sachpolitischen Zusammenhang, Herr Kollege Laschet, soll man mir mal erklären: was die Bundesregierung an den Inklusionsumsetzungs­prozessen in Nordrhein-Westfalen ändert, wenn die CDU dort mehr Stimmen bekommt.
(Sigrid Beer [GRÜNE]: Schamlos ist das! Auf dem Rücken der Kinder!)
Das Zweite ist: Er wolle den Irrsinn beenden, die Parallelstrukturen funktionierender Förderschulen abzuschaffen.
Ein Weiteres verspricht Herr Laschet in seinem Statement zur Bundestagswahl: dass die Bundestagswahl eine Quittung für die SPD und die Grünen für ihre Regelung zur Beamtenbesoldung werden soll. Der CDU ist offensichtlich jedes Mittel, jede Nebelkerze recht, um Bundestagswahlkampf zu machen. Das werde ich Ihnen jetzt auch anhand der Versprechungen der Bundeskanzlerin nachweisen.
Die Bundeskanzlerin hat gegenüber der Bevölkerung Versprechungen im Gegenwert von 28 Milliarden € gemacht.
(Beifall von der CDU)
Noch am selben Tag ist der Fraktionsvorsitzende der CDU, Volker Kauder, zurückgerudert und hat gesagt: Das steht alles unter Finanzierungsvorbehalt. – Na, das ist ja Methode Optendrenk und Fachpolitiker der CDU in Nordrhein-Westfalen: Man beschließt ein Finanzkonzept, in dem man scheinbar Minderausgaben vereinbart, um dann die Fachpolitiker rufen zu lassen: Stimmt alles gar nicht, wir machen das alles anders, wir versprechen Euch das Blaue, Grüne und Violette vom Himmel herunter.
Mit einer weiteren Mär, die sehr interessant ist, möchte ich an dieser Stelle aufräumen: Die FDP spricht immer davon, SPD und Grüne wollten die Mitte der Gesellschaft treffen.
(Ralf Witzel [FDP]: Das ist ihr Ziel und ihr Programm!)
– Genau, Herr Witzel. – Wissen Sie, wo die Mitte der Gesellschaft anfängt? Kitagebühren wollen Sie ab einem Single-Einkommen von 14.000 € erheben.
Sie wollen Studiengebühren unmittelbar und unabhängig vom Einkommen der Eltern erheben. Ist das nicht die Mitte der Gesellschaft, frage ich Sie, Herr Kollege Witzel? Sind das alles Besserverdienende, Herr Kollege Witzel?
(Christof Rasche [FDP]: Für eigene Leistung, aber nicht für Umverteilung!)
– Genau: für eigene Leistung, nicht für Umverteilung! – Gleichzeitig schreiben Sie Wunschzettel. Bei der letzten Bundestagswahl haben Sie eine Steuerentlastung in Höhe von 24 Milliarden € versprochen. Der Bundesfinanzminister hat ausgerechnet, was Ihre Versprechungen tatsächlich kosten würden, und kam auf Beträge von 60 bis 70 Milliarden €. Mehrbelastung für Nordrhein-Westfalen: zwischen 7 Milliarden und 8 Milliarden €! Das sind Prioritätensetzungen Marke FDP. Gott sei Dank hat die CDU sie – nicht ganz freiwillig, weil der Bundesrat da auch noch ein Wort mitgesprochen hat – daran gehindert.
Was aber haben Sie in den Jahren 2005 bis 2013 tatsächlich umgesetzt? – Sie haben ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz gemacht, das Nordrhein-Westfalen jedes Jahr 1 Milliarde € kostet. Sie haben zwei Konjunkturpakete geschnürt. Außerdem haben Sie ein Bürgerentlastungsgesetz geschnürt, das Nordrhein-Westfalen – rechnet man die Kommunen mit ein – in Höhe von 3 Milliarden bis 5 Milliarden € entlastet. Das heißt, Nordrhein-Westfalen muss für diese Wahlversprechen immer noch über 3 Milliarden € zahlen.
(Widerspruch von Ralf Witzel [FDP])
– Ja, wir haben historische Steuereinnahmen. Deswegen macht der Bund auch immer mehr Schulden.
Und wir haben jetzt eine CDU im Bund, die wieder Versprechungen in einer Größenordnung von 30 Milliarden € macht. Der Kollege Zimkeit hat eben gesagt, dass das 25 Milliarden € mehr Schulden bedeuten könnte. Ich sage: Die Schulden von heute sind in aller Regel die Steuerverpflichtungen von morgen. – Das predigt Herr Witzel ja immer. Ich gehe davon aus, dass diese 25 Milliarden € diesen Landeshaushalt über den Umweg der Umsatzsteuerverteilung und andere Beteiligungen des Bundes wieder treffen werden. Dann haben wir ein Paket von bis zu 3 Milliarden €, das dieser Landeshaushalt zusätzlich tragen soll.
Dann machen Sie eine Umverteilung zulasten von Studierenden, von Schülerinnen und Schülern sowie von anderen Leistungen, die in diesem Landeshaushalt gestrichen werden müssen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich finde, es ist schon ein starkes Stück, dass sich diese Kanzlerin so erdreistet und sagt: Wir versprechen 30 Milliarden €, und ich muss nicht sagen, wo die herkommen! – Sie geht sogar noch einen Schritt weiter. Das machen Sie ja auch, Herr Witzel. Sie sagen: Wir versprechen nicht nur diese 30 Milliarden €, sondern wir sind auch dagegen, dass man im Steuerkonzept das tut, was Grüne vor der Wahl sagen, nämlich Besserverdienende ab einer Größenordnung von 80.000 € Single-Einkommen etwas stärker zu belasten und den Spitzensteuersatz anzuheben.
