Daniela Schneckenburger: „Es macht Sinn, zunächst auszuwerten, wie das Instrument Zweckentfremdungsverordnung gewirkt hat“

Antrag der Piraten zu Zweckentfremdung von Wohnungen

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Herr Schemmer hier ans Mikrofon geht und dunkelrot sieht, dann verdüstert sich bei einem selbst manchmal der Horizont. Dass Sie jetzt die Piraten in die Nähe der DDR rücken, ist einmal eine ganz neue Note in der Plenardebatte. Das hatten Sie in der letzten Legislaturperiode immer bei einer anderen Fraktion. Besser und gehaltvoller wird die Debatte an der Stelle darum aber nicht.
(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Herr Schemmer, es ist ziemlich mühselig. Halbwahrheiten wie die Halbierung der Wohnungsbauförderung tragen Sie jetzt zum zweiten Mal in der heutigen Debatte vor. Ich will trotzdem noch einmal etwas sagen. Vorhin habe ich es mir zum Teil verkniffen, weil es ein wenig mühselig ist, Halbwahrheiten dieser Art zu diskutieren. Ich will es trotzdem noch einmal sagen.
Als Ihre Fraktion zusammen mit der FDP damals die Regierung getragen hat, also unter Schwarz-Gelb, haben Sie die Wohnungsbauförderung des Landes in eine Eigentumsförderung des Landes umgewandelt.
(Christof Rasche [FDP]: Sie war doch unter Ihnen vorher viel höher!)
Sie haben so lange umgewandelt, bis Ihnen Ihr Finanzminister geschrieben hat: Wissen Sie eigentlich, was Sie mit dem revolvierenden Fonds des Wohnungsbauvermögens tun? Das ist unverantwortliches Handeln. – Der Brief vom Februar 2010 ist und bleibt legendär. Durch ihn hat Ihnen Ihr eigener Finanzminister ins Stammbuch geschrieben, dass Sie die Wohnungsbauförderung zweckentfremden,
(Zustimmung von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der CDU: Sie wollen doch gar nicht mehr!)
indem Sie mehr Geld ausschütten, als in diesem Fonds überhaupt vorhanden ist. Das jetzt auch noch als Wohltat an den Mietwohnungsmärkten und am sozialen Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen zu verkaufen, ist schon eine ziemlich abenteuerliche Mär, die Sie hier erzählt haben.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, würden Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Schemmer zulassen?
Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Aber immer, gerne.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege, bitte.
Bernhard Schemmer (CDU): Frau Kollegin Schneckenburger, ist Ihnen bekannt, dass die Eigentumsförderung in den Jahren 2003 und 2004 unter Rot-Grün deutlich höher war als in den Jahren 2005 bis 2010 unter Schwarz-Gelb? Praktisch heißt das, die Eigentumsförderung wurde damals durch Rot-Grün ganz nach vorne gestellt und nicht durch Schwarz-Gelb.
Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Herr Schemmer, uns beiden sollte durch entsprechend hinterlegte Dokumente bekannt sein, dass die Ansätze in der Tat 2003 und 2004 höher waren als zu Ihrer Zeit. Der Grund, warum Ihnen der Finanzminister geschrieben hat, bestand darin, dass Sie die Eigentumsförderung in Nordrhein-Westfalen weit über die Ansätze hinaus ausgedehnt haben.
(Bernhard Schemmer [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
– Jetzt lassen Sie mich bitte auch einmal antworten.
Sie haben zwar einen bestimmten Ansatz in Ihren Plan zur Eigentumsförderung geschrieben, haben aber am Ende bis zu 800 Millionen € ausgeschüttet. Das war doch der Grund, warum der Finanzminister sagte: Jetzt sind wir bei 1,14 Milliarden €. Wir können aber maximal 1 Milliarde € aus dem Wohnungsbauvermögen ausschütten, weil sich der Fonds sonst selbst sozusagen kannibalisiert. Jetzt gebt mal bitte acht; das ist nicht mehr zu verantworten. – So viel dazu.
Jetzt kommen wir zum Thema „Zweckentfremdungsverordnung“. Wir haben als Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen in der letzten Legislaturperiode wieder eine Zweckentfremdungsverordnung eingeführt. Warum haben wir das getan? Wir haben das mit Blick darauf und mit Wissen darum getan, dass es Entwicklungen in den Großstädten gibt, die die Mietwohnungslage problematischer machen und es darum notwendig ist, zu reagieren. Wir haben das Instrument aber in die Hände der Kommunen gegeben. Das ist das Gegenteil von staatlichem Durchregieren durch das Land, Herr Schemmer. Wir haben dieses Instrument mit Blick darauf in die Hände der Kommunen gegeben, dass die Kommunen nicht nur die Wohnungsaufsicht haben, sondern ihre Wohnungssituation in Nordrhein-Westfalen am besten kennen. Es gibt Kommunen, die vor dem Hintergrund ihrer eigenen Wohnungsmarktanalyse entschieden haben, das Instrument anzuwenden. Wie Sie da auf staatlichen Dirigismus à la DDR kommen, ist mir ohnehin schleierhaft.
Aber jetzt noch einmal an die Piraten gewandt: Ich verstehe nicht, warum Sie an dieser Stelle noch einmal mit diesem Antrag kommen. Wir haben diese Frage doch auch in der Enquetekommission diskutiert. Wir haben uns doch auch verständigt. Sie haben doch auch die Hand dafür gehoben, will sagen, den Bericht am Ende unterschrieben, dass es Sinn macht, zunächst auszuwerten, wie das Instrument Zweckentfremdungsverordnung gewirkt hat und ob die Gebietskulissen auch entsprechend einer optimalen Wirksamkeit des Instrumentes angelegt sind. Ich finde, das sollte man dann auch machen. So viel Sorgfalt muss sein.
Insofern macht es keinen Sinn, jetzt diesen Antrag zu beschließen. Wir gehen ja ohnehin auch noch einmal in einen gemeinsamen Umsetzungsprozess der Ergebnisse der Enquetekommission. Das haben wir jetzt vor uns. Es macht auch Sinn, das mit der notwendigen Sorgfalt zu machen und mit Blick auf die unterschiedlichen Situationen in den lokalen Teilmärkten. Dann können wir das miteinander diskutieren.
Wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass man vor dem Hintergrund der Entwicklung eine andere Variante der Zweckentfremdungsverordnung machen sollte, dann ist der Minister gefordert, das auch zu tun. Das wird er auch mit Sicherheit tun, so wie ich ihn kennengelernt habe. Aber das zu tun, ohne zunächst auch einmal auszuwerten und das einzuhalten, was man gemeinsam verabredet hat, macht jedenfalls auch keinen Sinn. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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