Norwich Rüße: „Wenn 500.000 Tiere betroffen sind – davon allein knapp 100.000 Rehkitze –, dann ist das eine Zahl, an der man nicht vorbei kann, und es besteht Handlungsbedarf.“

Antrag der FDP zum Tod durch Mähmaschinen

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wirtz, ich bin ein bisschen enttäuscht. Denn ich finde, dass man Probleme, die in der Landwirtschaft auftreten – und wir haben hier ein Problem –, als Landwirt auch durchaus benennen darf und nicht immer kleinreden sollte.
(Beifall von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])
Die Zahlen, die im FDP-Antrag genannt worden sind, sind ja Realität und nicht aus der Luft gegriffen. Wenn 500.000 Tiere betroffen sind – davon allein knapp 100.000 Rehkitze –, dann ist das eine Zahl, an der man nicht vorbei kann, und es besteht Handlungsbedarf. Insofern bin ich der FDP durchaus dankbar, dass sie diesen Antrag eingebracht hat und wir diesen im Ausschuss zusammen beraten sowie überlegen können, wie wir dort weiter vorankommen. Denn es darf in dem Maße eben nicht mehr passieren, dass Rehkitze von Mähwerken zerfetzt werden. Das ist ja alles andere als ein schöner Anblick.
Herr Wirtz, Sie behaupten, dass dort schon eine Menge getan wird. Unter anderem erwähnen Sie, dass von innen nach außen gemäht wird. Genau zu dem Thema sagt ein Referent des Bauernverbandes: Ja, man könnte von innen nach außen mähen, nur das tut keiner. – Wenn der Bauernverband das selbst sagt, dann darf man das wohl auch glauben. In der Tat ist es ein höherer Aufwand, so zu mähen, und es wird wirklich selten gemacht. Das wissen Sie selbst.
Dass Sie davon persönlich vielleicht weniger betroffen sind, mag auch daran liegen, dass Sie nicht gerade aus einer Grünlandregion kommen.
(Josef Wirtz [CDU]: Was?)
Vielleicht liegt es daran, aber ich weiß es nicht. Ich glaube, dass Landwirte, die Grünland bewirtschaften, das alles kennen und wissen, dass Handlungsbedarf besteht.
Mich hat es bei Ihrem Antrag ein wenig gestört, Herr Busen, dass Sie sich so sehr auf diese eine Maßnahme fokussieren. Ich denke, wir müssen das in der Diskussion noch erweitern, da es um viel mehr geht. Wir müssen uns auch über die Gründe des Artenrückgangs unterhalten. Warum haben wir so viel Wild verloren? – Da Sie Jäger sind, treibt Sie das ja auch an. Das treibt ganz viele Jäger an. Ich finde es sehr positiv, dass die Jägerschaft dieses Problem aufgreift und intensiv diskutieren will. Im Zweifelsfall muss man dann auch einmal eine etwas härtere Diskussion mit der Landwirtschaft führen und die Landwirte auffordern, bestimmte Techniken umzusetzen, damit wir dort gemeinsam vorankommen.
(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)
Wenn wir uns die Zahlen der letzten Jahrzehnte anschauen, dann erkennt man die dramatische Situation, dass wir in den letzten 40 Jahren in Nordrhein-Westfalen – denn wir sprechen ja über das Mähen von Grünflächen – über die Hälfte unseres Grünlands verloren haben. Man muss bedenken, dass viel Grünland gar nicht mehr existiert, wo typische Wiesenvögel leben könnten. Im Münsterland – aus dieser Region komme ich – haben wir über 70 % des Grünlands verloren, da dies in Ackerflächen umgewandelt wurde. Das ist natürlich ein Verlust für die Artenvielfalt.
Wiesenbrüter – das ist uns allen klar – können nur dort existieren, wo es auch Wiesen und Weiden gibt. Sie wissen alle, dass sich die landwirtschaftliche Nutzung intensiviert hat. Beweidung wäre für Rehkitze und Gelege besser als mähen, aber: Wo sehen wir noch draußen Kühe? – Es ist der Intensivierung geschuldet, dass Kühe nur noch im Stall gehalten werden. Das Gras wird mehrmals im Jahr abgemäht, man könnte sagen abrasiert. Natürlich ist dadurch der Druck auf das Wild noch einmal erhöht worden.
Ich möchte noch ein sehr beeindruckendes Beispiel nennen. Denn ich glaube, dass man dann auch die Sorgen von Naturschützern und Jägern gut verstehen kann. Zum Bestand der Uferschnepfe gibt es eine interessante Zählung der Biologischen Station, anhand derer man wirklich feststellen kann, dass diese Population dabei ist, zusammenzubrechen. Anfang der 80er-Jahre hatten wir noch 240 Brutpaare im Münsterland, heute sind es noch 140 Brutpaare. Das eigentlich Spannende ist aber, dass sich diese 140 Brutpaare fast nur noch in Schutzgebieten aufhalten. Wir haben kaum noch Brutpaare der Uferschnepfe in der agrarischen Kulturlandschaft. Das ist ein Riesenproblem. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass sich das wieder ändert und agrarische Räume dem gesamten Wild wieder einen Lebensraum anbieten.
Der Umweltminister sagt häufiger: Wir sind dabei, die Festplatte der Natur zu löschen. – Ich würde sagen, dass wir in agrarischen Intensivregionen schon fast einen Festplattencrash haben. Von daher ist es gut, Herr Busen, dass Sie diesen Antrag stellen.
(Beifall von der CDU und der FDP)
Ich habe allerdings noch Zweifel, dass der Pieper allein die Rettung sein wird. Es gibt auch Jäger, die behaupten, dass der Pieper am Mähwerk überhaupt nicht viel bringt, da man diesen eigentlich am Tag vorher aufstellen müsste, damit die jungen Kitze von der Mutter herausgeleitet werden können. Ich bin der Meinung, dass der Mähtermin eine ganz entscheidende Sache ist. Darüber werden wir uns unterhalten müssen.
Es klang ja eben bei Herrn Krick an, dass man proteinreiches Futter haben möchte. Das ist auch nachvollziehbar, nur das alleine geht auch nicht. Auch das Wild muss zu seinem Recht kommen.
(Hendrik Schmitz [CDU] zuckt mit den Schultern.)
– Ja, da zucken Sie mit den Schultern. Das finde ich schade.
(Zuruf von Hendrik Schmitz [CDU])
– Dann ist es gut. Denn die Wildtiere haben genauso ihr Recht auf Lebensräume, wie wir das Recht haben, Flächen zu nutzen.
(Beifall von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit beachten.
Norwich Rüße (GRÜNE): Wir freuen uns, mit Ihnen gemeinsam den Antrag zu beraten. Ich hoffe, dass wir das Lösungsspektrum zusammen noch deutlich erweitern können. Wir sind gespannt auf die gemeinsame Beratung. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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