Dr. Ruth Seidl: „Es geht darum, das Hochschulgesetz durch adäquate und zeitgemäße Steuerungs- und Partizipationsformen zukunftsgerecht weiterzuentwickeln.“

Antrag der FDP-Fraktion zur Hochschulfreiheit

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE) TC „Dr. Ruth Seidl (GRÜNE)“ f C l „5“ : Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich muss man sich die Frage stellen, ob man auf die offenkundige Stimmungsmache von CDU und FDP in dieser Debatte um das Hochschulgesetz eigentlich noch ernsthaft eingehen soll; denn mit den in Ihrem Antrag benutzten Kampfbegriffen wie Staatsbevormundung, politisches Diktat oder Entmündigungsgesetz haben Sie die Grenze der politischen Seriosität ganz gewaltig überschritten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Eine solche Semantik und die damit verbundenen Vorhaltungen sind nicht nur absurd, sondern aus meiner Sicht auch qualitativ unterste Schublade. Vor allem bringen sie uns in der Sache dieses wichtigen Gesetzesvorhabens keinen Schritt weiter.
Die Autonomie der Hochschulen ist für uns ein wichtiges Anliegen, das wir seit vielen Jahren als rot-grüne Regierung konsequent vorangetrieben haben. Ich nenne noch einmal die Einführung der Globalbudgets, das Berufungsrecht der Hochschulen, den Verzicht auf die Genehmigung von Studiengängen und auch den weitgehenden Rückzug des Ministeriums aus der Fachaufsicht. Das war rot-grüne Politik vor dem sogenannten Hochschulfreiheitsgesetz. Es wäre vollkommen absurd, wenn wir heute die durch die Freiheit gewonnene Handlungsfähigkeit der Hochschulen wieder einschränken wollten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Autonomie ist aber auch kein Selbstzweck. Gerade die Hochschulen stehen in einer besonderen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und dem Staat. Es geht nicht zuletzt um den Erhalt der Wissenschaftsfreiheit bei gleichberechtigter Beteiligung aller Hochschulmitglieder. Es geht auch um eine nach innen wie nach außen hin orientierte Transparenz. Wir schaffen also nicht etwa Demokratie und Transparenz ab, wie Sie das in Ihrem Antrag behaupten, sondern wollen sie vielmehr stärken. Es geht darum, das Hochschulgesetz durch adäquate und zeitgemäße Steuerungs- und Partizipationsformen zukunftsgerecht weiterzuentwickeln.
Wenn Sie jetzt ausgerechnet ein vergleichsweise harmloses Instrument wie die vom Ministerium vorgeschlagenen Rahmenvorgaben herauspicken, um damit den Untergang der Hochschulautonomie in Nordrhein-Westfalen zu beschwören, zeigt das nur, wie wenig Sie sich mit den allgemeinen Steuerungsinstrumenten im Hochschulbereich und im ministeriellen Bereich im Allgemeinen auseinandergesetzt haben;
(Angela Freimuth [FDP]: Diese Passage werde ich Ihnen gerne wieder vorhalten!)
denn Rahmenvorgaben sollen nichts anderes sein als eine sehr zurückhaltende Form von Verwaltungsvorschriften, wie sie vor der Verselbstständigung der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen noch gültig waren. Das sind sie jetzt nicht mehr. Insofern ist eine Regelungslücke entstanden.
Liebe Kollegen, darauf hat im Übrigen auch Herr Löwer in seinen Anmerkungen hingewiesen. Sie haben eben nicht zitiert, dass er auch gesagt hat, er verstehe, dass das Ministerium ein adäquates Instrument finde, um diese Regelungslücke zu schließen.
(Angela Freimuth [FDP]: Aber er hat genauso gesagt, dass das zweifelhaft ist!)
Vor diesem Hintergrund ist Ihre Kritik an den angedachten Rahmenvorgaben vollkommen überzogen. Sie sind es, die durch Ihr populistisches Getöse zur Verunsicherung an den Hochschulen beitragen. Ich finde, das ist unverantwortlich.
(Beifall von den GRÜNEN und von Karl Schultheis [SPD])
Ich kann Ihnen ein Beispiel geben. Wenn die Hochschulen beispielsweise nicht mehr an die Ausführungsbestimmungen zum SGB IX, also den Regelungen für Menschen mit Behinderung, gebunden sind, ist dies eine Fehlentwicklung, die wir selbstverständlich korrigieren müssen.
(Dr. Stefan Berger [CDU]: Das ist doch lächerlich!)
Sie sprechen immer von freiwilliger Selbstverpflichtung als dem Credo der FDP bei allen politischen Maßnahmen. Das reicht aber eben nicht aus.
Wenn das Wissenschaftsministerium diesem Parlament nicht einmal grundlegende Fragen zu Daten aus den Hochschulen beantworten kann, weil die selbstständigen Hochschulen uneinheitliche Erhebungen durchführen, bedarf es hier einer standardisierten Rechenschaftslegung – das ist von den Kanzlern in der Anhörung auch sehr deutlich vorgetragen geworden –, die man zum Beispiel über eine Rahmenvorgabe regeln kann. So einfach ist das.
Dass hierbei etwas am Parlament vorbeigehen würde, ist blanker Unsinn. Über Verwaltungsvorschriften oder Vorgaben zur Datenübermittlung entscheidet das Parlament in der Regel nicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Sie das in Zukunft gerne tun möchten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition.
Deshalb wäre es auch besser, Sie würden Ihren Blick noch einmal auf die wesentlichen Dinge richten. Ich zitiere:
„Die Autonomie der Hochschule bedeutet eben nicht den Rückzug der staatlichen Verantwortung zugunsten einer wettbewerbsorientierten unternehmerischen Autonomie der Hochschule.“
Das war übrigens auch ein O-Ton aus der Anhörung, und zwar von Dr. Wolfgang Lieb. Weiter sagt er:
„Autonomie heißt vielmehr die gesetzliche Gewährleistung der Freiheit der Wissenschaft in einer demokratischen Hochschule zum Nutzen und zum Fortschritt der gesamten Gesellschaft und nicht nur von wirtschaftlichen Einzelinteressen.“
Es hat also durchaus auch sehr differenzierte Stellungnahmen in dieser Anhörung gegeben, von der Sie eben gesagt haben, sie sei sehr eindeutig in Ihre Richtung gegangen. Das ist natürlich ein ausgesprochen singulärer Blick auf die Dinge.
Niemandem geht es um die Rückabwicklung der Hochschulfreiheit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition. Deshalb werden wir dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)