Martin-Sebastian Abel: „Lassen Sie uns heute diesen Meilenstein für das Staatsziel Tierschutz setzen.“

Gesetzentwurf zum Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hovenjürgen, auf der anderen Rheinseite wird gerade eine Kirmes aufgebaut. Mit Ihrem Beitrag hätten Sie bei „Hau den Lukas!“ gute Chancen. Ich kann Sie gerne rüberfahren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Mit dem Gesetzentwurf hatte Ihr Beitrag nichts zu tun.
Lassen Sie mich – es scheint für die Opposition notwendig zu sein – sagen, warum wir dieses Gesetz brauchen: weil Tiere nicht für sich selber sprechen können. Tiere können auch nicht ihre Rechte selber vertreten.
In anderen Rechtsbereichen lösen wir solche Probleme mit einer Stellvertreterregelung. Kinder werden von ihren Eltern vertreten, schwer erkrankte Menschen bekommen einen gesetzlichen Betreuer. In diesen Fällen gehen wir ganz selbstverständlich davon aus, dass Betroffene, die für ihre Rechte nicht selber kämpfen können, Hilfe bekommen.
Lassen Sie uns doch jetzt – zehn Jahre, nachdem der Tierschutz als Staatsziel in unseren Verfassungen verankert wurde – endlich Entscheidungen zulasten der Tiere überprüfbar machen, lassen Sie uns Tieren in unserer Haltung dieselben Rechte verleihen, wie sie die Tiere in der Natur schon haben!
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Naturschutzverbände haben seit vielen Jahren die Möglichkeit zur Verbandsklage. Sie sind damit Anwalt der wild lebenden Tiere. Es hat sich gezeigt, dass diese Verbände von ihrem Klagerecht mit großer Sorgfalt Gebrauch machen. Nach einer auf der Internetseite des Bundesamtes für Naturschutz veröffentlichten Studie sind in den Jahren 2007 bis 2010 25 Verbandsklagen per anno erhoben worden. Schauen wir nach Bremen, da es das einzige Bundesland ist, in dem es bisher die Möglichkeit gibt, im Tierschutz eine Verbandsklage anzustrengen. Dort ist seit 2007 keine einzige Klage erhoben worden. – So viel zu Ihrem Vorwurf, meine Damen und Herren von der Opposition, es drohe jetzt eine Klagewelle! Das ist mitnichten der Fall. Dafür gibt es nicht die geringsten Anhaltspunkte.
Vielmehr können wir den Sachverstand der Verbände einbinden. Sie können ethische und rechtssichernde Erkenntnisse in die Verwaltungsverfahren einfließen lassen. Im Bereich der Tierversuche hat sich das schon seit vielen Jahren bewährt. In den Ethikkommissionen, den sogenannten 15er-Kommissionen, wirken Tierschützer/innen seit vielen Jahren mit. Sie leisten herausragende Arbeit und haben dazu beigetragen, dass man Verfahren vereinfacht, rechtssicher macht. Sie werden in der Wissenschaft niemanden finden, der das bestreitet.
Wir haben deshalb im Gesetz für Tierversuche vorgesehen, dass Versuchsreihen nur dann beklagt werden können, wenn es in den 15er-Kommissionen zwei Gegenstimmen gibt. Zudem gilt für diesen Bereich der Wissenschaft und Forschung die Feststellungsklage. Das bedeutet: Eine beklagte Versuchsreihe könnte fortgesetzt werden, bis es eine höchstrichterliche Entscheidung gibt. Das heißt: Wir reden doch überhaupt nur über die Fälle, wo die höchsten Instanzen unseres Rechtssystems einen Verstoß gegen geltendes Recht festgestellt haben. Das ist bei Weitem kein Standortnachteil für die Wissenschaft und forschende Unternehmen, sondern das ist Schwarzmalerei und durch nichts zu halten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Hovenjürgen, der jetzt auf dem Platz von Frau Milz sitzt?
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Ich habe schon gesehen, dass es nicht Frau Milz ist. Sehr gerne, ja.
Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist nett. Bitte schön, Herr Hovenjürgen.
Josef Hovenjürgen (CDU): Herzlichen Dank für die Möglichkeit der Frage. – Ich bewundere schon einmal Ihre Urteilsfähigkeit.
Herr Abel, Sie haben vorhin gesagt, es gebe keinen Missbrauch des Verbandsklagerechts. Ich habe in meinem Beitrag vorhin zu diesem Ereignis in Hessen ausgeführt, bei dem 500.000 € zur Rücknahme einer Klage geführt haben. Wie würden Sie das bezeichnen?
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Das, was Sie gerade machen, Herr Kollege Hovenjürgen, ist unanständig. Sie unterstellen dem Naturschutz und dem Tierschutz Erpressungsmotive, wie das auch der Kollege Busen schon in der Anhörung gemacht hat. Das führte dazu, dass Bauernverbände und Landwirtschaftskammern den Tierschutz verteidigt haben, was auch nicht alle Tage vorkommt.
Das, was Sie hier machen, ist eine Diffamierung des Tierschutzes, eine Diffamierung vieler tausend ehrenamtlich engagierter Bürgerinnen und Bürger. Es ist unanständig, diesen Verbänden Erpressung zu unterstellen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)
Das ist nicht die einzige Schwarzmalerei, die Sie betreiben. Herr Deppe spricht auf seiner Website davon, dass Forschung aus dem Land getrieben werde, Bauernhöfe schließen müssten. Den Kollegen Busen hatte ich im Zusammenhang mit der Anhörung schon erwähnt. Frau Schulze Föcking, die jetzt leider nicht reden kann, spricht in einer Pressemitteilung von Laienverbänden, die Verfahren verzögern wollten, um Landwirten zu schaden.