Die wichtigeren Bausteine: Wir müssen auch Vermögende und Erben großer Vermögen stärker belasten – das betrifft eine Bevölkerungsgruppe, die kleiner ist als 8 % der Gesamtbevölkerung –, um a) die Bildung usw. finanzieren zu können und b) die Single-Einkommen bis 60.000 € – das lassen Sie auch immer unerwähnt – entlasten zu können.
Wir sind die Partei, die den Mittelstand, die Mitte der Gesellschaft entlastet, und zwar a) beim Einkommen und b) vor allem bei den staatlichen Leistungen, die zwingend erforderlich sind: bei Infrastruktur, besserer Bildung, auch bei Umweltschutz und sozialen Leistungen.
Die FDP ist die Partei, die Bestellungen aufgibt – die CDU schließt sich massiv an –, will aber an der Kasse nicht bezahlen und sagt gleichzeitig: Die Kleinen in der Gesellschaft müssen das bezahlen. Sie sind diejenigen, die die Kleinen in der Gesellschaft mit höheren Steuern und höherer Staatsverschuldung belasten werden. Das ist das Ergebnis dieser Politik.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Müller?
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Immer gerne.
Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Müller.
Holger Müller (CDU): Schönen Dank. – Lieber Herr Mostofizadeh, wenn das doch alles so schrecklich ist, wie Sie das meinen, dann erklären Sie mir doch bitte mal die Diskrepanz zwischen Ihrem Schreckensszenario und der Tatsache, dass Deutschland in Europa wirtschaftlich am besten dasteht.
(Beifall von der CDU)
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege Müller, ehrlich gesagt verstehe ich Ihre Frage nicht so ganz.
(Lachen von der CDU und der FDP)
Ich werde Ihnen das jetzt auch noch mal darlegen. Wenn das so wäre, dann frage ich mich, warum wir uns gestern darüber …
(Christof Rasche [FDP]: Wie? „Wenn das so wäre …!“)
– Geht‘s Ihnen gut? Sie können den Knopf drücken und noch eine Zwischenfrage stellen. Ich antworte jetzt Herrn Müller.
Das ist ja unbestritten so. Das ist nicht der Punkt.
(Christof Rasche [FDP]: Aha!)
– Entschuldigung Herr Rasche, dass ich an dem vorbeiformuliert habe, was Sie gerne gehört hätten.
Ich unterstelle, dass es Deutschland in Europa bestens geht, im Übrigen zum Beispiel auch deswegen, weil Deutschland im europäischen Vergleich die niedrigsten Zinsen zahlen muss, deutlich weniger als Griechenland und andere Staaten, weil wir – im Gegensatz zu dem, was die FDP vorträgt – eine solide Staatsverschuldung haben. – Das ist Punkt 1.
Punkt 2: Trotzdem kritisieren CDU und FDP – das ist Ihr gutes Recht – diese Landesregierung immer für ihre Haushaltspolitik. Aber soweit ich orientiert bin, ist Nordrhein-Westfalen Teil von Europa und damit auch Teil von Deutschland. Insofern habe ich – das wollte ich damit ausdrücken – die Rhetorik dieser Frage nicht ganz verstanden.
Es wird doch erlaubt sein, Herr Kollege Müller, klarzustellen, wo auch in einem guten Umfeld wir Grünen einen besseren Weg sehen, als die CDU ihn vorschlägt.
Was daran schrecklich ist, kann ich Ihnen schon sagen: Wenn diese 3 Milliarden € oder auch nur die 700 Millionen € Mehrbelastung real auf unseren Landeshaushalt zukommen, erhöht sich die Nettoneuverschuldung von 3,5 Milliarden € – die ich schon für super schrecklich halte – auf 4,2 Milliarden €. Dann sind wir schon im Bereich der Verfassungsgrenze. Wenn dann noch die Zinsen ansteigen, sind wir jenseits der Verfassungsgrenze.
Und Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wollen das verantworten, ohne darüber nachgedacht zu haben? – Das finde ich ganz schön schrecklich; das muss ich schon zugestehen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Da wir gleich möglicherweise noch eine zweite Runde haben, möchte ich jetzt damit schließen, dass sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Ihr Wunschzettel für Nordrhein-Westfalen bald im zweistelligen Milliardenbereich befindet. Er fängt an mit diesen 3 Milliarden € von der Bundeskanzlerin, geht weiter mit den 710 Millionen € für die Besoldung, 400 Millionen € für Studiengebühren, 350 Millionen € für die Kommunen und unerklärte Größenordnungen im Bereich der Inklusion, die sich im Milliardenbereich bewegen dürften, wenn das stimmt, was Herr Kaiser hier vorgetragen hat. Ihr Wunschzettel ist schlicht unseriös. Diese Bundesregierung versucht, mit allen Tricks weiter an der Macht zu bleiben. Das werden wir im Bundesrat zu verhindern wissen, aber das kann doch nicht Ziel der Auseinandersetzungen sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, gehen Sie doch zu Frau Kanzlerin Merkel hin und erzählen Sie ihr: Es geht nicht, noch eine oder drei Milliarden € auf diesen Landeshaushalt draufzupacken. Hören Sie doch auf mit diesen Belastungen und sorgen Sie dafür, dass Nordrhein-Westfalen weiterhin solide wirtschaften kann, sonst sind Sie gänzlich unglaubwürdig und unseriös!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mehr zum Thema

Haushalt & Finanzen