Meine Damen und Herren, wie bedenklich es um den Tierschutz in Ihren eigenen Reihen steht, zeigt nicht nur Ihre Äußerung heute, sondern das zeigt auch ganz aktuell die Novellierung des Tierschutzgesetzes in Berlin. Sie zögern das Kastrationsverbot ohne Betäubung bei Ferkeln hinaus, Sie blockieren artgerechte Haltung nach Tierart. Sie können sich noch nicht einmal dazu durchringen, den umstrittenen Schenkelbrand bei Pferden zu verbieten. Alles, damit Frau von der Leyen zeigen kann, dass auch das Dressurpferd aus gutem Hause kommt. Das ist Tierschutz à la Schwarz-Gelb!
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN – Widerspruch von der CDU)
Meine Damen und Herren, die bisherigen Möglichkeiten der Beteiligung von Tierschutzverbänden reichen nicht aus. Es ist gut, dass wir dieses Gesetz heute verabschieden. Ich darf mich bei meinem Kollegen Norwich Rüße bedanken, der für die grüne Fraktion den Gesetzentwurf in der vergangenen Legislatur und auch in dieser Legislatur erarbeitet hat.
Ebenso bedanke ich mich bei meinem Kollegen Börner von den Sozialdemokraten und natürlich bei Minister Johannes Remmel, der als Abgeordneter in der Opposition zwei Anläufe genommen hat, um das Verbandsklagerecht durchzusetzen, einen weiteren aufgrund der Diskontinuität. Lassen Sie uns heute diesen Meilenstein für das Staatsziel Tierschutz setzen. Dann wird das ein guter Tag für alle, die sich für den Tierschutz engagieren. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege Abel, nicht so schnell, es ist eine Kurzintervention vom Kollegen Busen angemeldet worden.
(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Der ist doch gar nicht da!)
– Entschuldigung, von Herrn Kollegen Biesenbach! Ich komme ganz durcheinander. Das ist die Hitze: Biesenbach! Busen!
(Heiterkeit)
– Herr Biesenbach, Sie haben die Möglichkeit, die Frage zu stellen. Dazu muss ich aber das Mikrofon am Platz von Herrn Laschet öffnen. Das ist hiermit passiert. Jetzt sind Sie dran. – Ich entschuldige mich bei beiden Herren, das sollte eben kein Namenswortspiel sein, sondern war wirklich eine Verwechslung von mir. Herr Kollege Biesenbach, 90 Sekunden für Ihre Intervention!
Peter Biesenbach (CDU): Herr Kollege Abel, ich habe bei Herrn Börner und auch bei Ihnen darauf gewartet, dass Sie auf die fundamentalen Bedenken der Sachverständigen, die in der Anhörung zu den rechtlichen Fragen Stellung genommen haben, Ausführungen machen. Wir haben zwei Stellungnahmen von hochrangigen Verfassungsrechtlern vorliegen, die dem Land für das von Ihnen gerade hochgelobte Gesetz schlicht die Kompetenz absprechen.
Das Land hat bekanntlich die Gesetzgebungskompetenz in der konkurrierenden Gesetzgebung nur, wenn der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebraucht macht. Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich sowohl auf das gerichtliche Verfahren als auch auf den Tierschutz.
Der Bund hat ein Tierschutzgesetz erlassen. Nach diesen beiden Sachverständigen gibt es keine weiteren Gesetzgebungsaktivitäten, die in den Ländern noch erledigt werden können. Sie gehen weiter davon aus, dass der Bundesgesetzgeber durch die nachträgliche Einführung neuer verwaltungsverfahrensrechtlicher Institute, wie zum Beispiel der Tierschutzkommission, auch eine erschöpfende und abschließende Verfahrensregelung getroffen hat.
Daher kommen beide Rechtssachverständige zu dem Ergebnis, das Gesetz, das Sie heute zu verabschieden beabsichtigen, sei verfassungswidrig. Dazu wüsste ich gern einmal Ihre Position: warum Sie dennoch daran festhalten und dazu nicht einmal Stellung dazu nehmen.
Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Kollege Biesenbach, Sie verweisen auf die Anhörung und auf die von Ihnen genannten Sachverständigen. Sie werden sicherlich vernommen haben, dass es andere Meinungen gibt, die auch in der Anhörung von prominenter Seite vertreten wurden.
Ich verweise beispielsweise auf die Stellungnahme des Verbandes Juristen für Tierrechte. Ebenso kann man darauf verweisen, dass das Bundesland Bremen dieses Verbandsklagerecht bereits eingeführt hat. Man könnte auch noch erwähnen, dass im Saarland, wo es einmal eine Koalition unter Ihrer und unserer Beteiligung gab, bereits ein Verfahren begonnen wurde, um dieses Verbandsklagerecht einzuführen.
Wir gehen davon aus, es gehört selbstverständlich zum Staatsziel Tierschutz, dass Entscheidungen, die zulasten der Tiere getroffen werden, auch gerichtlich überprüft werden können. Andersherum ist das schon der Fall. Es geht darum, dieses Ungleichgewicht zu korrigieren. Insofern gehen wir davon aus, dass es verfassungskonform ist. Das belegen auch entsprechende Stellungnahmen, die verfügbar sind und die in der Anhörung hinreichend beleuchtet wurden.
(Beifall von den GRÜNEN)

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